von Birgit Cerha
Die Schlacht um Mosul, die härteste und möglicherweise
entscheidenste, die bisher gegen die Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS)
geschlagen wurde, dürfte nicht nur das Schicksal dieser barbarischen Miliz im
Irak besiegeln und damit den Traum von einem weltweiten „Kalifat“ zerstören. Nicht
nur steht hier die Überlebenskraft dieser brutalen Organisation auf dem Spiel.
Es geht um weit mehr: Kann dieser einst von Kolonialmächten geschaffene
irakische Staat nach den enormen durch den IS seit 2014 ausgelösten
militärischen, sozialen, ökonomischen und politischen Turbulenzen überhaupt
noch überleben?
Kein Zweifel, die Niederlage des IS als Territorialmacht
hätte dramatische Auswirkung auf das Schlachtfeld Syrien. Sie könnte das Assad
Regime stärken oder auch andere islamische Rebellen, wie die mit Al-Kaida
verbündete Jabhat Fatah al Sham. Unvorhersehbare Folgen sind seit langem die
Konstanten dieses Konflikts.
Doch mindestens ebenso dramatisch sind die Konsequenzen für
den Irak. Mosul besitzt eine tiefe Bedeutung für Kurden, arabische Sunniten und
Schiiten. Die Rückeroberung dieser fast 3000 Jahre alten Stadt könnte die Kluft
zwischen den Bevölkerungsgruppen – insbesondere zwischen arabischen Sunniten
und der von Schiiten dominierten Regierung - unüberbrückbar vertiefen. Das
militärische Arrangement, das die diversen lange miteinander rivalisierenden
militärischen Gruppen für diese Schicksalsschlacht getroffen haben, gibt ein
wenig Hoffnung. Zwar verhinderten ihre
politischen Konflikte die Bildung eines gemeinsamen Oberkommandos. Doch
immerhin einigten sie sich, dass die Kurden, die einen Teil von Mosul
beanspruchen, sowie die vom Iran unterstützte Hashd Al Shaabi-Miliz die von
einer sunnitischen Mehrheit dominierte Stadt nicht betreten. Waren es doch die
Greueltatene Shaabis und anderer schiitischer Milizen an Sunniten, die die Tore
Mosuls dem IS öffneten. Lange sahen die von Bagdad schwer diskriminierten arabischen
Sunniten der Region in diesen islamistischen Glaubensbrüdern, ungeachtet ihrer
Radikalität, eine willkommene Schutzmacht. Dass sich dies wegen der barbarischen
Herrschaft, die der IS in den von ihm kontrollierten Gebieten unterdessen
ausübte, geändert hat, wird zunehmend erkennbar. Zuletzt hat der unter
Sunniten, insbesondere unter einstigen Generälen und Angehörigen der
Baath-Partei des gestürzten Diktators Saddam Husseins höchst einflussreiche sufistische „Nakschbandi-Orden“ , der eine
zentrale Rolle im Widerstand gegen die Regierung in Bagdad spielte, seine
Anhänger zur Oppositiion gegen den IS aufgerufen. So könnten mehr und mehr
Sunniten nun bereit sein, eine Kooperation mit der schiitischen Mehrheit und
den Kurden zu riskieren.
Doch das Chaos seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 hat den
Irak zutiefst korrumpiert. Brutalität, Machr- und Geldgier bestimmen den
Alltag. Ebenso Rachdurst zwischen den Bevölkerungsgruppen, gesteigert durch
Einflüsse von außen, die Saudis, die sich als Schutzmacht der Sunniten
aufspielen und in Wahrheit Irans Einfluß im Irak blockieren wollen und die
Türkei, die nun ebenfalls mit militärischem Engagement dasselbe zu erreichen
hofft; militante Schiiten, die all dies
verhindern wollen.
Die Befreiung Mosuls vom IS löst nur eines der irakischen
Probleme. Nur die Überwindung des tiefen Misstrauens zwischen den
Bevölkerungsgruppen, die Bereitschaft zur nationalen Versöhnung und die
Kontrolle radikaler Kräfte kann das Land retten. Premier Abadi lässt dafür bis
heute kein Konzept erkennen.
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