Während die Hoffnung auf eine Feuerpause in Syrien schwindet,
bereitet sich Aleppo auf die Entscheidungsphase im Krieg gegen Assad vor
von Birgit Cerha
Es ist eine Schlacht von globalen Dimensionen. Unermüdlich
bombardieren russische Jets und Kampfflugzeuge der syrischen
Streitkräfte Aleppo und die Provinz nördlich der Metropole. Es sind nur
noch wenige Tage, bis die in der Vorwoche in München von den
Großmächten vereinbarte Feuerpause inkraft treten soll. Kaum jemand
glaubt mehr daran. Vielmehr haben sich die Kämpfe seither dramatisch
verstärkt. Im Gebiet der von „gemäßigten“ und islamistischen Rebellen
kontrollierten Grenzstadt Asas herrscht die Hölle mörderischen
Wahnsinns. Nichts und niemand wird mehr verschont, Spitäler, verwundete
Zivilisten, Kinder und Schulen zählen zu den Kriegszielen. Wer wen
massakriert, humanitäre Einrichtungen oder Schulen zu Trümmern bombt
lässt sich kaum noch feststellen in diesem blutigen Freiraum des Tötens,
in dem die Zahl der äußeren Akteure im weiter anwächst.
Während Diktator Assad klarstellt, dass ein Waffenstillstand
„zwischen einem Staat und Terroristen“ nicht möglich sei und Russland
sich die fortgesetzte Bombardierung von „Terroristen“ seiner Definition
in Aleppo vorbehält, wird die Umgebung des einst blühenden
Wirtschaftszentrums zunehmend entvölkert. Gelingt es Assad und seinem
russischen Retter, die Rebellen in dieser landwirtschaftlich reichen
Region mit ihren kleinen Städten und Dörfern zu besiegen, dann können
die Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Milizen die Stadt
einkreisen, um sie bis zur Kapitulation zu zermürben.
Unterdessen halten sich Zehntausende Menschen, gestählt durch den
vierjährigen Krieg, zur Verteidigung ihrer Heime bereit. Ein Kommandant
der „Shami Front“, der größten Rebellengruppe in Aleppo, berichtet, dass
jüngst keine syrischen Soldaten mehr in die Stadt eingedrungen seien.
Nur Ausländer, Milizionäre aus dem Libanon, Irak, Afghanistan und
Pakistan hätten versucht, von der Opposition gehaltene Viertel zurück zu
erobern. Ortsunkundig seien sie den lokalen Kämpfern unterlegen.
Allerdings könnten die massiven russischen Luftangriffe das
Kräfteverhältnis stark zugunsten Assads verschieben.
Dennoch ist vorerst die Situation noch nicht alarmierend. Noch ist
die Stadt nicht eingekreist und Bewohner berichten, die NGOs hätten
Lebensmittelvorräte angelegt, die die etwa 250.000 noch in Aleppo
verbliebenen Menschen mindestens ein Monat lang versorgen sollten.
Zugleich hat man damit begonnen, Gemüse auf Häuserdächern zu ziehen und
Versorgungstunnels zu graben.
Doch unabhängige Quellen meinen die in der Stadt verschanzte
Opposition verfüge nicht über genügend Kämpfer, um jeweils mehr als eine
Attacke abzuwehren. Zudem haben die Regierungstruppen und russische
Jets regelmäßig zivile Ziele in Aleppo attackiert. Die Zerstörung von
Spitälern und Bäckereien hat die Überlebenskosten der Bevölkerung
drastisch in die Höhe getrieben.
Die stärksten der 50 in Aleppo operierenden Oppositionsgruppen sind
Islamisten oder von Washington unterstützte „Gemäßigte“, die sich
weitgehende Unabhängigkeit von der auch in der Stadt stationierten
radikalen „Al-Nusra“ erhalten haben. Die USA hoffen, dass diese
pro-westlichen Kräfte schließlich den Kern einer Bodentruppe bilden, die
gegen die radikalen Islamisten in Nord-Syrien eingesetzt werden
könnte. „Nusra“ aber, so meinen Experten , dürfte die Verteidigung
Aleppos nutzen, um die pro-westliche Opposition auf ihre Seite zu ziehen
und damit die strategischen Pläne der Amerikaner für Nord-Syrien
zunichte machen.
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