Dienstag, 25. Oktober 2016

Mosul-Offensive verschärft regionale Konflikte

Widersprüche über Militärattacken der Türkei – Iran stellt sich hinter Bagdad im eskalierenden Streit mit Ankara
 
von Birgit Cerha
 
„Es ist völlig inakzeptabel wenn ein Land unter dem Vorwand des Anti-Terrorkampfes oder anderer Verbrechen die Souveränität (eines anderen Staates) zu verletzen sucht.“ Mit dieser Erklärung seines Außenministeriums stellte sich der Iran Montag offen auf die Seite des Iraks in dem sich verschärfenden Konflikt Bagdads mit der Türkei.  In offensichtlicher Untermauerung der türkischen Position in der gegenwärtigen Kampagne zur Befreiung der irakischen Stadt Mosul von der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ IS, hatte der türkische Premier Yildirim Sonntag bekanntgegeben, nahe von Mosul stationierte türkische Soldaten hätten auf die Stadt vorrückende kurdische Peschmerga-Einheiten mit „Artillerie, Panzern und Haubitzen“  unterstützt. Sie seien damit einer ausdrücklichen Bitte der Kurden gefolgt. Die irakische Militärführung hingegen wies rasch diese Behauptung zurück.
Seit Wochen versucht die türkische Führung in einem stetig eskalierenden Wortkrieg mit Bagdad klarzustellen, dass sie nicht von der Befreiung Mosuls ausgeschlossen werden könne, gleichgültig ob Bagdad einer militärischen Intervention zustimme oder nicht. Zu diesem Zweck haben die Türken bereits im Dezember tausend Soldaten und 25 Panzer in dem etwa 25 km von Mosul entfernten Baschika stationiert, wo sie ein Trainingslager für Peschmerga und arabische Sunniten aus Mosul einrichteten.  Zwar wurde die Einheit inzwischen auf 500 Mann reduziert, doch stehen in anderen Teilen des Nord-Iraks  noch mindestens 2000 türkische Militärs als „Berater“.
Auch Iraks Premier Abadi spricht von Verletzung irakischer Souveränität, forderte wiederholt – vergeblich – die Türken zum Abzug auf und warnt, dass eine militärische Beteiligung an der Mosul-Offensive  einen regionalen Krieg vom Zaum brechen würde. Versuche der USA, Bagdad zu einer Kooperation mit Ankara zu bewegen, scheiterten bisher. Aber auch der türkische Präsident Erdogan zeigt lenkt nicht ein, sieht er doch eine historische Chance, den Verlust Mosuls vor fast hundert Jahren wieder wettzumachen.
Fast 400 Jahre lang galt Mosul, die Hauptstadt von drei Provinzen auf dem Gebiet des heutigen Iraks,  als integraler Teil des Osmanischen Reiches, bis die Briten die Stadt 1918 eroberten. Die Entscheidung des Völkerbundes 1926, Mosul nicht der Türkei, sondern  dem britischen Mandatsgebiet Irak zuzuschreiben, haben türkische Nationalisten bis heute nicht verkraftet. So wird denn auch Erdogan nicht müde, die „historische Verantwortung“ für dieser Region zu betonen und scheute vergangenen Sonntag nicht einmal vor der Behauptung zurück, Mosul, die nordirakische Ölstadt Kirkuk und das syrische Aleppo gehörten den Türken, die einst aus diesen Städten vertrieben worden seien, wie heute Iraker und Syrer durch den IS. Ankara betrachtet weite Teile des Nord-Iraks bis zur iranischen Grenze als eine natürliche, strategisch wichtige Pufferzone. Um diese abzuichern setzt sich Erdogan nicht mehr für die Erhaltung der Einheit des Iraks ein, sondern verstärkte seine Beziehungen mit dem autonomen irakischen Kurdistan, aber auch mit den arabischen Sunniten unter Führung des ehemaligen Gouverneurs der Provinz Niniveh mit der Hauptstadt Mosul, Athil al Nudschaifi, der heute eine 4.500 Mann starke, von den Türken trainierte Miliz anführt und für eine autonome Sunniten-Region kämpft. Nudschaifi steht einem anderen engen Verbündeten der Türken, Kurdenpräsident Massoud Barzani, nahe.
All diese Entwicklungen beunruhigen Iraks schiitische Politiker zutiefst. Sie werfen den Türken vor, die Spaltung des Landes voranzutreiben und setzen Abadi massiv unter Druck, Ankaras militärischen Absichten Einhalt zu gebieten. Schon warnt der Premier, schiitische Milizen hätten das Recht, türkische Truppen „gewaltsam“ aus dem Irak zu verjagen. Dafür ist ihnen nun Teherans Unterstützung sicher. Immerhin geht es den Türken ja vor allem auch darum den Einfluss des Irans im Irak so weit wie möglich einzudämmen.

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