Montag, 12. September 2016

Hoffnung auf eine Wende im Syrienkrieg

Militärische Partnerschaft zwischen den USA und Russland könnte den Weg zu einer politischen Lösung öffnen – Doch es gilt enorme Hürden zu überwinden
 
von Birgit Cerha
 
Während die syrische Luftwaffe rasch vor Inkraftreten des von Russland und die USA beschlossenen Waffenstillstandes ihre militärische Position durch heftige Bombardements zu verbessern sucht, halten sich humanitäre Organisationen bereit, um ab Montag rasch Hilfsbedürftige im Kriegsgebiet zu versorgen. Die Feuerpause soll endlich das Leid der gequälten Zivilbevölkerung mildern. Das ist das deklarierte Ziel, das US-Außenminister Kerry und sein russischer Amtskollege Lavrov nach monatelangen Verhandlungen primär erreichen wollen. Unter der betroffenen Zivilbevölkerung mischt sich die Hoffnung auf eine Atempause mit tiefem Mißtrauen. Viele befürchten, Diktator Assad werde die Feuerpause nutzen, um seine Streitkräfte neu zu organisieren und so die lange umkämpfe Metropole Aleppo wieder vollends unter seine Kontrolle zu zwingen. Auch dem Assad durch massive Luftbombardements unterstützende Russland vertraut kaum jemand. Selbst die Autoren des Friedensplans verhehlen deshalb nicht gewisse Zweifel am Erfolg ihrer Initiative, und doch könnte sie eine Wende in diesem grauenvollen Gemetzel einleiten.
Für die bedrängte Supermacht USA steht viel auf dem Spiel, ebenso für Russland, das durch die Intervention in Syrien den 1991 verlorenen Status einer Supermacht wieder zu erlangen hofft. Beide haben deshalb größtes Interesse, dass ihre lokalen Verbündeten – das Assad Regime auf der einen und die „gemäßigten“ Rebellen auf der anderen Seite – die Bedingungen des Waffenstillstandes einhalten. Wiewohl Assad dies bereits versprach, ist keineswegs sicher, ob Moskaus Einfluss stark genug ist, um dies im nötigen Ausmaß durchzusetzen. Noch viel weniger kann Washington dies für die „gemäßigten“ Rebellen garantieren.
Das Abkommen ist äußerst kompliziert und enthält zahlreiche Punkte, die geheim bleiben, um Sabotage zu verhindern. Als ersten Schritt sollen ab Montag alle Kampfhandlungen, insbesondere Luftangriffe, eingestellt und humanitäre Korridore geöffnet werden. Hält der Waffenstillstand sieben Tage lang, dann beginnt eine einzigartige russisch-amerikanische Kooperation, die den „Islamischen Staat“ (IS) und die der Al-Kaida nahestehende „Jabhat Fateh al-Sham, JFS, (ehemals al-Nusra) vernichten soll. Doch hier liegt das größte Problem. Das Abkommen fordert von der „gemäßigten“ Opposition, sich vollends von  JFS zu lösen, auch, um nicht von Attacken auf die Terrorgruppe getroffen zu werden. Doch diverse Rebellen kämpfen mit JFS, der militärisch  stärksten Opposition gegen Assad. Zudem gelten die JFS-Jihadis insbesondere auch in Ost-Aleppo als Retter, hatten sie doch im August die Blockade der Stadt durchstoßen, während die westliche Welt Assads Aushungersstrategie tatenlos hinnahm und russische Bomben auf die Bevölkerung niederprasselten. Keine der Rebellengruppen hat sich deshalb bisher von JFS losgesagt. Zudem sind diese Gruppen militärisch nicht stark genug, um – wie das Abkommen fordert – JFS gewaltsam zu vertreiben.
Die JFS erwies einen gewissen Pragmatismus. Während die „gemäßigten“ Rebellen nun vor der schwierigsten Entscheidung seit Kriegsbeginn stehen, könnte sich die JFS aus taktischen Gründen von den Frontlinien zurückziehen.
Um ihre Anti-Terror-Kampagne zu beginnen, wollen Russen und Amerikaner eine gemeinsame Einsatzzentrale gründen, in der sie die Zielgebiete ihrer Luftschläge festlegen. Während US-Militärs Geheimdienstinformationen mit ihren russischen Kollegen austauschen, hat sich Washington ein Vetorecht gegen russische Attacken gesichert, um Angriffe auf zivile Ziele zu verhindern. Solche Kooperation könnte schließlich, so die Hoffnung, den Weg zu einem Ende des Krieges ebnen.
Doch zahlreiche äußere Kräfte haben diesen Krieg in katastrophaler Weise eskaliert. Sie haben viele Möglichkeiten eine Lösung, die nicht ihrem strategischen Interesse liegt, zu sabotieren. So ist ein Erfolg dieses Projekts ohne ihre Zustimmung, insbesondere jene des Irans, der wichtigsten militärischen Stützte Assads, undenkbar.

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