Klare Beweise gegen das Assad-Regime und die IS-Terror-Miliz
von Birgit Cerha
Während die
Türkei ihre Mittwoch begonnene Bodenoffensive in der Türkei verstärkt,
veröffentlichte eine UN-Untersuchungskommission Donnerstag einen
Bericht, der erstmals in dem fünfjährigen Krieg keine Zweifel mehr
offenlässt, dass das syrische Regime und die Terrormiliz des
„Islamischen Staates“ (IS) in den vergangenen zwei Jahren in Syrien
Chemiewaffen eingesetzt hatte. Nachdem die von der Türkei unterstützten
syrischen Rebellen binnen weniger Stunden in die syrische Grenzstadt
Jabalus einmarschiert waren, verstärkte die türkische Armee Donnerstag,
den zweiten Tag der Offensive, ihr Panzerkontingent ins Nachbarland auf
20 – und dies, obwohl der deklarierte Hauptgegner IS seine Kämpfer aus
der Stadt und deren Umgebung Richtung Süden abzogen hatte, um eine
direkte Konfrontation mit der Türkei zu vermeiden. Die von Ankara
erwünschte Errichtung einer Pufferzone entlang der Grenze ist damit
zumindest im Westen schon fast gelungen. Doch der verstärkte
Panzereinsatz gilt den Kurden, die Ankara über den Euphrat nach Westen
zurückdrängen und so lange die Militärpräsenz im syrischen Grenzgebiet
aufrechterhalten will, bis dies erreicht ist. Auch von den USA
diplomatisch unter Druck gesetzt, begannen die kurdischen Kämpfer
Donnerstag tatsächlich ihren Rückzug.
Unterdessen
präsentierte der vor einem Jahr von der UNO eingesetzte „Joint
Investigative Machanism“ (JIM) das 95 Seiten umfassendes Ergebnis seiner
Untersuchungen von neun mutmaßlichen Angriffen mit chemischen Waffen.
Danach fand JIM „ausreichende Beweise“, dass ein Helikopter der
syrischen Luftwaffe am 21. April 2014 Giftgas, vermutlich Chlor, über
einem Gebäude in der Ortschaft Talmenes, in der westsyrischen Provinz
Idlib, verströmte. 200 Zivilisten erlitten Vergiftungen und drei
starben. Sechs Bewohner eines Hauses in Sarmin, ebenfalls in Idlib,
starben durch eine mit Chlor gefüllte Fassbombe, eine Waffe, die nur die
syrische Armee besitzt. Am 21. August 2015 attackierten IS-Terroristen
Positionen der syrischen Opposition in Marea bei Aleppo mit Patronen,
die mit Senfgas gefüllt waren. In den sechs anderen Fällen konnte JIM
wegen heftiger Kämpfe in den betreffenden Regionen die Untersuchungen
nicht beenden, verfügt jedoch über deutliche Hinweise, dass dort
ebenfalls das Regime Giftgas eingesetzt hatte.
Nun obliegt es
dem Weltsicherheitsrat, Sanktionen gegen die Schuldigen zu verhängen.
Die neun von JIM untersuchten Fälle sind nur ein Bruchteil der
mutmaßlichen Attacken mit
chemischen Waffen in diesem barbarischen Krieg. Nach Schätzungen von
JIM, dass Syriens Bevölkerung zwischen Dezember 2015 und August 2016 in mindestens
130 Attacken mit Senfgas, Sarin, dem Nervengas VX und Chlor
terrorisiert und getötet wurde, überwiegend vom Assad-Regime. Zuvor
waren laut „Syrian American Medical Society“ zwischen Dezember 2012 und
2015 fast 1.500 Zivilisten durch chemische Attacken ums Leben gekommen.
US-Präsident
Obama hatte dem Assad-Regime zu Beginn des Bürgerkrieges mit
militärischer Intervention gedroht, sollte er chemische Waffen gegen die
Zivilbevölkerung einsetzen. Der Diktator durchstieß diese „rote Linie“
im August 2013 durch einen Angriff mit Sarin-Gas auf den Damszener
Vorort Ghouta bei dem rund tausend Menschen starben (die genaue Zahl
steht nicht fest). Assad leugnete stets die Verantwortung dafür bzw.
überhaupt chemische Waffen einzusetzen. Um einen US-Militärschlag auf
seinen Verbündeten zu verhindern, überredete Russland Assad, sein
gesamtes Chemiewaffen-Arsenal zu zerstören. Rund 1200 Tonnen dieser
Massenvernichtungsmittel wurden ab Juni 2014 unter Aufsicht der in Den
Haag ansässigen Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPWC)
übergeben und zerstört – laut OPWC 99,6 Prozent des von Damaskus
gemeldeten Arsenals. Doch der wiederholte Einsatz von Giftgas durch das
Regime bestärkt westliche Skeptiker, dass Assad sich geheime Lager
erhalten hat.
Mindestens
ebenso alarmierend ist der Einsatz von chemischen Waffen durch den IS.
Die kurdischen Peschmerga im Irak waren im Jänner 2015 Opfer dieses
Verbrechens und der US-Geheimdienst CIA wart, dass die Terrormiliz
bereits mehrfach solche Waffen eingesetzt habe. Nach US-Erkenntnissen
ist der IS auch in der Lage, kleine Mengen an Chlor- und Senfgas
herzustellen. US-Spezialkräfte konnten im Februar im Irak Suleiman Dawud
al-Bakkar, alias Abu Dawud, einen hochrangigen IS-Funkrionär fassen,
der schon unter Diktato9r Saddam Hussein in Rüstungsfirmen gearbeitet
hatte und eine Schlüsselfigur in diesem Sektor ist. US-Vertreter
bekräftigten unterdessen ihre Entschlossen, im Kampf gegen den IS der
Ausschaltung des chemischen Waffenpotentials höchste Priorität zu geben.