Gemeinderatswahlen sind ein erster zaghafter Schritt zu einem modernen Staat – Oder nichts als eine Farce?
von Birgit Cerha
„Es ist eine große positive Überraschung“, kommentiert ein
westlicher Diplomat die ersten inoffiziellen Ergebnisse der
Gemeinderatswahlen in Saudi-Arabien. Danach haben erstmals in der
Geschichte des ultrakonservativen Königreiches Samstag vier Frauen Sitze
in Gemeinderäten erobert – und dies trotz enormer bürokratischer
Hürden, die ihren Weg in die Politik blockieren sollten.
Es war die dritte Wahl seit der Gründung Saudi-Arabiens1932 und die
erste, an denen sich Frauen als Wählerinnen und Kandidatinnen
beteiligen durften. Manche sprechen deshalb von einem „historischen
Ereignis“. Immerhin war Saudi-Arabien das letzte Land der Welt, das
Frauen von Wahlen ausschloss. „Jetzt haben wir eine Stimme“, frohlockt
eine der Kandidatinnen über Twitter. Doch die Realität trübt die
Euphorie.
Unter den insgesamt 6.440 Kandidaten war es nur 900 Frauen war es
gelungen, die enormen Hürden und Schikanen der Behörden zu überwinden
und sich in einer weltweit einzigartigen Wahlkampagne zu präsentieren.
Zeigen durften sich die Kandidatinnen nur von Kopf bis Fuß verhüllt,
Plakate mit ihren Fotos waren verboten, ebenso das direkte Gespräch mit
Männern. Auch die Zulassung zur Kandidatur war eng begrenzt. So waren
etwa Bewerberinnen, die sich an der Kampagne für die Aufhebung des
Fahrverbots für Frauen beteiligt hatten, von vornherein ausgeschlossen.
Als größtes Hindernis auch bei der Ausübung des aktiven Wahlrechts
erwies sich das Transportproblem, insbesondere in Gegenden, in denen es
keine öffentliche Verkehrsmittel oder nur wenige Taxis gab. Dann waren
die Frauen auf die Aufgeschlossenheit ihrer Männer angewiesen, die sie
zu den Wahlurnen chauffierten.
Die extrem niedrige Beteiligung von 25 Prozent schmälert die
politische Bedeutung dieser Wahlen in die Gemeinderäte, die nur
beratende Funktionen ausüben und als höchst ineffizient gelten. Zudem
werden ein Drittel der Sitze vom zuständigen Ministerium besetzt. Nur
130.000,ein Prozent der zwölf Millionen Frauen, hatten sich für die
Wahlen registriert, gegenüber 1,35 Mio. Männern.
Beobachter meinen deshalb, diese Wahlen hätten kein Zeichen einer
politischen Neuausrichtung gesetzt, ja so manchen saudischen und
internationalen Kritikern erscheinen sie gar als Farce, wurden doch
Kandidaten gewählt, die kein echtes Mandat besitzen. Dennoch besitzen
sie symbolhafte Bedeutung. König Salman hatte wohl keine Wahl, als das
Erbe seines etwas liberaleren Vorgängers Abdullah zu erfüllen. Der vor
fast einem Jahr verstorbene Monarch hatte als Reaktion auf die
Forderungen des „arabischen Frühlings“ nach mehr Mitbestimmung das
aktive und passive Wahlrecht für Frauen für die Gemeinderäte verfügt.
Doch seinem Nachfolger ist derartige „sündhafte Verwestlichung“, wie
dies die mächtigen erzkonservativen Geistlichen sehen, wie Wahlen
überhaupt, keineswegs ein Herzenswunsch. Sie ändern auch nichts an der
gravierenden Diskriminierung der Frauen im Königreich. „Wir wissen, das
ist nicht genug“, twittert eine der Kandidatinnen. „Aber dennoch fühlt
sich die Luft, die wir atmen nun leichter an. Und wir werden den Kampf
fortsetzen.“
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