Was treibt die Scheichs am Persischen Golf zu einem gnadenlosen Sinkflug des Ölpreises und beginnt ihre Offensive zu wirken?
„Niemand kann den Preis von Öl festsetzen. Das bleibt Allah
überlassen.“ Diese Worte des saudischen Ölministers al-Naimi sollten
wohl eine gewisse Ohnmacht des nach Venezuela zweitgrößten Ölreiches
der Welt angesichts der dramatischen Entwicklungen auf dem
internationalen Ölmarkt vortäuschen . Denn der dramatische Sinkflug des
Ölpreises hält an, stürzt zahlreiche Produzentenländer in gravierende
ökonomische Schwierigkeiten, einige gar an den Rand des Bankrotts, und
bringt selbst in der „Organisation erdölexportierender Länder“ (OPEC)
die verwundbaren Ärmeren mehr und mehr gegen die Superreichen am
Persischen Golf auf. Dass die neuen in Politik, Diplomatie und
Ölstrategie weit energischer bis aggressiv agierenden Führer
Saudi-Arabiens, unterstützt von ihren Verbündeten am Persischen Golf,
bewusst die Ölwaffe schwingen, können sie auch durch angeblichen
Fatalismus und Gottglauben nicht mehr vertuschen. Mit kaum mehr als 30
Dollar pro Barrel hat der Preis für ein Barrel Öl schon fast den
Tiefstand der Wirtschaftskrise 08/09 erreicht.
Doch nun haben sie mit ihrer Strategie, verschärft durch die
schwache Weltkonjunktur, Rezession großer Schwellenländer, verringertes
Wachstumstempo in China und den Aufstieg der USA durch ihre umstrittene
Fracking-Fördertechnik zum weltweit drittgrößten Öl- und -Gasproduzenten
auch die eigene Schmerzgrenze erreicht. Insgesamt dürften die Einkünfte
der OPEC in diesem Jahr nur 400 Mrd. Dollar erreichen. 2012 waren es
noch 1,2 Billionen. Auch die Ölscheichs sehen ihre wichtigste Geldquelle
versiegen, haben mit Defiziten und schrumpfendem Wirtschaftswachstum zu
kämpfen. Wiewohl Saudi-Arabien noch die stärkste Durchhaltekraft
besitzt, droht ihm auch ein Haushaltsdefizit von fast 20 Prozent seiner
Wirtschaftsleistung und die Währungsreserven schmelzen in alarmierendem
Maße – von 730 Mrd.2014 auf derzeit 650 Mrd. Dollar – dahin, genug
freilich, um nicht aufzugeben..
So bleiben die Al-Sauds, unterstützt von den Scheichs am Golf,
hart, denn sie denken in Generationen. Es geht darum, den Marktanteil
nicht zu verlieren, vor allem aber auch die unverzichtbare Bedeutung von
Öl und Gas für die Zukunft zu sichern. Ein niedriger Preis soll
Investitionen in die kostspielige Entwicklung von Alternativenergien zum
Schutz der Umwelt bremsen. Zugleich verfolgt Riad geopolitische
Interessen, insbesondere in seinem bitteren Rivalitätskampf mit dem
Iran, aber auch Russland. Beiden setzt der niedrige Ölpreis bereits
schmerzlich zu. Der Kreml, so die Hoffnung der Ölscheichs, soll sich der
OPEC anschließen und dieses Super-Kartell könnte dann die Hälfte der
Weltproduktion kontrollieren.
Die neue Strategie - Menge ist wichtiger als der Preis – entspringt
auch der bitteren Erfahrung aus der Vergangenheit, als der
traditionelle „Swing-Producer“Saudi-Arabien vor drei Jahrzehnten zur
Verteidigung der OPEC-Preisstruktur seine Produktion von 9,5 Mio. Barrel
1980 auf 2,5 Mio. 1985 drosselte, während Konkurrenten auch innerhalb
des Kartells die Quotenregelung ignorierten,so viel Öl wie möglich
verkauften und einen Teil der saudischen Marktanteile eroberten.
Haupziel der saudischen Ölwaffe aber ist die amerikanische
Fracking-Industrie, mit deren Hilfe die USA auf dem besten Weg ist, sich
aus der Abhängigkeit von nahöstlichem, vor allem saudischem Öl zu lösen
und autark zu werden. Weil die Preise am Boden liegen, geht das
Geschäft für immer weniger US-Anbieter auf. Dennoch zeigt die
Fracking-Industrie eine starke Widerstandskraft. Erst allmählich
beginnen Förderungen von „Light Tight Oil“ zu schrumpfen und auch
Investitionen zurückzugehen. Ein Signal, das die Ölscheichs bestärkt,
trotz der Gefahr eines weiteren Preissturzes, an ihrer Strategie
festzuhalten.
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