Scharfer Krieg der Worte verheißt bedrohlich wachsende Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten in der gesamten Region
von Birgit Cerha
Die Welt der Schiiten steht im Aufruhr. Von Saudi-Arabiens
Ostprovinz über Bahrain, den Irak, Iran bis nach Pakistan und im Westen
in den Libanon empören sich Schiiten über die Hinrichtung des weithin
populären saudischen Schiiten-Geistlichen Nimr al-Nimr. Irans
„Geistlicher Führer“ Khamenei verschärfte Sonntag einen Krieg der Worte
mit Riad und warnte das Haus Saud vor der „Rache Gottes“. „Das
ungerechtfertigt vergossene Blut dieses Märtyrers wird rasche
Konsequenzen haben“, warnte Khamenei und erinnerte daran, dass Nimr
„Menschen weder zu bewaffnetem Handeln“ ermutigt, noch „geheime Pläne
geschmiedet“, sondern nur „öffentlich Kritik“ geäußert habe. Der
radikale iranische Ayatollah Ahmad Khatami prophezeite den saudischen
Herrschern, dass sie als Folge dieser Hinrichtung „aus den
Geschichtsbüchern gelöscht“ würden. Führer der Revolutionsgarden drohten
Rache an, allerdings ohne sich genauer festzulegen, während in der
Nacht auf Sonntag wütende Demonstranten Teile der saudischen Botschaft
in Teheran stürmten und in Brand setzten und in der zweitgrößten Stadt
Mashhad das saudische Konsulat attackierten. Riad warf Teheran mit
scharfen Worten vor, Gewalt in der gesamten Region zu schüren.
Die Hinrichtung Nimrs ist eine direkte Herausforderung des Irans,
der nach der Verkündung des Todesurteils gegen den Geistlichen im
Oktober 2014 vor Vergeltung gewarnt hatte, sollte Nimr getötet werden.
Irans Führung ist gespalten. Während Präsident Rouhani einen von den USA
vermittelten, wiewohl zaghaften, Annäherungskurs an den regionalen
Rivalen vertritt, insbesondere um eine Lösung des Krieges in Syrien,
vielleicht aber auch im Jemen zu finden, vertreten radikalere Kräfte im
Regime eine kompromisslosere Haltung. Sie könnten mit dieser Position
nun Aufwind bekommen.
Rouhani versuchte Sonntag die Wogen zu glätten. Er kritisierte die
Attacken auf die diplomatischen Vertretungen Saudi-Arabiens und kündigte
die Bestrafung der Täter an. Er warnte „Einzelgänger“ vor „illegale
Aktionen, die der Würde des Establishments der Islamischen Republik
Schaden zufügen würden“. Dennoch haben radikalere Kräfte im Iran
zahlreiche Möglichkeiten, die Saudis zu „bestrafen“. Zumindest kann
Teheran nun die Propaganda gegen das „illegitime und unverantwortliche
saudische Regime“ verstärken, die Stimmung unter den Schiiten
Saudi-Arabiens und Bahrains, sowie des Libanons aufheizen. Schwere
anti-saudische Unruhen könnten die bestehenden Spannungen innerhalb des
saudischen Herrscherhauses, in dem seit Monaten ein Machtkampf tobt,
verschärfen. Ökonomisch können die Iraner Saudi-Arabien zu einem
ohnedies wirtschaftlich kritischen Zeitpunkt massiv unter Druck setzen,
indem sie nun, da demnächst die internationalen Sanktionen gegen sie
entscheidend gelockert werden, den Weltmarkt mit billigem Öl
überschwemmen und damit den Sturzflug des Preises radikal beschleunigen,
mit unvorhersehbaren Folgen für Saudi-Arabien.
Hauptopfer verschärfter Spannung aber könnten die Syrer und
Jemeniten werden. Gelingt es nicht, die beiden Rivalen zu
beschwichtigen, ist der syrische Friedensprozess gescheitert bevor er
überhaupt erst richtig begann. Am 25. Januar sollen sich in Wien
erstmals Vertreter regionaler und internationaler Mächte mit
Repräsentanten des syrischen Regimes und der Opposition an den
Verhandlungstisch setzen. Die Teilnahme Riad und Teherans, die die
jeweiligen Kriegsgegner unterstützen, ist dabei entscheidend. Im
gegenwärtigen Klima erscheinen Gespräche undenkbar. Kommt es nicht dazu
könnten beide Seiten ihr militärisches Engagement in den Trümmern
Syriens, aber auch in jenen des Jemen verstärken und die Kriege toben
weiter ohne Aussicht auf ein Ende.
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