Montag, 4. Januar 2016

Eskalation am Persischen Golf

Saudi-Arabien und Iran verschärfen ihre Konflikte und damit die teils blutigen Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten in der gesamten Region
 
von Birgit Cerha
 
Am Persischen Golf verschärften sich Montag die Spannungen zwischen den beiden um Hegemonie in der Region ringenden Mächte  Iran und Saudi-Arabien dramatisch. Weder Teheran, vor allem aber nicht Riad zeigten sich bereit, die Wogen des Zornes zu glätten, die die Exekution des prominenten saudischen Schiitengeistlichen Nimr al-Nimr am Wochenende ausgelöst hatte. Im Gegenteil: Das Haus Saud goss noch Öl ins Feuer, als es Montag Teherans Diplomaten im Königreich, begleitet von heftigen Verbalattacken gegen die „Islamische Republik“, des Landes verwies. Wenig später folgten in Solidarität mit dem saudischen Führer in der Welt der Sunniten Bahrain und der Sudan. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die eine große Schar iranischer Geschäftsleute beherbergt und enge Wirtschaftsbeziehungen mit dem schiitischen Nachbarn unterhält, begnügte sich  mit der Ausweisung einiger, aber nicht aller iranischen Diplomaten. Zugleich verschärfen beide Seiten den  Krieg der Worte, werfen sich gegenseitig das Schüren von Gewalt und die Unterstützung  sunnitischer bzw. schiitischer Terroristen vor. Kurz vor Beginn der geplanten syrischen Friedensgespräche und vor dem Hintergrund internationaler Bemühungen um ein Ende der Kämpfe im hungernden Jemen – beides iranisch-saudische Stellvertreterkriege – stehen die Zeichen auf Sturm. Noch bedrohlicher erscheinen die Auswirkungen dieser Konfrontation auf die seit Jahrzehnten angespannten Beziehungen zwischen den Sunniten (die 80 Prozent der Moslems weltweit stellen) und Schiiten, die nun einen Tiefpunkt erreichten.
Führende Schiitengeistliche der gesamten Region erheben nun ihre Stimme und verurteilen teils in scharfen Worten die Exekution. Denn Nimr hatte den religiösen Rang eines Ayatollahs und stand daher in den Augen der meisten Schiiten über dem Gesetz. Deshalb gilt seine Exekution unter seinen Glaubensbrüdern als direkter Angriff der saudischen Sunnitenführer auf ihre Religion. Einer der angesehensten schiitischen Geistlichen, der  im irakischen Najaf residierende Großayatollah Ali Sistani, der sich als Vertreter der Quietisten zu politischen Problemen meist in Schweigen hüllt, machte seiner Empörung offen Luft und bezeichnete die Hinrichtung Nimrs als „eine Ungerechtigkeit und Aggression“. Sistanis Wort wiegt schwer nicht nur unter den Schiiten im Irak, sondern in der ganzen Region, vor allem auch in Saudi-Arabien.
Im Irak droht sich nun der seit Jahren tobende Krieg zwischen Schiiten und Sunniten erneut zu verschärfen. Als offensichtliche Vergeltung für die Tötung Nimrs wurden Montag zwei sunnitische Moscheen durch Bombenexplosionen schwer beschädigt. Die wachsende Kluft zwischen Iran und Saudi-Arabien, die im Irak, in Syrien und im Jemen einander bekämpfende Bevölkerungsgruppen und Extremisten unterstützen könnte nun auch die Bemühungen westlicher Staaten, eine effizientere  gemeinsame Front gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ zu bilden, zunichtemachen.
Doch das Haus Saud scheint sich vorerst durch solche Gefahren nicht von seinem Konfrontationskurs abbringen zu lassen.  Gegenüber der britischen BBC wies Montag ein Justizsprecher energisch jede Kritik an der Hinrichtung Nimrs als inakzeptable Einmischung in innere Angelegenheiten zurück, bekräftigte die Unabhängigkeit der saudischen (islamischen) Sharia-Richter und betonte, der Schiitengeistliche hätte Unschuldige getötet, eine Behauptung, die seine Familie empört zurückweist, da der Ayatollah nicht einmal eine Waffe besessen hätte. Zugleich droht Außenminister  Adel al-Jubeir, „wir behalten uns alle Optionen vor, um den Iran abzuschrecken.“ Was das Königshaus damit erreichen will, ist fraglich. Keineswegs kann es Stabilität im eigenen Land oder auch bei den Nachbarn sein. In der von der schiitischen Minderheit bewohnten ölreichen Ostprovinz, in der nach ersten friedlichen Protesten 2011 weitgehend Ruhe herrschte, brodelt ebenso der Zorn, wie in dem Schiiten des von einer repressiven sunnitischen, von Saudi-Arabien unterstützten Minderheit beherrschten Nachbarn Bahrain. Die Verzweiflung der saudischen Schiiten ist legitim, sind sie doch seit Jahrzehnten als „Bürger zweiter Klasse“ schwer diskriminiert und weitgehend vom Wohlstand ausgeschlossen. Auch allgemeine Liberalisierungsversprechen König Salmans, wie etwa die ersten allgemeinen Gemeinderatswahlen im Dezember, an denen erstmals Frauen teilnehmen durften, sind nicht mehr als ein weitgehend wirkungsloser Versuch, das Image im Westen etwas aufzupolieren.
Kenner Saudi-Arabiens befürchten, die jetzige Krise verheiße der gesamten Region eine turbulente Zukunft. Die Stimme der Mäßigung und des Pragmatismus ist mit dem Tod König Abdullahs vor einem Jahr in Riad verstimmt. Sein 80er jähriger Nachfolger Salman leidet an Demenz und dies ermöglicht dem langjährigen Antiterror-Strategen, Kronprinz Mohammed bin Nayef, gemeinsam mit seinem Stellvertreter, dem feurig-ehrgeizigen Sohn Salmans, Verteidigungsminister und Initiator des Jemen-Krieges gegen die schiitischen Huthis, Mohammed, nun Konfessionskriege in einer Weise zu führen, die die ganze Region über Jahrzehnte zu erschüttern drohen.

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