Dienstag, 5. Januar 2016

Saudi-Arabiens riskante geopolitische Strategie

Das empfindlich geschwächte Königreich versucht, regionale Verbündete auf seine Seite zu ziehen und den iranischen Rivalen als “Terrorstaat” zu isolieren
 
von Birgit Cerha
 
[Bild: Kronprinz Mohammed bin Nayyef]
 
Die nicht nur in der Welt der Schiiten als schwere Provokation empfundene Hinrichtung des populären saudischen Schiiten-Geistlichen Nimr al-Nimr ist Teil eines viel weitreichenderen, sich dramatisch verschärfenden Kampfes um Dominanz in der gesamten Region. Reaktionen und  Zeitpunkt der Hinrichtung lassen dies deutlich erkennen . Die Botschaft – schiitische Aktivisten sind Terroristen -, die Riad durch die Hinrichtung des wohl wichtigsten Sprechers der unterdrückten schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien zu vermitteln suchte, löste unter den Schiiten im Iran und in anderen Ländern der Region die erwartete Empörung aus. Dass wütende Demonstranten  in Teheran Teile der saudischen Botschaft in Brand steckten, bot Riad den erhofften Vorwand, die „Islamische Republik“ als internationalen Buhmann zu brandmarken und jegliche Kontakte abzubrechen, gerade als Teheran begonnen hatte, den Makel von Extremismus und Terror abzuschütteln und sich dank des Atomabkommens mit den Weltmächten nach jahrelangen Sanktionen wieder in die internationale Gemeinschaft zu integrieren.
Wenn nun Ende Januar, Anfang Februar ein großer Teil der Sanktionen gegen Teheran fallen, kann der Iran wieder zu seiner alten Rolle als regionale Wirtschaftsmacht mit wachsendem geopolitischem Einfluss zurückfinden – auf Kosten der Saudis, die in den vergangenen Jahren eifrig die Chance der Isolation des Rivalen für ihre ökonomischen und politischen Interessen genutzt hatten. Das zumindest fürchtet Riad und versucht mit höchst gefährlichen Methoden -. Schüren des Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten - den Iran erneut in die Isolation zu treiben.
Primäres Ziel der beiden saudischen Hauptstrategen – Kronprinz Mohammed bin Nayyef und dessen Stellvertreter Mohammed bin Salman – ist es, die regionalen Verbündeten in diesem verschärften Konflikt voll auf ihre Seite zu ziehen, um eine starke sunnitische Front aufzubauen. Das Ergebnis dieser Bemühungen sieht elbst unter den Brüdern am Golf bisher höchst mager aus. Bahrain, wo eine über eine diskriminierte schiitische Mehrheit herrschende sunnitische Minderheit politisch und militärisch vom saudischen Nachbarn vollends abhängig ist, folgte als erster dem saudischen Beispiel und brach die Beziehungen zu Teheran ab. Ebenso der Sudan, doch der engste politische und militärische Verbündete der Saudis am Golf, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), schickte nur symbolisch ein paar iranische Diplomaten heim, all zu wichtig sind die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Nachbarn jenseits des Golfs gerade jetzt, wo die Sanktionen enden. Erst Dienstag gab Kuwait  tagelangem saudischen Druck teilweise nach und holte den Botschafter zur Berichterstattung aus Teheran heim, doch keine Rede von Abbruch der Beziehungen zum Nachbarstaat, beherbergt Kuwait doch eine große schiitische Minderheit  und fürchtet um seine Stabilität. Die anderen beiden Mitglieder des Golf-Kooperationsrates – Katar und Oman – haben sich bisher saudischem Druck nicht gebeugt. Auch Ägyptens Präsident Sisi, den die Saudis seit seiner Machtübernahme 2014 mit großzügigen Geldspenden unterstützen, will sich nicht in diese neue Konfrontation hineinziehen lassen.
Kein Zweifel: Das Haus Saud steckt in ernsten Schwierigkeiten. Drastisch gesunkener Ölpreis, die explodierenden Kosten der Kriege in Syrien und im Armenhaus Jemen zwangen eben zur ersten ernsthaften Sparpolitik. Ja gar von der Besteuerung der verwöhnten Bürger ist erstmals die Rede. Die ökonomische Krise verschärft die politische, einen Machtkampf unter den Prinzen, von Putschplänen war gar die Rede, und tiefe Unzufriedenheit mit der weithin als leichtsinnig empfundenen kriegerischen Politik der beiden Kronprinzen. Ablenkung von internen Problemen und wachsende  Isolation hat so manche Diktatoren vor ihnen in katastrophale Abenteuer gestürzt. Dementsprechende befürchten Analysten der Eurasia Group, des weltweit größten politischen Risiko-Beratungsdienstes, noch mehr Aggressivität dieses Königshauses in seiner größten Krise.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen