Von
unvorstellbaren Gräueltaten gezeichnet fordert die kleine kurdische
Religionsgemeinschaft Gerechtigkeit und Frieden, während der Genozid
immer noch anhält
von Birgit Cerha
Im August
2014 erreichte der Terror der radikalen Miliz des „Islamischen Staates“
(IS) im Irak eine neue Dimension. Der größte Teil der Weltgemeinschaft
zweifelt unterdessen nicht mehr daran, dass es Genozid war, als
fanatisierte IS- Islamisten Tausende Männer und ältere Frauen der alten
kurdischen Religionsgemeinschaft der Yeziden im nord-irakischen
Sindschar massakrierten, die Kinder von den Müttern trennten und 5.000
jüngere Frauen und Mädchen in sexuelle Sklaverei zwangen. Etwa 1.800 von
ihnen konnten seither flüchten oder wurden für Tausende Dollar von
ihren Familien oder wohlwollenden Bürgern freigekauft. Doch etwa 3.200
Frauen und Mädchen bleiben bis heute in der Gewalt barbarischer Jihadis,
die sie in den immer noch von ihnen kontrollierten Gebieten
Süd-Sindschars, in Mosul oder auch in syrischen Regionen gefangen
halten.
„Es handelt sich um Massenversklavung in industriellem Maßstab“, erläutert der Rechtsexperte für Kriegsverbrechen, Bill Wiley, und er weist darauf hin, dass Sex-Sklaverei für
ihn und seine Kollegen ein neuartiges Verbrechen sei. Die immer noch
gefangenen Frauen hätten seit 2014 Hunderte von Vergewaltigungen
erlitten und ihre Pein habe kein Ende. Angehörige der Opfer klagen, dass
die von den USA geführte internationale Allianz seit der Vertreibung
des IS von Sindschar-Stadt im November 2015 nichts mehr unternähme, um
die noch festgehaltenen Yeziden zu befreien. Während das
Herrschaftsgebiet des IS im Irak und in Syrien radikal schrumpft,
verstärken die Terroristen ihren Druck auf die Gefangenen. Um die
Yezidinnen von Fluchtversuchen abzuschrecken, verbrannten sie im Juni zahlreiche Frauen in Käfigen. Nach Informationen aus der Region werden die Sklavinnen nun viel
strenger bewacht als zuvor. Nur noch ein paar Dutzend von ihnen gelang
in den vergangenen Monaten die Flucht, während Männer, die versuchen,
die Opfer aus ihren Gefängnissen herauszuschmuggeln, schwerstens
bestraft werden. Immer noch werden mehr als tausend Kinder in
IS-Trainingslagern intensiver Gehirnwäsche unterzogen, um eine kommende
Generation von Terroristen heranzuziehen.
Rund
500.000 Yeziden haben ihre Heime verloren. Die meisten von ihnen leben
unter katastrophalen hygienischen Bedingungen in Flüchtlingslagern im
autonomen kurdischen Nord-Irak. Sie fühlen sich von der Welt vergessen.
Hoffnungslosigkeit breitet sich aus. Ganz wenige kehrten in das befreite
Sindschar zurück, denn die Stadt liegt in Trümmern, es gibt weder
Wasser noch Strom und keine Hilfe für den Wiederaufbau. Viele
der einstigen Bewohner hält auch die Angst fern, denn die Front zum IS
der immer noch 30 Prozent des yezidischen Landes beherrscht, liegt nahe,
immer wieder schlagen Raketen in Sindschar ein - und was, wenn die
Terroristen zurückkehren? Die Entschlossenheit des IS, diese Angehörigen
der im islamischen Recht nicht anerkannten Religion vollends zu
vernichten, ist ausreichend dokumentiert. Das beweisen auch die
Massengräber, von denen bisher 35 entdeckt wurden und Dutzende mehr in
dem vom IS kontrollierten Gebiet vermutet werden.
Viele
Yeziden fürchten, sie hätten als Gemeinschaft ihre Zukunft verloren. Um
ihre Würde wieder zu erlangen und ihr Überleben als Gemeinschaft zu
sichern, kämpfen sie nun für Gerechtigkeit, die internationale
Anerkennung dieses Genozids – eine UN-Untersuchungskommision und das
US-Repräsentantenhaus haben dies u.a. bereits anerkannt – und ein
Verfahren gegen die Hauptverantwortlichen vor internationalen
Institutionen. Es ist ein langer juristischer Weg mit vielen Hürden.
Diese zu überwinden, bedarf es intensiver Unterstützung der
internationalen Gemeinschaft, die dem Massensterben tatenlos zusah.
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