Widersprüche über Militärattacken der Türkei – Iran stellt sich hinter Bagdad im eskalierenden Streit mit Ankara
von Birgit Cerha
„Es ist völlig inakzeptabel wenn ein Land unter dem Vorwand des
Anti-Terrorkampfes oder anderer Verbrechen die Souveränität (eines
anderen Staates) zu verletzen sucht.“ Mit dieser Erklärung seines
Außenministeriums stellte sich der Iran Montag offen auf die Seite des
Iraks in dem sich verschärfenden Konflikt Bagdads mit der Türkei. In
offensichtlicher Untermauerung der türkischen Position in der
gegenwärtigen Kampagne zur Befreiung der irakischen Stadt Mosul von der
Terrormiliz des „Islamischen Staates“ IS, hatte der türkische Premier
Yildirim Sonntag bekanntgegeben, nahe von Mosul stationierte türkische
Soldaten hätten auf die Stadt vorrückende kurdische Peschmerga-Einheiten
mit „Artillerie, Panzern und Haubitzen“ unterstützt. Sie seien damit
einer ausdrücklichen Bitte der Kurden gefolgt. Die irakische
Militärführung hingegen wies rasch diese Behauptung zurück.
Seit Wochen versucht die türkische Führung in einem stetig
eskalierenden Wortkrieg mit Bagdad klarzustellen, dass sie nicht von der
Befreiung Mosuls ausgeschlossen werden könne, gleichgültig ob Bagdad
einer militärischen Intervention zustimme oder nicht. Zu diesem Zweck
haben die Türken bereits im Dezember tausend Soldaten und 25 Panzer in
dem etwa 25 km von Mosul entfernten Baschika stationiert, wo sie ein
Trainingslager für Peschmerga und arabische Sunniten aus Mosul
einrichteten. Zwar wurde die Einheit inzwischen auf 500 Mann reduziert,
doch stehen in anderen Teilen des Nord-Iraks noch mindestens 2000
türkische Militärs als „Berater“.
Auch Iraks Premier Abadi spricht von Verletzung irakischer
Souveränität, forderte wiederholt – vergeblich – die Türken zum Abzug
auf und warnt, dass eine militärische Beteiligung an der Mosul-Offensive
einen regionalen Krieg vom Zaum brechen würde. Versuche der USA,
Bagdad zu einer Kooperation mit Ankara zu bewegen, scheiterten bisher.
Aber auch der türkische Präsident Erdogan zeigt lenkt nicht ein, sieht
er doch eine historische Chance, den Verlust Mosuls vor fast hundert
Jahren wieder wettzumachen.
Fast 400 Jahre lang galt Mosul, die Hauptstadt von drei Provinzen
auf dem Gebiet des heutigen Iraks, als integraler Teil des Osmanischen
Reiches, bis die Briten die Stadt 1918 eroberten. Die Entscheidung des
Völkerbundes 1926, Mosul nicht der Türkei, sondern dem britischen
Mandatsgebiet Irak zuzuschreiben, haben türkische Nationalisten bis
heute nicht verkraftet. So wird denn auch Erdogan nicht müde, die
„historische Verantwortung“ für dieser Region zu betonen und scheute
vergangenen Sonntag nicht einmal vor der Behauptung zurück, Mosul, die
nordirakische Ölstadt Kirkuk und das syrische Aleppo gehörten den
Türken, die einst aus diesen Städten vertrieben worden seien, wie heute
Iraker und Syrer durch den IS. Ankara betrachtet weite Teile des
Nord-Iraks bis zur iranischen Grenze als eine natürliche, strategisch
wichtige Pufferzone. Um diese abzuichern setzt sich Erdogan nicht mehr
für die Erhaltung der Einheit des Iraks ein, sondern verstärkte seine
Beziehungen mit dem autonomen irakischen Kurdistan, aber auch mit den
arabischen Sunniten unter Führung des ehemaligen Gouverneurs der Provinz
Niniveh mit der Hauptstadt Mosul, Athil al Nudschaifi, der heute eine
4.500 Mann starke, von den Türken trainierte Miliz anführt und für eine
autonome Sunniten-Region kämpft. Nudschaifi steht einem anderen engen
Verbündeten der Türken, Kurdenpräsident Massoud Barzani, nahe.
All diese Entwicklungen beunruhigen Iraks schiitische Politiker
zutiefst. Sie werfen den Türken vor, die Spaltung des Landes
voranzutreiben und setzen Abadi massiv unter Druck, Ankaras
militärischen Absichten Einhalt zu gebieten. Schon warnt der Premier,
schiitische Milizen hätten das Recht, türkische Truppen „gewaltsam“ aus
dem Irak zu verjagen. Dafür ist ihnen nun Teherans Unterstützung sicher.
Immerhin geht es den Türken ja vor allem auch darum den Einfluss des
Irans im Irak so weit wie möglich einzudämmen.
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