Freitag, 12. Februar 2016

Schwacher Hoffnungsschimmer für Syrien

Zu viele Kräfte können die in München vereinbarte Feuerpause sabotieren -  Schon schwört Assad,  „ganz Syrien“ zurück zu erobern
 
von Birgit Cerha
 
Alle sind sich einig: das von den 17 Außenministern der Syrien-Kontaktgruppe Donnerstagabend in München vereinbarte Abkommen über ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien ist höchst ehrgeizig. Doch es ist zugleich doch derart vage, dass ihm nur wenige trauen und selbst die Geburtshelfer, wie US-Außenminister Kerry, zur Vorsicht mahnen.  Ungewöhnlich einig und entschlossen schienen alle Minister, dass binnen Stunden mit der Lieferung humanitärer Hilfe in großem Maße und nachhaltig  an die gequälte syrische Bevölkerung begonnen werden müsse. Weitaus umstrittener ist die Frage der Waffenruhe.  Doch der Lösung beider Probleme stehen beträchtliche Hürden im Wege.
Vordringlich ist die Lieferung humanitärer Güter an die überwiegend vom Regime seit Monaten belagerten Städte und Ortschaften. Eine klare Zusage Diktator Assads, die Blockaden aufzuheben und wo immer nötig Hilfsorganisationen den Zugang zur darbenden Zivilbevölkerung zu ermöglichen, fehlt jedoch bisher. Blockade ist für Assad eine wichtige Strategie, die Kontrolle über Gebiete, die Rebellen kontrollieren, zurück zu gewinnen. Wird Assad dieses Kampfmittel nun aufgeben? Die Signale aus Damaskus geben wenig Hoffnung. Kaum hatten sich die 17 Außenminister in München geeinigt, bekräftigte der Diktator in einem Interview seine Entschlossenheit, „das ganze Land“ zurück zu erobern. Die Aussichten stehen dank russischer Hilfe so gut wie kaum zuvor. Wird Assad da bereit sein, seinen Gegnern eine politische und physische Überlebenschance zu geben?
Noch schwieriger erweist sich die Problematik der Waffenruhe, die bis Ende nächster Woche in Kraft treten soll. Dies drückt sich bereits im Verzicht auf den Begriff „Waffenstillstand“ aus, an dessen Stelle man den weit vageren  „Einstellung der Kämpfe“ wählte, der keine Überprüfung und keine Dauer festlegt. Diese Einigung ist demnach maximal ein erster kleiner Schritt zu einem dauerhaften Waffenstillstand, dessen Modalitäten eine UN-Arbeitsgruppe unter amerikanisch-russischem Vorsitz ausarbeiten sollen.  Die Gruppe soll vor allem auch festlegen, welche Konfliktparteien als Terror-Organisationen gelten und deshalb auch künftig attackiert werden dürfen. Russland und Assad beharren darauf, Angriffe auf „Terrorgruppen“ unvermindert fortzusetzen und sie meinen damit nicht nur die auch von den USA als Terroristen eingestuften „Al-Nusra“ und den „Islamischen Staat“ (IS), sondern gemäßigtere Gegner Assads, auch jene, die die USA unterstützen.
Doch Syriens Kriegsszenerie ist viel zu kompliziert für derartige Unterscheidungen. Ein Gewirr von Hunderten von Gruppen mit konstant wechselnden Allianzen und gegenseitigen Feindseligkeiten beherrscht das Schlachtfeld, dominiert von mehr und weniger radikalen Islamisten. Die kräftigsten unter ihnen sind Nusra und der IS, die ohnedies auch Washington von der Feuerpause ausnimmt und die in der Region Aleppo stark präsent sind. Damit werden Bombardements auf die Stadt kaum enden und sie werden unweigerlich auch „gemäßigtere“ Rebellen treffen. Ob diese unter solchen Voraussetzungen bereit sind, die Waffen nieder zu legen, erscheint höchst fraglich, zumal sie damit nach der jüngsten  Serie schwerer militärischer Niederlagen unter ihren Anhängern noch stärker an Glaubwürdigkeit und Attraktivität verlieren würden. Treffen sie weiterhin russische Bombardements dann könnte ein Aderlass zu Nusra und dem IS kaum zu stoppen sein.
Es bleibt zu hoffen, dass das unsagbare Leid der syrischen Zivilbevölkerung endlich alle Seiten zu einem Ende dieses gnadenlosen Tötens bewegt.

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