Sonntag, 27. Dezember 2015

Ein Schlag gegen den syrischen Friedensprozess

Nach dem Tod ihres Führers zieht sich die einflussreicher „Islamische Armee“ aus der Suche nach Frieden zurück und erklärt Damaskus zur Kriegszone
 
von Birgit Cerha
 
Zahran Alloush galt nicht nur als einer der stärksten Rebellenführer Syriens, sondern auch als eine Kraft der Mäßigung im Wirrwarr islamistischer Kampfgruppen gegen das Assad-Regime. Seine „Jaish al-Islam“ (Islamische Armee) hatte durch ihre Unterschrift unter ein von Saudi-Arabien Anfang Dezember initiiertes Oppositionsdokument als einzige Islamistengruppe einen erneuten Anlauf zum Frieden in Syrien unterstützt und der Delegation der Gegner Assads damit ein Minimum an Glaubwürdigkeit verliehen. Denn die stärksten islamistischen Feinde des Diktators – der Al-Kaida-Ableger „Nusra“ und der „Islamische Staat“ (IS) - bleiben vom Friedensprozess ausgeschlossen, da sie nicht nur vom Assad-Regime, sondern vor allem auch von den USA als „Terror-Organisationen“ klassifiziert werden.
Für 25. Januar ist die erste von der UNO  nach Genf einberufene Verhandlungsrunde  zwischen der Opposition und dem Regime festgesetzt. Nach dem Tod Alloushs und einiger seiner Kommandanten durch eine von Russland oder dem syrischen Regime geführte Attacke vom vergangenen Freitag lehnt die „Islamische Armee“ jedes Gespräch mit Vertretern Assads ab. Die Genfer Suche nach Frieden droht damit zur totalen Bedeutungslosigkeit zu degradieren, denn alle Kräfte, die auf syrischem Boden im Kampf gegen das Regime Bedeutung besitzen, dürften ihr nun fernbleiben.
„Wir werden unseren Kampf“ gegen Assad und den IS „nur noch verstärken“, bekräftigt der rasch zum neuen Führer der „Islamischen Armee“ gekürte 40-jährige Geschäftsmann Essam Bouidani. Dieser Tod „hat uns nur noch stärker gemacht“. Bouidani gilt als ein besonnener  Anführer mit starken Bindungen Assads jahrzehntelange Erzfeinde, die Moslembruderschaft. Massive materielle Unterstützung Saudi-Arabiens , das den 2011 mit zahlreichen anderen Islamisten aus einem syrischen Gefängnis freigelassenen Alloush zu seiner dominanten Stellung im Kampf gegen Assad verholfen hatte, ist auch seinem Nachfolger gewiss.  Mit Charisma und viel Mut gelang es ihm seit mehr als drei Jahren  das von Assads Streitkräften belagerte Ost-Ghouta im Umland von Damaskus zu kontrollieren Er konnte die Frontlinie gegen unermüdliche heftige Attacken des Regimes, darunter auch mit Nervengas,halten und ein für syrische Verhältnisse erstaunliches Maß an Stabilität herstellen.
Doch seine Methoden glichen jenen des Diktators, bis zu Kriegsverbrechen. Als der IS allzu nahe an sein Herrschaftsgebiet heranrückte verteidigte er seine Macht  mit selbst für diese barbarischen Islamisten erschreckend brutalen Methoden. Bis zuletzt engagierte er sich für den Kampf gegen den IS gleichermaßen wie gegen Assad, was ihn für den Westen als Partner - ungeachtet seines Extremismus - eine gewisse Attraktivität verlieh. Trotz seiner radikal-islamistischen Ideologie, nach der etwa Andersgläubige, die er als „Schmutz“ beschimpfte, in Syrien keine Heimat besitzen sollen, haben die USA die „Islamische Armee“ wegen ihrer Nähe zu Saudi-Arabien nicht auf ihre Terrorliste gesetzt. Jüngst aber sah Alloush offensichtliche Vorteile an einer Annäherung an den Westen und legte sich ein „gemäßigtes“ Image als ein Mann zu, der eine politische Lösung und keinen islamischen Staat erstrebe. Wie glaubwürdig sein Wandel war, bleibt dahingestellt.
Dass die „Islamische Armee“ nun wie andere Organisationen, deren Führer ermordet wurden, auseinanderfällt, erscheint angesichts ihrer Stärke wenig wahrscheinlich.  Zweifellos aber dürfte Alloushs Tod zur Instabilität in diesem für Syriens Hauptstadt strategisch so wichtigen Gebiet führen und Assad die Möglichkeit bieten, Ost-Ghouta wieder in seinen Herrschaftsbereich zu integrieren.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen