Nach dem Tod ihres Führers zieht sich die einflussreicher
„Islamische Armee“ aus der Suche nach Frieden zurück und erklärt
Damaskus zur Kriegszone
von Birgit Cerha
Zahran Alloush galt nicht nur als einer der stärksten
Rebellenführer Syriens, sondern auch als eine Kraft der Mäßigung im
Wirrwarr islamistischer Kampfgruppen gegen das Assad-Regime. Seine
„Jaish al-Islam“ (Islamische Armee) hatte durch ihre Unterschrift unter
ein von Saudi-Arabien Anfang Dezember initiiertes Oppositionsdokument
als einzige Islamistengruppe einen erneuten Anlauf zum Frieden in Syrien
unterstützt und der Delegation der Gegner Assads damit ein Minimum an
Glaubwürdigkeit verliehen. Denn die stärksten islamistischen Feinde des
Diktators – der Al-Kaida-Ableger „Nusra“ und der „Islamische Staat“ (IS)
- bleiben vom Friedensprozess ausgeschlossen, da sie nicht nur vom
Assad-Regime, sondern vor allem auch von den USA als
„Terror-Organisationen“ klassifiziert werden.
Für 25. Januar ist die erste von der UNO nach Genf einberufene
Verhandlungsrunde zwischen der Opposition und dem Regime festgesetzt.
Nach dem Tod Alloushs und einiger seiner Kommandanten durch eine von
Russland oder dem syrischen Regime geführte Attacke vom vergangenen
Freitag lehnt die „Islamische Armee“ jedes Gespräch mit Vertretern
Assads ab. Die Genfer Suche nach Frieden droht damit zur totalen
Bedeutungslosigkeit zu degradieren, denn alle Kräfte, die auf syrischem
Boden im Kampf gegen das Regime Bedeutung besitzen, dürften ihr nun
fernbleiben.
„Wir werden unseren Kampf“ gegen Assad und den IS „nur noch
verstärken“, bekräftigt der rasch zum neuen Führer der „Islamischen
Armee“ gekürte 40-jährige Geschäftsmann Essam Bouidani. Dieser Tod „hat
uns nur noch stärker gemacht“. Bouidani gilt als ein besonnener
Anführer mit starken Bindungen Assads jahrzehntelange Erzfeinde, die
Moslembruderschaft. Massive materielle Unterstützung Saudi-Arabiens ,
das den 2011 mit zahlreichen anderen Islamisten aus einem syrischen
Gefängnis freigelassenen Alloush zu seiner dominanten Stellung im Kampf
gegen Assad verholfen hatte, ist auch seinem Nachfolger gewiss. Mit
Charisma und viel Mut gelang es ihm seit mehr als drei Jahren das von
Assads Streitkräften belagerte Ost-Ghouta im Umland von Damaskus zu
kontrollieren Er konnte die Frontlinie gegen unermüdliche heftige
Attacken des Regimes, darunter auch mit Nervengas,halten und ein für
syrische Verhältnisse erstaunliches Maß an Stabilität herstellen.
Doch seine Methoden glichen jenen des Diktators, bis zu
Kriegsverbrechen. Als der IS allzu nahe an sein Herrschaftsgebiet
heranrückte verteidigte er seine Macht mit selbst für diese
barbarischen Islamisten erschreckend brutalen Methoden. Bis zuletzt
engagierte er sich für den Kampf gegen den IS gleichermaßen wie gegen
Assad, was ihn für den Westen als Partner - ungeachtet seines
Extremismus - eine gewisse Attraktivität verlieh. Trotz seiner
radikal-islamistischen Ideologie, nach der etwa Andersgläubige, die er
als „Schmutz“ beschimpfte, in Syrien keine Heimat besitzen sollen, haben
die USA die „Islamische Armee“ wegen ihrer Nähe zu Saudi-Arabien nicht
auf ihre Terrorliste gesetzt. Jüngst aber sah Alloush offensichtliche
Vorteile an einer Annäherung an den Westen und legte sich ein
„gemäßigtes“ Image als ein Mann zu, der eine politische Lösung und
keinen islamischen Staat erstrebe. Wie glaubwürdig sein Wandel war,
bleibt dahingestellt.
Dass die „Islamische Armee“ nun wie andere Organisationen, deren
Führer ermordet wurden, auseinanderfällt, erscheint angesichts ihrer
Stärke wenig wahrscheinlich. Zweifellos aber dürfte Alloushs Tod zur
Instabilität in diesem für Syriens Hauptstadt strategisch so wichtigen
Gebiet führen und Assad die Möglichkeit bieten, Ost-Ghouta wieder in
seinen Herrschaftsbereich zu integrieren.
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