Militärische Partnerschaft zwischen den USA und Russland könnte den
Weg zu einer politischen Lösung öffnen – Doch es gilt enorme Hürden zu
überwinden
von Birgit Cerha
Während die syrische Luftwaffe rasch vor Inkraftreten des von
Russland und die USA beschlossenen Waffenstillstandes ihre militärische
Position durch heftige Bombardements zu verbessern sucht, halten sich
humanitäre Organisationen bereit, um ab Montag rasch Hilfsbedürftige im
Kriegsgebiet zu versorgen. Die Feuerpause soll endlich das Leid der
gequälten Zivilbevölkerung mildern. Das ist das deklarierte Ziel, das
US-Außenminister Kerry und sein russischer Amtskollege Lavrov nach
monatelangen Verhandlungen primär erreichen wollen. Unter der
betroffenen Zivilbevölkerung mischt sich die Hoffnung auf eine Atempause
mit tiefem Mißtrauen. Viele befürchten, Diktator Assad werde die
Feuerpause nutzen, um seine Streitkräfte neu zu organisieren und so die
lange umkämpfe Metropole Aleppo wieder vollends unter seine Kontrolle zu
zwingen. Auch dem Assad durch massive Luftbombardements unterstützende
Russland vertraut kaum jemand. Selbst die Autoren des Friedensplans
verhehlen deshalb nicht gewisse Zweifel am Erfolg ihrer Initiative, und
doch könnte sie eine Wende in diesem grauenvollen Gemetzel einleiten.
Für die bedrängte Supermacht USA steht viel auf dem Spiel, ebenso
für Russland, das durch die Intervention in Syrien den 1991 verlorenen
Status einer Supermacht wieder zu erlangen hofft. Beide haben deshalb
größtes Interesse, dass ihre lokalen Verbündeten – das Assad Regime auf
der einen und die „gemäßigten“ Rebellen auf der anderen Seite – die
Bedingungen des Waffenstillstandes einhalten. Wiewohl Assad dies bereits
versprach, ist keineswegs sicher, ob Moskaus Einfluss stark genug ist,
um dies im nötigen Ausmaß durchzusetzen. Noch viel weniger kann
Washington dies für die „gemäßigten“ Rebellen garantieren.
Das Abkommen ist äußerst kompliziert und enthält zahlreiche Punkte,
die geheim bleiben, um Sabotage zu verhindern. Als ersten Schritt
sollen ab Montag alle Kampfhandlungen, insbesondere Luftangriffe,
eingestellt und humanitäre Korridore geöffnet werden. Hält der
Waffenstillstand sieben Tage lang, dann beginnt eine einzigartige
russisch-amerikanische Kooperation, die den „Islamischen Staat“ (IS) und
die der Al-Kaida nahestehende „Jabhat Fateh al-Sham, JFS, (ehemals
al-Nusra) vernichten soll. Doch hier liegt das größte Problem. Das
Abkommen fordert von der „gemäßigten“ Opposition, sich vollends von JFS
zu lösen, auch, um nicht von Attacken auf die Terrorgruppe getroffen zu
werden. Doch diverse Rebellen kämpfen mit JFS, der militärisch
stärksten Opposition gegen Assad. Zudem gelten die JFS-Jihadis
insbesondere auch in Ost-Aleppo als Retter, hatten sie doch im August
die Blockade der Stadt durchstoßen, während die westliche Welt Assads
Aushungersstrategie tatenlos hinnahm und russische Bomben auf die
Bevölkerung niederprasselten. Keine der Rebellengruppen hat sich deshalb
bisher von JFS losgesagt. Zudem sind diese Gruppen militärisch nicht
stark genug, um – wie das Abkommen fordert – JFS gewaltsam zu
vertreiben.
Die JFS erwies einen gewissen Pragmatismus. Während die
„gemäßigten“ Rebellen nun vor der schwierigsten Entscheidung seit
Kriegsbeginn stehen, könnte sich die JFS aus taktischen Gründen von den
Frontlinien zurückziehen.
Um ihre Anti-Terror-Kampagne zu beginnen, wollen Russen und
Amerikaner eine gemeinsame Einsatzzentrale gründen, in der sie die
Zielgebiete ihrer Luftschläge festlegen. Während US-Militärs
Geheimdienstinformationen mit ihren russischen Kollegen austauschen, hat
sich Washington ein Vetorecht gegen russische Attacken gesichert, um
Angriffe auf zivile Ziele zu verhindern. Solche Kooperation könnte
schließlich, so die Hoffnung, den Weg zu einem Ende des Krieges ebnen.
Doch zahlreiche äußere Kräfte haben diesen Krieg in katastrophaler
Weise eskaliert. Sie haben viele Möglichkeiten eine Lösung, die nicht
ihrem strategischen Interesse liegt, zu sabotieren. So ist ein Erfolg
dieses Projekts ohne ihre Zustimmung, insbesondere jene des Irans, der
wichtigsten militärischen Stützte Assads, undenkbar.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen