Die katastrophalen Folgen einer irregeleiteten internationalen Politik und wachsender Ohnmacht
von Birgit Cerha
Als syrische Kinder in den vergangenen Tagen im Ostteil Aleppos
mit Hilfe brennender Autoreifen eine Art „Flugverbotszone“ schufen, um
syrische und russische Bomber von den tödlichen Angriffen auf die
Zivilbevölkerung abzuhalten, illustrierten sie der zivilisierten Welt
mit beschämender Deutlichkeit nicht nur die Verzweiflung von rund
300.000 hilflos eingeschlossenen und dem Tyrannen Assad ausgesetzten
Menschen, sondern auch das katastrophale Versagen der internationalen
Gemeinschaft. Nicht amerikanische, europäische, deutsche Führer, nicht
die UNO, nicht humanitäre Organisationen konnten Syriens Diktator und
seine russische Schutzmacht von der mittelalterlichen Methode des
allmählichen Aushungerns der Zivilbevölkerung, bei gleichzeitig
gnadenlosen Bombardierungen der zivilen Infrastruktur - dem vielleicht
größte Kriegsverbrechen in diesem an Barbarei kaum zu übertreffenden
fünfjährigen Krieg - abbringen. Die Gefahr des Massenmordes und
unsagbarer Pein ist auch nach dem militärischen Erfolg der Rebellen vom
Wochenende nicht gebannt.
Eine Kette westlicher Fehlentscheidungen, durch Mut- und
Ratlosigkeit motiviertes Schweigen haben Syrien schier ausweglos an den
Rand des Abgrunds getrieben, mit all den dramatischen Folgen
menschlichen Elends und einer unkontrollierbaren, das reiche Europa
zunehmend beängstigenden Fluchtwelle. Die Fehleinschätzung begann, als
die USA und ihre europäischen Verbündeten die Stärke und Geschlossenheit
der Gegner Assads zu Beginn der Rebellion 2011 vollends über- und die
Entschlossenheit des Irans und später auch Russlands, Assad die Macht zu
retten unterschätzten.
Zugleich erkannte der Westen lange nicht, dass seine Verbündeten
Saudi-Arabien, die Golfstaaten, aber auch die Türkei gerade jene
radikal-islamistische Opposition massiv unterstützten, deren Stärkung er
verhindern wollte und deren radikalste Kräfte (der „Islamische Staat“)
ihm nun durch den Export ihres Terrors immer gefährlicher wird.
Westliche, insbesondere amerikanische Syrienstrategie wurde zunehmend
widersprüchlich, nachdem US-Präsident Obama zwar lange das Ausscheiden
Assads forderte, doch nicht aktiv betreiben wollte und insbesondere nach
der Intervention Russlands im Herbst 2015 extreme Zurückhaltung zeigte,
da er unter allen Umständen einen Stellvertreterkrieg in Syrien
vermeiden wollte. Die Sorge, Russland zu verärgern, da man den Kreml
dringend für eine politische Lösung braucht, prägt auch das Verhalten
der Berliner Führung. So ringt sich Außenministrer Steinmeier zwar zu
einem Appell an Präsident Putin durch, doch das langsame Aushungern zu
verhindern, scheut aber vor der leisesten Kritik an den russischen
Bombardierungen ziviler Ziele und insbesondere von Krankenhäusern
zurück. Geschlossenheit und Tatkraft des Westens gegenüber den
Kriegsverbrechern auf beiden Seiten und deren Unterstützer (Russland,
Iran auf Assads, Saudi-Arabien und Türkei auf Seite der Rebellen) ist
dringend gefordert, um dem erbarmungslosen Gemetzel auf allen Seiten
endlich ein Ende zu setzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen