Wie der Sieg Erdogans gegen die Putschisten und die ihm folgende Hexenjagd Strategien und die Stabilität in der Region verändern könnten
Von Birgit Cerha
Der gescheiterte Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten Erdogan versetzte den ohnedies so turbulenten Mittleren Osten in Schock, weckte aber auch neue Hoffnung. Auch wenn Erdogan seine Macht retten konnte, rechnen Analysten der Region mit vielleicht einschneidenden außenpolitischen Veränderungen, insbesondere eine Kehrtwende der türkischen Syrienstrategie.
Die Reaktionen auf den Putschversuch zeigen eine erstaunliche Popularität dieses machthungrigen islamistischen Türke unter der Bevölkerung der arabischen Welt, wo Erdogans Sieg über die Umstürzler, ungeachtet der darauf folgenden drastischen Säuberungen weithin als „Sieg der Demokratie“ gefeiert wurde, nach der sich so viele Araber sehnen. Viele ziehen eine Parallele zu Ägypten, wo der Offizier al-Sisi 2013 den in freien Wahlen an die Macht gekommenen Moslembruder Mursi entmachtete und eine brutale Militärdiktatur errichtete. Insbesondere unter Mursi-Sympathisanten genießt Erdogan enorme Sympathie, nicht nur, weil er verfolgten Islamisten aus Ägypten, aber auch Libyen, dem Irak u.a. Zuflucht gewährt. Sein Widerstand gegen die türkischen Offiziere ist für viele der bisher einzige Beweis, dass sich ein Islamist in der Region an der Macht zu halten vermag. Unter den zahlreichen ägyptischen Moslembrüdern, die in der Türkei Asyl fanden, wächst die Hoffnung, dass auch sie eines Tages die ihnen vom Militär geraubte Macht zurückerobern können.
Demgegenüber reagieren die arabischen Herrscher weitgehend zurückhaltend auf die Krise in der Türkei. Nur Saudi-Arabien und Katar zeigen offen ihre Erleichterung über das Scheitern des Putschversuches, sind sie doch für ihre Unterstützung islamistischer Kämpfer gegen Syriens Präsidenten Assad (lange auch des IS) auf die Kooperation der Türkei angewiesen.
Wird Erdogan nun seine Strategie gegen Syrien ändern? Manche Anzeichen lassen dies möglich erscheinen. Der gescheiterte Putsch könnte die Grundlage für eine Annäherung an Russland und den Iran schaffen. Beide Regionalmächte sind für die ökonomisch durch die jüngste Serie blutiger Terrorattacken und der zunehmenden Spannungen mit dem Westen angeschlagenen Türkei von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Sowohl Russland als auch der Iran, Assads wichtigste Verbündete, hegen größtes Interesse an einer Kooperation Erdogans zur Beendigung dieses katastrophalen Krieges. Während Erdogan eine Annäherung mit dem Kreml schon vor einigen Wochen einleitete und Präsident Putin als ersten ausländischen Staatschef seit dem Putschversuch im August treffen wird, hatte Irans Führung im Gegensatz zu allen westlichen Regierungen den Ausgang des Putschversuchs gar nicht erst abgewartet, um dem türkischen Volk zur „Verteidigung der Demokratie und der gewählten Regierung“ zu gratulieren. Teherans Haltung entspringt einer tiefen Sorge vor einer weiteren Destabilisierung der Region.
Als Hinweis auf eine Änderung der Syrienstrategie hatte Erdogan, der bisher auf dem Sturz Assads beharrte, erstmals die Möglichkeit einer Normalisierung der Beziehungen zu Syrien angedeutet damit die von ihm unterstützten syrischen Rebellen in Panik versetzt. Doch noch ist der Machtkampf nicht zu Ende. Das Militär ist durch massive Säuberungen empfindlich geschwächt, Sicherheitskräfte und Geheimdienste sind vom Kampf gegen den IS abgelenkt, primär darauf konzentriert, interne Gegner des Präsidenten aufzuspüren. Ob die USA und ihre Verbündete den Stützpunkt Incirlik für ihre Einsätze gegen den IS in Syrien und Irak weiter voll nützen können, ist keineswegs sicher. Militärexperten befürchten eine „Schwächung des Stabilitätsankers in der Region“. Doch zu Incirlik gibt es Alternativen. Schon fliegen US-Jets Einsätze auch von einem Stützpunkt im nordirakischen Kurdistan und die Errichtung fünf weiterer Basen ist geplant. Für einen durchschlagenden Erfolg ist aber eine weit engere Zusammenarbeit mit den Türken am Boden ausschlaggebend. Dass dies nun bald möglich ist, erscheint unwahrscheinlich. Zudem droht eine zunehmende Instabilität der Türkei dem IS und anderen radikalen Kräften einen gefährlichen Freiraum zu schaffen.
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