Sonntag, 13. Dezember 2015

Saudi-Arabien wählten erstmals Frauen in die Politik

Gemeinderatswahlen sind ein erster zaghafter Schritt zu einem modernen Staat – Oder nichts als eine Farce?
 
 
von Birgit Cerha
 
„Es ist eine große positive Überraschung“, kommentiert ein westlicher Diplomat die ersten inoffiziellen Ergebnisse der Gemeinderatswahlen in Saudi-Arabien. Danach haben erstmals in der Geschichte des ultrakonservativen Königreiches Samstag vier Frauen Sitze in Gemeinderäten erobert – und dies trotz enormer bürokratischer Hürden, die ihren Weg in die Politik blockieren sollten.
Es war die dritte Wahl seit der Gründung Saudi-Arabiens1932 und die erste, an denen sich Frauen als Wählerinnen und Kandidatinnen beteiligen durften. Manche sprechen deshalb von einem „historischen Ereignis“. Immerhin war Saudi-Arabien das letzte Land der Welt, das Frauen von Wahlen ausschloss. „Jetzt haben wir eine Stimme“, frohlockt eine der Kandidatinnen über Twitter. Doch die Realität trübt die Euphorie.
Unter den insgesamt 6.440 Kandidaten war es nur 900 Frauen war es gelungen, die enormen Hürden und Schikanen der Behörden zu überwinden und sich in einer weltweit einzigartigen Wahlkampagne zu präsentieren. Zeigen durften sich die Kandidatinnen nur von Kopf bis Fuß verhüllt, Plakate mit ihren Fotos waren verboten, ebenso das direkte Gespräch mit Männern. Auch die Zulassung zur Kandidatur war eng begrenzt. So waren etwa Bewerberinnen, die sich an der Kampagne für die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen beteiligt hatten,  von vornherein ausgeschlossen. Als größtes Hindernis auch bei der Ausübung des aktiven Wahlrechts erwies sich das Transportproblem, insbesondere in Gegenden, in denen es keine öffentliche Verkehrsmittel oder nur wenige Taxis gab. Dann waren die Frauen auf die Aufgeschlossenheit ihrer Männer angewiesen, die sie zu den Wahlurnen chauffierten.
Die extrem niedrige Beteiligung von 25 Prozent schmälert die politische Bedeutung dieser Wahlen in die Gemeinderäte, die nur beratende Funktionen ausüben und als höchst ineffizient gelten. Zudem werden ein Drittel der Sitze vom zuständigen Ministerium besetzt. Nur  130.000,ein Prozent der zwölf Millionen Frauen, hatten sich für die Wahlen registriert, gegenüber 1,35 Mio. Männern.
Beobachter meinen deshalb, diese Wahlen hätten kein Zeichen einer politischen Neuausrichtung gesetzt, ja so manchen saudischen und internationalen Kritikern erscheinen sie gar als Farce, wurden doch Kandidaten gewählt, die kein echtes Mandat besitzen. Dennoch besitzen sie symbolhafte Bedeutung. König Salman hatte wohl keine Wahl, als das Erbe seines etwas liberaleren Vorgängers Abdullah zu erfüllen. Der vor fast einem Jahr verstorbene Monarch hatte als Reaktion auf die Forderungen des „arabischen Frühlings“ nach mehr Mitbestimmung das aktive und passive Wahlrecht für Frauen für die Gemeinderäte verfügt. Doch seinem Nachfolger ist derartige „sündhafte Verwestlichung“, wie dies die mächtigen erzkonservativen Geistlichen sehen, wie Wahlen überhaupt, keineswegs ein Herzenswunsch. Sie ändern auch nichts an der gravierenden Diskriminierung der Frauen im Königreich. „Wir wissen, das ist nicht genug“, twittert eine der Kandidatinnen. „Aber dennoch fühlt sich die Luft, die wir atmen nun leichter an. Und wir werden den Kampf fortsetzen.“

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