Dienstag, 15. Dezember 2015

Saudi-Arabien gründet islamische Anti-Terror-Allianz

Wie definiert das fundamentalistische, ideologisch mit dem IS verwandte Königshaus „Terroristen“  als zu bekämpfende Feinde?
 
von Birgit Cerha

Es sei „die Pflicht“ Saudi-Arabiens, „die islamische Nation vor dem Übel aller Terrorgruppen und Organisationen, ohne Rücksicht auf deren Religion und Ziele zu beschützen“. Mit diesen Worten begründete Saudi-Arabiens Verteidigungsminister Mohammed bin Salman die Gründung eines Bündnisses von 34 islamischen Staaten – darunter die Türkei und Ägypten, Malaysia und Pakistan -, um gemeinsam  „gegen jede terroristische Organisation“, keineswegs nur den „Islamischen Staat“ (IS), zu kämpfen.  Das Haus Saud reagiert damit auf wiederholte Aufforderungen US-Präsident an islamische Staaten, sich stärker im Kampf gegen die barbarische Terrormiliz des IS zu engagieren. Zugleich aber setzt der neue, extrem ehrgeizige „Star“ der saudischen Prinzen, Mohammed damit einen Schritt, um das Königreich als „Anführer der arabischen/islamischen Welt zu profilieren. Dementsprechend soll das Koordinationszentrum des neuen Kampfbündnisses auch in Riad eingerichtet werden. Details über eine zu bildende Streitmacht etc. bleiben vorerst unbekannt.
Dass sich gerade Saudi-Arabien an die Spitze einer Allianz gegen den Terror stellt, gibt Anlass zu tiefer Besorgnis. Seine Partner sind ausschließlich Sunniten. Jene Länder und Gruppen, die den IS am heftigsten und erfolgreichsten bekämpften, bleiben ausgeschlossen: der Iran, der Irak, die schiitischen Milizen im Irak, die libanesische Hisbollah und vor allem die überwiegend laizistischen Kurden, engste Verbündete der USA in diesem Kampf. So drängt sich der Verdacht auf, Riad will die neue Allianz vor allem auch dazu nützen, um seinen iranischen Erzfeind, sowie die Schiiten insgesamt mehr und mehr von der politischen Bühne des Orients zurück zu drängen – und dies nicht mehr nur mit diplomatischen Mitteln. Und der wichtige neue Bündnispartner Türkei könnte nun internationale Schützenhilfe im unermüdlichen Kampf gegen die Kurden gewinnen.
Auch andere Aspekte beunruhigen. Das Haus Saud gilt nicht gerade als Hort von Demokratie,Toleranz oder Meinungsfreiheit. Durch ein neues Gesetz deklarierte das Regime im Vorjahr Atheisten und politische Dissidenten als„Terroristen“, die sich nicht von gewalttätigen Gruppen unterschieden. Die latente Repression erfährt seit der Machtübernahme König Salmans im Januar noch eine Steigerung. Mehr Menschen wurden in diesem Jahr von saudischen Henkern mit dem Schwert geköpft als von IS-Terroristen in Syrien und im Irak mit derselben Methode.
Auch die ideologische Verwandtschaft beunruhigt. Die Wurzeln des brutalen sunnitischen Jihad, wie ihn der IS praktiziert führen eindeutig nach Saudi-Arabien zum geistlichen Establishment der Wahhabiten. Die im 18. Jahrhundert von dem islamischen Gelehrten Mohammed ab Abd al-Wahhab auf der Arabischen Halbinsel gegründete Bewegung hat sich der Rückkehr zum „koranischen Literalismus“ (dem starren Festhalten an den Buchstaben des Korans) verschrieben und ist eine der striktesten puritanischen Glaubensrichtungen des sunnitischen Islam, die sich an der frühislamischen Gemeinschaft um Mohammed und seinen ersten Nachfolgern orientiert. Die Wahhabiten gingen mit dem Clan der al-Sauds nicht nur eine politische Ehe zur Gründung der saudischen Monarchie 1932 ein, sondern heirateten auch untereinander.  So sind die Prinzen des Hauses Saud auch direkte Nachkommen Abd al-Wahhabs und viele von ihnen bis heute seiner Lehre verpflichtet.
Mit dem IS verbindet die Saudis auch das Ziel des „ideologischen Exports“, den das Königshaus allerdings nicht gewaltsam, sondern mit Milliarden von Dollar und einer Schar indoktrinierter Geistlicher betreibt.
Eine der wichtigsten Dogmen der wahhabitischen Doktrin ist der „Takfirismus“, Die Praxis, Muslime aus diversen Gründen der Apostasie zu bezichtigen, die – wie Abd al Wahhab festlegte – „getötet, ihre Frauen geschändet und ihre Besitztümer konfisziert werden sollten“. Wie einst die wahhabitische-saudische Allianz im Kampf um die Kontrolle der Arabischen Halbinsel, wird diese Doktrin heute auch eifrig vom IS praktiziert.  Der gewaltsame Jihad ist fester Bestandteil des Wahhabismus.Die Krieger der Al-Sauds standen dem IS zu jener Zeit an Grausamkeiten und Zerstörungswut um nichts nach. Bis heute genießt die wahhabitische Ideologie in Saudi-Arabien Popularität, deshalb auch die zwiespältige Haltung des Königshauses gegenüber dem IS, zu dessen Aufstieg es, ebenso wie auch reiche Bürger der Golfstaaten, einen wichtigen Beitrag leistete. Doch für den IS gelten die Monarchen am Golf, ebenso wie einst für den saudischen Al-Kaida-Chef Bin Laden u.a. wegen ihres Bundes mit den USA, dem luxuriösen Lebenswandel, der Korruption als „Takfiri“, die die wahhabitischen Regeln verwässert haben und deshalb gestürzt werden müßten. Kein Zweifel, Riad sieht allmählich – ungeachtet aller ideologischen Sympathien - im IS eine drohende Gefahr.

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