Mittwoch, 21. September 2016

Attacke auf Hilfskonvoi zerstört Friedenshoffnungen

Humanitäre Situation in Syrien dramatisch verschärft, während sich die Spannungen zwischen den USA und Russland verschärfen
 
 von Birgit Cerha

„Schock und Abscheu“ empfinden Vertreter internationaler humanitärer Organisationen  über die Luftangriffe auf einen Hilfskonvoi nahe der belagerten syrischen Stadt Aleppo. 18 der 31 Lkws des syrisch-arabischen Roten Halbmonds und der UNO, die etwa 78.000 der insgesamt rund 250.000 in Ost-Aleppo eingeschlossene Menschen mit dem Lebensnotwendigsten versorgen sollten, wurden zerstört und mindestens 20 Mitarbeiter der Organisationen beim Abladen der Hilfsgüter getötet. Die Attacke vernichtete jede Hoffnung, dass ein von Russland und den USA ausgehandelter Waffenstillstand der hungernden und verzweifelten Zivilbevölkerung Syriens Linderung bringen und vielleicht allmählich sogar die Tür zu einer Friedenslösung öffnen könnte.  Laut der „syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ dürften die Angriffe entweder von syrischen oder russischen Flugzeugen durchgeführt worden sein. Moskau weist diese Behauptung zurück, während die USA  Russland als wichtigstem Verbündeten des Assad-Regimes die Hauptverantwortung für die Tragödie zuschieben, selbst wenn keine russischen Flugzeuge  beteiligt gewesen wären.
UN-Sprecher betonten, das syrische Regime hätte nach langwierigen Verhandlungen die Genehmigung zu den Hilfslieferungen erteilt und von der Position der Lkws gewusst. Aus Sicherheitsgründen wurden nun alle geplanten Hilfslieferungen an die notleidende Zivilbevölkerung verschoben. Damit ist das wichtigste unmittelbare Ziel des am 12. September nach zehnmonatigen Verhandlungen zwischen Moskau und Washington in Kraft getretenen Waffenstillstandes  - humanitäre Hilfe – verfehlt. Die UNO fordert eine internationale Untersuchung, ob hier bewusst ein Kriegsverbrechen begangen wurde.  Die syrische Luftwaffe hatte Montag in Aleppo ein Lagerhaus für humanitäre Güter in Aleppo  zerstört. Wenig später verkündete das Assad-Regime das Ende des Waffenstillstandes, den Rebellen mindestens 300 Mal verletzt hätten. Unmittelbar darauf begannen heftige Attacken auf das von Assads Gegnern kontrollierte Ost-Aleppo, die sich Dienstag auf andere Landesteile ausweiteten. Beobachter befürchten eine dramatische Eskalation der Gewalt.
Der Waffenstillstand hatte zaghafte Hoffnungen geweckt, weil sich zum ersten Mal Russland und die USA zu einer Kooperation in Syrien entschlossen hatten. Doch sein Scheitern zeigt, wie gering ihr Einfluss auf das militärische Geschehen ist. Keine der Kriegsparteien – weder Assad, noch die zahllosen Rebellengruppen – hatten ein Interesse, die Waffen niederzulegen und einen Kompromiss am Verhandlungstisch zu suchen. Der gegenseitige Hass ist so ausgeprägt, dass eine Feuerpause ohne einen Überwachungsmechanismus nicht eingehalten würde. Doch dieser Mechanismus fehlte. Viele Rebellenführer hegten den Verdacht, die USA verfolgten mit dem Waffenstillstand das Ziel, unter allen Umständen den Krieg zu beenden, selbst wenn Assad an der Macht bliebe, eine Aussicht, die sie fanatisch ablehnen. Washingtons Forderung an die „gemäßigten Rebellen“, sich geografisch von der radikal-islamistischen „Jabhat Fatah al Sham“, JFS, (ehemals „Al-Nusra“) zu trennen, bevor die USA gemeinsam mit Russland JFS und die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ bombardieren, stießen ins Leere. Ohne JFS, die militärisch weitaus stärkste Opposition gegen Assad, sind die anderen Rebellengruppen den Regime Kräften hoffnungslos unterlegen. 
So hat der gescheiterte Waffenstillstand das ohnedies latente Misstrauen der „gemäßigten Rebellen“ gegenüber den USA  wesentlich verstärkt und damit Washington Einfluss in Syrien weiter entscheidend geschwächt. Das Ende des Krieges rückt damit in noch weitere Ferne, zumal nicht zuletzt auch der irrtümliche Angriff der von den USA geführten Koalition auf Einheiten der syrischen Armee mit mehr als 60 Toten das Klima der Kooperation mit Russland vergiftete. Über das Ausmaß der nun zu erwartenden Eskalation der Gewalt wird aber auch, wie stets in diesem Krieg, die Bereitschaft der Regionalmächte – Saudi-Arabien, Katar, Türkei und Iran  - entscheiden, ihre Verbündeten in Syrien für noch mehr Terror und Gewalt zu unterstützen.
 

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