Sonntag, 3. Januar 2016

Khamenei warnt Saudis vor „Rache Gottes“

Scharfer Krieg der Worte verheißt bedrohlich wachsende Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten in der gesamten Region
 
von Birgit Cerha
 
Die Welt der Schiiten steht im Aufruhr. Von Saudi-Arabiens Ostprovinz über Bahrain, den Irak, Iran bis nach Pakistan und im Westen in den Libanon empören sich Schiiten über die Hinrichtung des weithin populären saudischen Schiiten-Geistlichen Nimr al-Nimr. Irans „Geistlicher Führer“ Khamenei verschärfte Sonntag einen Krieg der Worte mit Riad und warnte das Haus Saud vor der „Rache Gottes“. „Das ungerechtfertigt vergossene Blut dieses Märtyrers wird rasche Konsequenzen haben“, warnte Khamenei und erinnerte daran, dass Nimr „Menschen weder zu bewaffnetem Handeln“ ermutigt, noch „geheime Pläne geschmiedet“, sondern nur „öffentlich Kritik“ geäußert habe. Der radikale iranische Ayatollah Ahmad Khatami prophezeite den saudischen Herrschern, dass sie als Folge dieser Hinrichtung „aus den Geschichtsbüchern gelöscht“ würden. Führer der Revolutionsgarden drohten Rache an, allerdings ohne sich genauer festzulegen, während in der Nacht auf Sonntag wütende Demonstranten Teile der saudischen Botschaft in Teheran stürmten und in Brand setzten und in der zweitgrößten Stadt Mashhad das saudische Konsulat attackierten. Riad warf Teheran mit scharfen Worten vor, Gewalt in der gesamten Region zu schüren.
Die Hinrichtung Nimrs ist eine direkte Herausforderung des Irans, der nach der Verkündung des Todesurteils gegen den Geistlichen im Oktober 2014 vor Vergeltung gewarnt hatte, sollte Nimr getötet werden.  Irans Führung ist gespalten. Während Präsident Rouhani einen von den USA vermittelten, wiewohl zaghaften, Annäherungskurs an den regionalen Rivalen vertritt, insbesondere um eine Lösung des Krieges in Syrien, vielleicht aber auch im Jemen zu finden, vertreten radikalere Kräfte im Regime eine kompromisslosere Haltung. Sie könnten mit dieser Position nun Aufwind bekommen.
Rouhani versuchte Sonntag die Wogen zu glätten. Er kritisierte die Attacken auf die diplomatischen Vertretungen Saudi-Arabiens und kündigte die Bestrafung der Täter an. Er warnte „Einzelgänger“ vor „illegale Aktionen, die der Würde des Establishments der Islamischen Republik Schaden zufügen würden“. Dennoch haben radikalere Kräfte im Iran zahlreiche Möglichkeiten, die Saudis zu „bestrafen“.  Zumindest kann Teheran nun die Propaganda gegen das „illegitime und unverantwortliche saudische Regime“ verstärken, die Stimmung unter den Schiiten Saudi-Arabiens und Bahrains, sowie des Libanons aufheizen. Schwere anti-saudische Unruhen könnten die bestehenden Spannungen innerhalb des saudischen Herrscherhauses, in dem seit Monaten ein Machtkampf tobt, verschärfen. Ökonomisch können die Iraner Saudi-Arabien zu einem ohnedies wirtschaftlich kritischen Zeitpunkt massiv unter Druck setzen, indem  sie nun, da demnächst die internationalen Sanktionen gegen sie entscheidend gelockert werden, den Weltmarkt mit billigem Öl überschwemmen und damit den Sturzflug des Preises radikal beschleunigen, mit unvorhersehbaren Folgen für Saudi-Arabien.
Hauptopfer verschärfter Spannung aber könnten die Syrer und Jemeniten werden. Gelingt es nicht, die beiden Rivalen zu beschwichtigen, ist der syrische Friedensprozess gescheitert  bevor er überhaupt erst richtig begann. Am 25. Januar sollen sich in Wien erstmals  Vertreter regionaler und internationaler Mächte mit Repräsentanten des syrischen Regimes und der Opposition an den Verhandlungstisch setzen. Die Teilnahme Riad und Teherans, die die jeweiligen Kriegsgegner unterstützen, ist dabei entscheidend.  Im gegenwärtigen Klima erscheinen Gespräche undenkbar. Kommt es nicht dazu könnten beide Seiten ihr militärisches Engagement in den Trümmern Syriens, aber auch in jenen des Jemen  verstärken und die Kriege toben weiter ohne Aussicht auf ein Ende.

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