Russland, Iran und die Türkei suchen Gemeinsamkeiten zur Lösung eigener und regionaler Probleme – Ohne westliche Einmischung
von Birgit Cerha
Russische
Kommentatoren sehen bereits erste Ansätze einer regionalen
Neuorientierung von West nach Ost. Liegt die Zukunft des Mittleren
Ostens in einem Dreierbund, den Russland, der Iran und die Türkei
erstreben? So manche Ansätze dafür lassen sich tatsächlich bereits
erkennen.
Jüngste
dramatische Ereignisse insbesondere in Syrien machten lange undenkbar
erscheinende diplomatische Initiativen möglich. So verspricht Irans
Außenminister Zarif die Organisation eines Treffens zwischen den Führern
der drei Staaten zur Lösung des Syrienproblems. Eine Serie von
Begegnungen zwischen Vertretern Russlands, des Irans, sowie auch
Aserbaidschans folgte der offiziellen Erklärung des türkischen
Präsidenten Erdogan, er sei „mehr denn je“ bereit, gemeinsam mit
Teheran und Moskau Frieden in der Region zu suchen. Ein Gipfeltreffen
Erdogans mit Russlands Präsidenten Putin in St. Petersburg bekräftigte
diese Absicht der beiden Staaten, nachdem sie den Konflikt über den
Abschuss eines russischen Helikopters an der syrischen Grenze durch die
Türkei entschärft hatten. „Die Zukunft der gesamten Region liegt im
Dreierbund Russland-Iran-Türkei“, frohlockt der russische Analyst
Aleksey Martynov. „Das Dreieck ist eine der stabilsten Figuren der
Geometrie, in der es keinen Platz für andere Akteure der Weltpolitik
gibt, auch nicht für die USA.“
Doch die
Geschichte gegenseitiger Kriege, Rivalitäten und Okkupationen lastet
schwer auf den Beziehungen der drei Staaten, die zudem politische,
weltanschauliche, religiöse Traditionen und Interessen trennen. Die
sunnitische Türkei ist
in enger Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien der wichtigste Unterstützer
der Rebellen gegen Syriens Diktator Assad, den Russland und der
schiitische Iran mit großem Einsatz die Macht zu retten suchen. Im
erbitterten regionalpolitischen Rivalitätskampf zwischen Riad und
Teheran stehen Iran und die Türkei auf entgegensetzen Seiten, während
Russland Islamisten zutiefst misstraut und damit auch Erdogan.
Und
dennoch erscheint eine geostrategische Koordination keineswegs Illusion.
Deutliches Signal für eine Neuordnung setzte der Iran, als er seinen
Luftwaffenstützpunkt in Hamadan russischen Langstreckenbombern zur
Verfügung stellte, und damit deren Anflugstrecke für Attacken auf
syrische Ziele um 60 Prozent reduzierte. Zugleich öffneten der Iran und
sein irakischer Verbündeter ihre Lufträume für russische
Marschflugkörper, die von Schiffen im Kaspischen Meer auf Syrien zielen
sollen – erste Beweise einer zwischenstaatlichen Koordination auf
höchster Ebene. Erstmals seit 70 Jahren gestattet der Iran eine
ausländische Militärpräsenz auf seinem Boden und rührt damit an einem
der Grundprinzipien der „Islamischen Revolution“, der strikten
Blockfreiheit.
Ungeachtet
gravierender Differenzen sind der Iran, Russland und die Türkei mit
gemeinsamen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen vorrangig
gestörte Beziehungen zum Westen und die Gefahr der Isolation, wie sie
der Iran erlebte und derzeit auch Russland durch internationale
Sanktionen durchleidet. Seit der Teilaufhebung der Sanktionen gegen den
Iran konzentriert sich Präsident Rouhani darauf, durch massive Infrastrukturprojekt den Iran zu einem unverzichtbaren Transitstaat für den weltweiten
Warentransport aufzubauen und damit zu schützen, während die Türkei auf
die Kooperation Russlands zum Bau der „Turkish Stream“ Gaspipeline
hofft. Moskau wiederum hegt größtes Interesse an „freundlichen Exportrouten“.
In Syrien
eint die drei Staaten zwar nicht das Schicksal Assads, doch die
unverrückbare Entschlossenheit, die Einheit des Landes zu erhalten. Die
dank US-Unterstützung gro0en militärischen Erfolge der syrischen Kurden
und der starke Einsatz ihrer irakischen Brüder im Kampf gegen die
Terrormiliz des „Islamischen Staates“ schüren nicht nur in Ankara, sondern auch in Teheran die Angst vor verstärktem Unabhängigkeitsstreben der Kurden. Moskau teilt diese Sorge zwar kaum, dürfte aber durchaus
bereit sein, zugunsten geostrategischer Vorteile die Kurden fallen zu
lassen. All diese Kalkulationen schließen ein Engagement des Westens in
der Region aus – eine Entwicklung die hier für Irritationen sorgt.
Vielleicht, so meint ein Analyst der Region, könnten die jüngsten
Initativen aber die Bereitschaft zur Suche aller nach einer friedlichen
Lösung im Interesse von Ost und West und insbesondere der unschuldigen
Opfer endlich fördern.
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