Donnerstag, 8. September 2016

28 Millionen Kinder weltweit auf der Flucht

Alarmierender Bericht des UN-Kinderhilfswerks: Jeder zweite Schutzsuchende ist minderjährig, vielen drohen Missbrauch und Ausbeutung, Tausende verschwanden

 
von Birgit Cerha
 
Allein, klein und schwach und dennoch wagt eine immer größere Zahl von Kindern oft unter Todesgefahr die Flucht aus ihrer Heimat. Viele verlieren unterwegs ihr Leben und für eine wachsende Zahl der anderen,  erweisen sich die Hoffnungen als Trugschluss. Vor diesem Hintergrund richtet das UN-Kinderhilfswerk Unicef einen Appell an das Weltgewissen, die heranwachsende Generation zu schützen. Im Vorfeld der Gipfeltreffen zur Flucht- und Migrationsbewegungen am 19. Und 20. September in New York veröffentlichte die Organisation den ersten umfassenden Bericht über das globale Ausmaß dieser Entwicklung. Danach wachsen weltweit fast 50 Millionen Kinder als Folge von Migration oder Flucht in der Fremde auf, 17 Millionen von ihnen wurden im eigenen Land durch Krieg und andere Gefahren vertrieben, elf Millionen suchten im Ausland Zuflucht. Mehr als 20 Millionen verließen ihre Heimat wegen extremer Armut. Als Folge der globalen Konflikte stieg die Zahl der Flüchtlinge unter 18 Jahren seit 2011 um 75 Prozent. Unicef unterscheidet klar zwischen Flüchtlingen (die aufgrund einer begründeten Angst vor Verfolgung ihr Heimatland verlassen) und Migranten (die in ein anderes Land auswandern, um dort zu leben und zu arbeiten).
Eines von 200 Kindern weltweit ist heute ein Flüchtling. 45 Prozent kamen 2015 aus Syrien und Afghanistan, die überwiegende Mehrheit der Kinder und ihrer Familien sucht in ihrer Heimatregion Schutz. Laut Schätzungen von Unicef dürfte die Türkei die größte Flüchtlingsbevölkerung der Region beherbergen. In Saudi-Arabien leben nach den USA weltweit die meisten Migranten-Kinder, meist unter katastrophalen Verhältnissen.
Besonders beunruhigend ist die wachsende Zahl von unbegleiteten Flüchtlingskindern. Die Gründe für diese Entwicklung bleiben meist unklar, Experten vermuten, dass es häufig die totale Hoffnungslosigkeit der Familien in Afrika oder in mittelöstlichen Flüchtlingslagern ist, die Eltern dazu bewegen, als einzige Zukunftschance, ihre Kinder in das gefährliche Abenteuer der Flucht nach Europa zu schicken. Eindringlich appelliert Unicef an die Regierungen, sich dieser Kinder, die enormen Gefahren von Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt sind, anzunehmen, denn sie fallen leicht durch die Raster sozialer Netzwerke. Aufnahmestaaten müssten ihnen dieselben Sicherheiten und Rechte auf Bildung und Gesundheitsversorgung sichern, wie ihren eigenen. Kinder dürften nicht länger etwa bei Grenzkontrollen von ihren Eltern getrennt oder, wenn ohne Papiere, zur Feststellung ihrer Identität in Haft genommen werden. Regierungen müssten entschlossener gegen Menschenhandel vorgehen, dem insbesondere alleinstehende Kinder ausgesetzt sind. Im Vorjahr trafen etwa 270.000 unbegleitete Kinder in Griechenland und Italien ein. Diese Zahl stieg 2016 stark an.  Und viele verschwanden, laut Bundeskriminalamt allein in Deutschland seit Jahresbeginn rund 9000 dieser Kinder. Ihr Schicksal ist unbekannt, zahlreiche dürften wohl Kriminellen zum Opfer gefallen sein.
„Die Stimmen der Kinder, ihre Pein und ihre Probleme müssen zum zentralen Anliegen internationaler Diskussionen über Migration und Vertreibung erhoben werden“, mahnt Unicef-Direktor Anthony Lake, denn „indem wir diese Kinder schützen, bewahren wir unsere grundlegendsten Werte und erfüllen unsere höchste Pflicht: die nächste Generation heranzubilden und damit die Zukunft der Welt zu gestalten.“

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