Freitag, 26. August 2016

UNO bestätigt Einsatz von chemischen Waffen in Syrien

Klare Beweise gegen das Assad-Regime und die IS-Terror-Miliz
 
von Birgit Cerha
 
Während die Türkei ihre Mittwoch begonnene Bodenoffensive in der Türkei verstärkt, veröffentlichte eine UN-Untersuchungskommission Donnerstag einen Bericht, der erstmals in dem fünfjährigen Krieg keine Zweifel mehr offenlässt, dass das syrische Regime und die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS) in den vergangenen zwei Jahren in Syrien Chemiewaffen eingesetzt hatte. Nachdem die von der Türkei unterstützten syrischen Rebellen binnen weniger Stunden in die syrische Grenzstadt Jabalus einmarschiert waren, verstärkte die türkische Armee Donnerstag, den zweiten Tag der Offensive, ihr Panzerkontingent ins Nachbarland auf 20 – und dies, obwohl der deklarierte Hauptgegner IS seine Kämpfer aus der Stadt und deren Umgebung Richtung Süden abzogen hatte, um eine direkte Konfrontation mit der Türkei zu vermeiden. Die von Ankara erwünschte Errichtung einer Pufferzone entlang der Grenze ist damit zumindest im Westen schon fast gelungen. Doch der verstärkte Panzereinsatz gilt den Kurden, die Ankara über den Euphrat nach Westen zurückdrängen und so lange die Militärpräsenz im syrischen Grenzgebiet aufrechterhalten will, bis dies erreicht ist. Auch von den USA diplomatisch unter Druck gesetzt, begannen die kurdischen Kämpfer Donnerstag tatsächlich ihren Rückzug.
Unterdessen präsentierte der vor einem Jahr von der UNO eingesetzte „Joint Investigative Machanism“ (JIM) das 95 Seiten umfassendes Ergebnis seiner Untersuchungen von neun mutmaßlichen Angriffen mit chemischen Waffen. Danach fand JIM „ausreichende Beweise“, dass ein Helikopter der syrischen Luftwaffe am 21. April 2014 Giftgas, vermutlich Chlor, über einem Gebäude in der Ortschaft Talmenes, in der westsyrischen Provinz Idlib, verströmte. 200 Zivilisten erlitten Vergiftungen und drei starben. Sechs Bewohner eines Hauses in Sarmin, ebenfalls in Idlib, starben durch eine mit Chlor gefüllte Fassbombe, eine Waffe, die nur die syrische Armee besitzt. Am 21. August 2015 attackierten IS-Terroristen Positionen der syrischen Opposition in Marea bei Aleppo mit Patronen, die mit Senfgas gefüllt waren. In den sechs anderen Fällen konnte JIM wegen heftiger Kämpfe in den betreffenden Regionen die Untersuchungen nicht beenden, verfügt jedoch über deutliche Hinweise, dass dort ebenfalls das Regime Giftgas eingesetzt hatte.
Nun obliegt es dem Weltsicherheitsrat, Sanktionen gegen die Schuldigen zu verhängen. Die neun von JIM untersuchten Fälle sind nur ein Bruchteil der mutmaßlichen Attacken  mit chemischen Waffen in diesem barbarischen Krieg. Nach Schätzungen von JIM, dass Syriens Bevölkerung zwischen Dezember 2015 und August 2016 in  mindestens 130 Attacken mit Senfgas, Sarin, dem Nervengas VX und Chlor terrorisiert und getötet wurde, überwiegend vom Assad-Regime. Zuvor waren laut „Syrian American Medical Society“ zwischen Dezember 2012 und 2015 fast 1.500 Zivilisten durch chemische Attacken ums Leben gekommen.
US-Präsident Obama hatte dem Assad-Regime zu Beginn des Bürgerkrieges mit militärischer Intervention gedroht, sollte er chemische Waffen gegen die Zivilbevölkerung einsetzen. Der Diktator durchstieß diese „rote Linie“ im August 2013 durch einen Angriff mit Sarin-Gas auf den Damszener Vorort Ghouta bei dem rund tausend Menschen starben (die genaue Zahl steht nicht fest). Assad leugnete stets die Verantwortung dafür bzw. überhaupt chemische Waffen einzusetzen. Um einen US-Militärschlag auf seinen Verbündeten zu verhindern, überredete Russland Assad, sein gesamtes Chemiewaffen-Arsenal zu zerstören. Rund 1200 Tonnen dieser Massenvernichtungsmittel wurden ab Juni 2014 unter Aufsicht der in Den Haag ansässigen Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPWC) übergeben und zerstört – laut OPWC 99,6 Prozent des von Damaskus gemeldeten Arsenals. Doch der wiederholte Einsatz von Giftgas durch das Regime bestärkt westliche Skeptiker, dass Assad sich geheime Lager erhalten hat.
Mindestens ebenso alarmierend ist der Einsatz von chemischen Waffen durch den IS. Die kurdischen Peschmerga im Irak waren im Jänner 2015 Opfer dieses Verbrechens und der US-Geheimdienst CIA wart, dass die Terrormiliz bereits mehrfach solche Waffen eingesetzt habe. Nach US-Erkenntnissen ist der IS auch in der Lage, kleine Mengen an Chlor- und Senfgas herzustellen. US-Spezialkräfte konnten im Februar im Irak Suleiman Dawud al-Bakkar, alias Abu Dawud, einen hochrangigen IS-Funkrionär fassen, der schon unter Diktato9r Saddam Hussein in Rüstungsfirmen gearbeitet hatte und eine Schlüsselfigur in diesem Sektor ist. US-Vertreter bekräftigten unterdessen ihre Entschlossen, im Kampf gegen den IS der Ausschaltung des chemischen Waffenpotentials höchste Priorität zu geben.