Montag, 8. August 2016

Neue strategische Partnerschaft in Nahost?

Russland, Iran und die Türkei suchen Gemeinsamkeiten zur Lösung eigener und regionaler Probleme – Ohne westliche Einmischung
 
von Birgit Cerha
 
Russische Kommentatoren sehen bereits erste Ansätze einer regionalen Neuorientierung von West nach Ost. Liegt die Zukunft des Mittleren Ostens in einem Dreierbund, den Russland, der Iran und die Türkei erstreben? So manche Ansätze dafür lassen sich tatsächlich bereits erkennen.
Jüngste dramatische Ereignisse insbesondere in Syrien machten lange undenkbar erscheinende diplomatische Initiativen möglich. So verspricht Irans Außenminister Zarif die Organisation eines Treffens zwischen den Führern der drei Staaten zur Lösung des Syrienproblems. Eine Serie von Begegnungen zwischen Vertretern Russlands, des Irans, sowie auch Aserbaidschans folgte der offiziellen Erklärung des türkischen Präsidenten Erdogan, er sei „mehr denn je“  bereit, gemeinsam  mit Teheran und Moskau Frieden in der Region zu suchen. Ein Gipfeltreffen Erdogans mit Russlands Präsidenten Putin in St. Petersburg bekräftigte diese Absicht der beiden Staaten, nachdem sie den Konflikt über den Abschuss eines russischen Helikopters an der syrischen Grenze durch die Türkei entschärft hatten. „Die Zukunft der gesamten Region liegt im Dreierbund Russland-Iran-Türkei“, frohlockt der russische Analyst Aleksey Martynov. „Das Dreieck ist eine der stabilsten Figuren der Geometrie, in der es keinen Platz für andere Akteure der Weltpolitik gibt, auch nicht für die USA.“
Doch die Geschichte gegenseitiger Kriege, Rivalitäten und Okkupationen lastet schwer auf den Beziehungen der drei Staaten, die zudem politische, weltanschauliche, religiöse Traditionen und Interessen trennen. Die sunnitische Türkei  ist in enger Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien der wichtigste Unterstützer der Rebellen gegen Syriens Diktator Assad, den Russland und der schiitische Iran mit großem Einsatz die Macht zu retten suchen. Im erbitterten regionalpolitischen Rivalitätskampf zwischen Riad und Teheran stehen Iran und die Türkei auf entgegensetzen Seiten, während Russland Islamisten zutiefst misstraut und damit auch Erdogan.
Und dennoch erscheint eine geostrategische Koordination keineswegs Illusion. Deutliches Signal für eine Neuordnung setzte der Iran, als er  seinen Luftwaffenstützpunkt in Hamadan russischen Langstreckenbombern zur Verfügung stellte, und damit deren Anflugstrecke für Attacken auf syrische Ziele um 60 Prozent reduzierte. Zugleich öffneten der Iran und sein irakischer Verbündeter ihre Lufträume für russische Marschflugkörper, die von Schiffen im Kaspischen Meer auf Syrien zielen sollen – erste Beweise einer zwischenstaatlichen Koordination auf höchster Ebene. Erstmals seit 70 Jahren gestattet der Iran eine ausländische Militärpräsenz auf seinem Boden und rührt damit an einem der Grundprinzipien der „Islamischen Revolution“, der strikten Blockfreiheit.
Ungeachtet gravierender Differenzen sind der Iran, Russland und die Türkei mit gemeinsamen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen vorrangig gestörte Beziehungen zum Westen und die Gefahr der Isolation, wie sie der Iran erlebte und derzeit auch Russland durch internationale Sanktionen durchleidet. Seit der Teilaufhebung der Sanktionen gegen den Iran konzentriert sich Präsident Rouhani  darauf, durch massive Infrastrukturprojekt den Iran zu einem unverzichtbaren Transitstaat für den  weltweiten Warentransport aufzubauen und damit zu schützen, während die Türkei auf die Kooperation Russlands zum Bau der „Turkish Stream“ Gaspipeline hofft. Moskau  wiederum hegt größtes Interesse an „freundlichen Exportrouten“.
In Syrien eint die drei Staaten zwar nicht das Schicksal Assads, doch die unverrückbare Entschlossenheit, die Einheit des Landes zu erhalten. Die dank US-Unterstützung gro0en militärischen Erfolge der syrischen Kurden und der starke Einsatz ihrer irakischen Brüder im Kampf gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“  schüren nicht nur in Ankara, sondern auch in Teheran die Angst vor verstärktem Unabhängigkeitsstreben der  Kurden. Moskau teilt diese Sorge zwar kaum, dürfte aber  durchaus bereit sein, zugunsten geostrategischer Vorteile die Kurden fallen zu lassen. All diese Kalkulationen schließen ein Engagement des Westens in der Region aus – eine Entwicklung die hier für Irritationen sorgt. Vielleicht, so meint ein Analyst der Region, könnten die jüngsten Initativen aber die Bereitschaft zur Suche aller nach einer friedlichen Lösung im Interesse von Ost und West und insbesondere der unschuldigen Opfer endlich fördern.

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