Während Assad und Putin neue strategische Fakten schaffen, beginnt
der Hunger für Hunderttausende Menschen Im belagerten Stadtteil
von Birgit Cerha
„Über uns fliegen mehr Kampfjets als Vögel. Der Tag des Jüngsten Gerichts ist angebrochen.“ So beschreibt ein Lehrer im belagerten Ost-Aleppo die Todesängste der 250.000 Zivilisten in der einst größten Metropole Syriens. Bewohner zählten mehr als 900 Luftangriffe an einem einzigen Tag. Seit Russland und das von ihm unterstützte Assad-Regime Dienstag eine dreiwöchige Kampfpause beendeten prasseln Bomben und Granaten auf Rebellenpositionen und zivile Ziele in nie dagewesener Intensität nieder. Den Eingeschlossenen bleibt nach den Worten eines der Zivilschutzfreiwilligen der „Weißen Helme“ nur noch die Hoffnung auf den Tod. In Ost-Aleppo, wo seit Juli keine Hilfslieferungen eintrafen, gehen die Notvorräte zur Neige. Das Aushungern, Assads bereits in anderen Rebellengebieten erfolgreich angewandte Strategie, hat begonnen.
„Über uns fliegen mehr Kampfjets als Vögel. Der Tag des Jüngsten Gerichts ist angebrochen.“ So beschreibt ein Lehrer im belagerten Ost-Aleppo die Todesängste der 250.000 Zivilisten in der einst größten Metropole Syriens. Bewohner zählten mehr als 900 Luftangriffe an einem einzigen Tag. Seit Russland und das von ihm unterstützte Assad-Regime Dienstag eine dreiwöchige Kampfpause beendeten prasseln Bomben und Granaten auf Rebellenpositionen und zivile Ziele in nie dagewesener Intensität nieder. Den Eingeschlossenen bleibt nach den Worten eines der Zivilschutzfreiwilligen der „Weißen Helme“ nur noch die Hoffnung auf den Tod. In Ost-Aleppo, wo seit Juli keine Hilfslieferungen eintrafen, gehen die Notvorräte zur Neige. Das Aushungern, Assads bereits in anderen Rebellengebieten erfolgreich angewandte Strategie, hat begonnen.
Assad und Russlands Präsident Putin nutzen die Wahlturbulenzen in
den USA, um in Syrien neue strategische Fakten zu schaffen, den
Spielraum Trumps einzuengen, wenn er im Januar die Macht übernimmt. Die
Eroberung des von etwa 4000 Rebellen der „Jabhat Fatah al Sham“ (ehemals
Al-Kaida Ableger Al-Nusra) kontrollierten Stadtteils ist zentrales
Ziel, das die Position des Diktators stärken, den Krieg allerdings
keineswegs beenden würde. Da sich weder die Rebellen ergeben, noch die
Zivilbevölkerung Russlands Angebot eines humanitären Korridors annehmen
wollen, setzt Assad auf die volle Zerstörung dieses Stadtteils. Zugleich
versucht Putin, sich von solchen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu
distanzieren und betont, sein Kriegsgerät würde, wie in den vergangenen
drei Wochen, Ost-Aleppo schonen. Denn die Beteiligung an Massenmorden
unter der hilflosen Zivilbevölkerung Ost-Aleppos würde jede Aussicht auf
eine gemeinsame Suche mit den USA nach einem Ende des Blutvergießens
zunichte machen. Umso massiver schlagen russische Bomben und
Marschflugkörper, erstmals von dem bei Tartus stationierten
Flugzeugträger Admiral Kuznetsov abgefeuert, in Idlib und Homs ein, in
Regionen, die von der eben erneut von den USA als Terror-Organisation
eingestuften Nusra kontrollierten werden.
Trumps Ankündigung, er wolle dem Kampf gegen die Terrormiliz des
„Islamischen Staates“ (IS) und andere radikale Islamistengruppen höchste
Priorität einräumen und dabei mit Russland koordinieren, hat den
Kremlherrn wohl in seiner Entschlossenheit bestärkt, den Widerstand der
Rebellen endgültig zu brechen. Noch mag Putin aber auf den Plan des
UN-Syrienbeauftragten de Mistura hoffen, der den bewaffneten Rebellen
einen unter UN-Aufsicht durchgeführten Auszug aus Ost-Aleppo anbietet,
um die Stadt vor einer gigantischen Katastrophe zu retten.
Ein Jahr, nachdem Russland durch seine Militärintervention Assad
vor dem Untergang gerettet hat, wächst durch die Wahl Trumps die
Hoffnung des Diktators auf sein politisches Überleben wie kaum zuvor.
Euphorisch nennt Assad den Neugewählten seinen „natürlichen
Verbündeten“, sollte Trump sein Versprechen wahrmachen und sich im
Syrienkrieg ausschließlich dem Kampf gegen Terroristen (worunter Assad
alle seine Gegner versteht) widmen.
Putins Syrienstrategie lässt so manche Fragen offen. Wochenlang
hatte sich der Kreml im Dialog mit Washington um einen gemeinsamen
Waffenstillstand und einen anschließenden gemeinsamen Kampf zur
Beendigung des Krieges bemüht – ein Ziel, das Hardliner im Pentagon
blockierten. Schließlich vollzog Putin Ende September eine Kehrtwende,
die sein UN-Vertreter mit den Worten begründete: Angesichts von
„Hunderten bewaffneten Gruppen“ in Syrien sei es „fast unmöglich“ nun
Frieden zu erreichen. Geopolitische gesehen aber laufen die Dinge voll
in Putins Sinn. Hier ist das Ziel klar: Ende der „Pax Amerikana“,
Absicherung des einzigen Militärstützpunktes im Mittleren Osten, wo die
USA in fast jedem Land strategische Stützpunkte unterhalten; Aufbau
Syriens zu einer säkularen Bastion gegen den auch Russland gefährdenden
islamischen Extremismus. Für dieses Ziel starben durch russische Bomben
laut der „Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ bisher 10.000
Syrer, etwa 4.000 davon Zivilisten.
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