Montag, 8. August 2016

Wer trägt Schuld an Syriens Alptraum?

Die katastrophalen Folgen einer irregeleiteten internationalen Politik und wachsender Ohnmacht
 
von Birgit Cerha
 
Als syrische Kinder in den vergangenen Tagen im  Ostteil Aleppos mit Hilfe brennender Autoreifen eine Art „Flugverbotszone“ schufen, um syrische und russische Bomber von den tödlichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung abzuhalten, illustrierten sie der zivilisierten Welt mit beschämender Deutlichkeit nicht nur die Verzweiflung von rund 300.000 hilflos eingeschlossenen und dem Tyrannen Assad ausgesetzten Menschen, sondern auch das katastrophale Versagen der internationalen Gemeinschaft. Nicht amerikanische, europäische, deutsche Führer, nicht die UNO, nicht humanitäre Organisationen konnten Syriens Diktator und seine russische Schutzmacht von der mittelalterlichen Methode des allmählichen Aushungerns der Zivilbevölkerung, bei gleichzeitig gnadenlosen Bombardierungen der zivilen Infrastruktur -  dem vielleicht größte Kriegsverbrechen in diesem an Barbarei kaum zu übertreffenden fünfjährigen Krieg - abbringen. Die Gefahr des Massenmordes und unsagbarer Pein ist auch nach dem militärischen Erfolg der Rebellen vom Wochenende nicht gebannt.
Eine Kette westlicher Fehlentscheidungen, durch Mut- und Ratlosigkeit motiviertes Schweigen haben Syrien schier ausweglos an den Rand des Abgrunds getrieben, mit all den dramatischen Folgen menschlichen Elends und einer unkontrollierbaren, das reiche Europa zunehmend beängstigenden Fluchtwelle. Die Fehleinschätzung begann, als die USA und ihre europäischen Verbündeten die Stärke und Geschlossenheit der Gegner Assads zu Beginn der Rebellion 2011 vollends über- und die Entschlossenheit des Irans und später auch Russlands, Assad die Macht zu retten unterschätzten.
Zugleich erkannte der Westen lange nicht, dass seine Verbündeten Saudi-Arabien, die Golfstaaten, aber auch die Türkei gerade jene radikal-islamistische Opposition massiv unterstützten, deren Stärkung er verhindern wollte und deren radikalste Kräfte (der „Islamische Staat“) ihm nun durch den Export ihres Terrors immer gefährlicher wird. Westliche, insbesondere amerikanische Syrienstrategie wurde zunehmend widersprüchlich, nachdem US-Präsident Obama zwar lange das Ausscheiden Assads forderte, doch nicht aktiv betreiben wollte und insbesondere nach der Intervention Russlands im Herbst 2015 extreme Zurückhaltung zeigte, da er unter allen Umständen einen Stellvertreterkrieg in Syrien vermeiden wollte. Die Sorge, Russland zu verärgern, da man den Kreml dringend für eine politische Lösung braucht, prägt auch das Verhalten der Berliner Führung. So ringt sich Außenministrer Steinmeier zwar zu einem Appell an Präsident Putin durch, doch das langsame Aushungern zu verhindern, scheut aber vor der leisesten Kritik an den russischen Bombardierungen ziviler Ziele und insbesondere von Krankenhäusern zurück. Geschlossenheit und Tatkraft des Westens gegenüber den Kriegsverbrechern auf beiden Seiten und deren Unterstützer (Russland, Iran auf Assads, Saudi-Arabien und Türkei auf Seite der Rebellen) ist dringend gefordert, um dem erbarmungslosen Gemetzel auf allen Seiten endlich ein Ende zu setzen.

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