Das empfindlich geschwächte Königreich versucht, regionale
Verbündete auf seine Seite zu ziehen und den iranischen Rivalen als
“Terrorstaat” zu isolieren
von Birgit Cerha
[Bild: Kronprinz Mohammed bin Nayyef]
Die nicht nur in der Welt der Schiiten als schwere Provokation
empfundene Hinrichtung des populären saudischen Schiiten-Geistlichen
Nimr al-Nimr ist Teil eines viel weitreichenderen, sich dramatisch
verschärfenden Kampfes um Dominanz in der gesamten Region. Reaktionen
und Zeitpunkt der Hinrichtung lassen dies deutlich erkennen . Die
Botschaft – schiitische Aktivisten sind Terroristen -, die Riad durch
die Hinrichtung des wohl wichtigsten Sprechers der unterdrückten
schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien zu vermitteln suchte, löste
unter den Schiiten im Iran und in anderen Ländern der Region die
erwartete Empörung aus. Dass wütende Demonstranten in Teheran Teile der
saudischen Botschaft in Brand steckten, bot Riad den erhofften Vorwand,
die „Islamische Republik“ als internationalen Buhmann zu brandmarken
und jegliche Kontakte abzubrechen, gerade als Teheran begonnen hatte,
den Makel von Extremismus und Terror abzuschütteln und sich dank des
Atomabkommens mit den Weltmächten nach jahrelangen Sanktionen wieder in
die internationale Gemeinschaft zu integrieren.
Wenn nun Ende Januar, Anfang Februar ein großer Teil der Sanktionen
gegen Teheran fallen, kann der Iran wieder zu seiner alten Rolle als
regionale Wirtschaftsmacht mit wachsendem geopolitischem Einfluss
zurückfinden – auf Kosten der Saudis, die in den vergangenen Jahren
eifrig die Chance der Isolation des Rivalen für ihre ökonomischen und
politischen Interessen genutzt hatten. Das zumindest fürchtet Riad und
versucht mit höchst gefährlichen Methoden -. Schüren des Konflikts
zwischen Sunniten und Schiiten - den Iran erneut in die Isolation zu
treiben.
Primäres Ziel der beiden saudischen Hauptstrategen – Kronprinz
Mohammed bin Nayyef und dessen Stellvertreter Mohammed bin Salman – ist
es, die regionalen Verbündeten in diesem verschärften Konflikt voll auf
ihre Seite zu ziehen, um eine starke sunnitische Front aufzubauen. Das
Ergebnis dieser Bemühungen sieht elbst unter den Brüdern am Golf bisher
höchst mager aus. Bahrain, wo eine über eine diskriminierte schiitische
Mehrheit herrschende sunnitische Minderheit politisch und militärisch
vom saudischen Nachbarn vollends abhängig ist, folgte als erster dem
saudischen Beispiel und brach die Beziehungen zu Teheran ab. Ebenso der
Sudan, doch der engste politische und militärische Verbündete der Saudis
am Golf, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), schickte nur
symbolisch ein paar iranische Diplomaten heim, all zu wichtig sind die
wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Nachbarn jenseits des Golfs gerade
jetzt, wo die Sanktionen enden. Erst Dienstag gab Kuwait tagelangem
saudischen Druck teilweise nach und holte den Botschafter zur
Berichterstattung aus Teheran heim, doch keine Rede von Abbruch der
Beziehungen zum Nachbarstaat, beherbergt Kuwait doch eine große
schiitische Minderheit und fürchtet um seine Stabilität. Die anderen
beiden Mitglieder des Golf-Kooperationsrates – Katar und Oman – haben
sich bisher saudischem Druck nicht gebeugt. Auch Ägyptens Präsident
Sisi, den die Saudis seit seiner Machtübernahme 2014 mit großzügigen
Geldspenden unterstützen, will sich nicht in diese neue Konfrontation
hineinziehen lassen.
Kein Zweifel: Das Haus Saud steckt in ernsten Schwierigkeiten.
Drastisch gesunkener Ölpreis, die explodierenden Kosten der Kriege in
Syrien und im Armenhaus Jemen zwangen eben zur ersten ernsthaften
Sparpolitik. Ja gar von der Besteuerung der verwöhnten Bürger ist
erstmals die Rede. Die ökonomische Krise verschärft die politische,
einen Machtkampf unter den Prinzen, von Putschplänen war gar die Rede,
und tiefe Unzufriedenheit mit der weithin als leichtsinnig empfundenen
kriegerischen Politik der beiden Kronprinzen. Ablenkung von internen
Problemen und wachsende Isolation hat so manche Diktatoren vor ihnen in
katastrophale Abenteuer gestürzt. Dementsprechende befürchten Analysten
der Eurasia Group, des weltweit größten politischen
Risiko-Beratungsdienstes, noch mehr Aggressivität dieses Königshauses in seiner größten Krise.
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