Dienstag, 16. Februar 2016

In der Hölle blutigen Wahnsinns

Während die Hoffnung auf eine Feuerpause in Syrien schwindet, bereitet sich Aleppo auf die Entscheidungsphase im Krieg gegen Assad vor
 
von Birgit Cerha
 
Es ist eine Schlacht von globalen Dimensionen. Unermüdlich bombardieren russische Jets und Kampfflugzeuge der syrischen Streitkräfte Aleppo und die Provinz nördlich der Metropole. Es sind nur noch wenige Tage, bis die in der Vorwoche in München von  den Großmächten vereinbarte Feuerpause inkraft treten soll. Kaum jemand glaubt mehr daran. Vielmehr haben sich die Kämpfe seither dramatisch verstärkt. Im Gebiet der von „gemäßigten“ und islamistischen Rebellen kontrollierten Grenzstadt Asas herrscht die Hölle mörderischen Wahnsinns. Nichts und niemand wird mehr verschont, Spitäler, verwundete Zivilisten, Kinder und Schulen zählen zu den Kriegszielen. Wer wen massakriert, humanitäre Einrichtungen oder Schulen zu Trümmern bombt lässt sich kaum noch feststellen in diesem blutigen Freiraum des Tötens, in dem die Zahl der äußeren Akteure im weiter  anwächst.
Während Diktator Assad klarstellt, dass ein Waffenstillstand „zwischen einem Staat und Terroristen“ nicht möglich sei und Russland sich die fortgesetzte Bombardierung von „Terroristen“ seiner Definition in Aleppo vorbehält, wird die Umgebung des einst blühenden Wirtschaftszentrums zunehmend entvölkert. Gelingt es Assad und seinem russischen  Retter, die Rebellen in dieser landwirtschaftlich reichen Region mit ihren kleinen Städten und Dörfern zu besiegen, dann können die Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Milizen die Stadt einkreisen, um sie bis zur Kapitulation zu zermürben.
Unterdessen halten sich Zehntausende Menschen, gestählt durch den vierjährigen Krieg, zur Verteidigung ihrer Heime bereit. Ein Kommandant der „Shami Front“, der größten Rebellengruppe in Aleppo, berichtet, dass jüngst keine syrischen Soldaten mehr in die Stadt eingedrungen seien. Nur Ausländer, Milizionäre aus dem Libanon, Irak, Afghanistan und Pakistan hätten versucht, von der Opposition gehaltene Viertel zurück zu erobern.  Ortsunkundig seien sie den lokalen Kämpfern unterlegen. Allerdings könnten die massiven russischen Luftangriffe das Kräfteverhältnis stark zugunsten Assads verschieben.
Dennoch ist vorerst die Situation noch nicht alarmierend. Noch ist die Stadt nicht eingekreist und Bewohner berichten, die NGOs hätten Lebensmittelvorräte angelegt, die die etwa 250.000 noch in Aleppo verbliebenen Menschen mindestens ein Monat lang versorgen sollten. Zugleich hat man damit begonnen, Gemüse auf Häuserdächern zu ziehen und Versorgungstunnels zu graben.  
Doch unabhängige Quellen meinen die in der Stadt verschanzte Opposition verfüge nicht über genügend Kämpfer, um jeweils mehr als eine Attacke abzuwehren. Zudem haben die Regierungstruppen und russische Jets regelmäßig zivile Ziele in Aleppo attackiert. Die Zerstörung von Spitälern und Bäckereien hat die Überlebenskosten der Bevölkerung drastisch in die Höhe getrieben.
Die stärksten der 50 in Aleppo operierenden Oppositionsgruppen sind Islamisten oder von Washington unterstützte „Gemäßigte“, die sich weitgehende Unabhängigkeit von der auch in der Stadt stationierten radikalen „Al-Nusra“ erhalten haben.  Die USA hoffen, dass diese pro-westlichen Kräfte schließlich den Kern einer Bodentruppe bilden, die gegen die radikalen Islamisten in Nord-Syrien eingesetzt werden könnte.  „Nusra“ aber, so meinen Experten , dürfte die Verteidigung Aleppos nutzen, um die pro-westliche Opposition auf ihre Seite zu ziehen und damit die strategischen Pläne der Amerikaner für Nord-Syrien zunichte machen.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen