Dienstag, 29. Dezember 2015

Irakische Armee vertreibt den IS aus Ramadi

Wichtiger politischer, strategischer und symbolischer Sieg für die Regierung in Bagdad und die Amerikaner
 
Von Birgit Cerha

Nach sieben Monaten, langem Zögern und einigen matten Versuchen gelang es den irakischen Streitkräften Montag ‚Ramadi, die Hauptstadt der flächenmäßig größten Provinz des Iraks, Anbar, von der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS) zu befreien und über den Trümmern des  einstigen Regierungssitzes im Zentrum der einst von rund 700.000 Menschen bewohnten Stadt die irakische Flagge zu hissen. Es ist der erste wichtige militärische Erfolg der von den USA ausgebildeten irakischen Streitkräfte gegen den IS und zum ersten Mal beteiligten sich auch sunnitische Stammeskämpfer an einer Schlacht gegen die Terrormiliz in dieser überwiegend von arabischen Sunniten bewohnten Provinz. Die USA, die Bagdad zu dieser Offensive gedrängt hatten, leisteten entscheidende Hilfe aus der Luft. Einige kleinere Widerstandszentren gilt es nun noch zu säubern und vor allem zahlreiche Sprengstoff-Fallen in einzelnen Stadtteilen zu räumen.
Der Verlust Ramadis im Mai war für die irakische Armee besonders peinlich, da die Soldaten fast kampflos vor nur einigen hundert IS-Jihadis flüchteten. Für den IS ist es die vierte schwere Niederlage im Irak im Laufe dieses Jahres. Er verlor Tikrit, Baiji im Zentralirak und zuletzt im November im Norden Sindschar, wo er 2014 an der yezidischen Minderheit einen Genozid verübt hatte. Die Eroberung von Ramadi im Mai war der größte militärische Erfolg des IS in diesem Jahr gewesen.
Ramadi ist ein wichtiger politischer, strategischer und symbolischer Preis für die Regierung in Bagdad, aber auch für die Amerikaner, die zusehen mussten, wie die irakische Armee 2014 fast kampflos vor den anstürmenden IS-Jihadis aus der zweitgrößten irakischen Stadt Mosul flüchteten. Zudem besitzt die Niederlage des IS in Ramadi nach den militärischen Erfolgen Russlands in Syrien für Washington auch eine wichtige geopolitische Bedeutung. Ramadi liegt an einer strategisch wichtigen Verbindungsstraße nach Westen und Süden. Der Verlust der Stadt erschwert für den IS die Kontakte zu seinem Hauptquartier Rakka in Syrien. In Ramadi hatte der IS auch einen wichtigen, mit Kriegsgerät der Regierungssoldaten ausgestatteten militärischen Stützpunkt, den er allerding zur Gänze räumte.
Der Erfolg in Ramadi ist auch von symbolischer Bedeutung, war diese Region doch 2006/07 Zentrum der von den USA gelenkten erfolgreichen Offensive sunnitischer Stämme gegen den Vorläufer des IS, die Al-Kaida im Irak.
Für die irakische Armee bedeutet diese Eroberung einen hochwillkommene Stärkung der Moral und für den politisch schwer bedrängten Premier Abadi einen seltenen Erfolg, der jedoch nur dann seine angeschlagene Position stärken kann, wenn es gelingt, die Lage in diesem Gebiet zu stabilisieren. Dies ist jedoch keineswegs sicher. Ramadi war lange das Zentrum heftiger sunnitischer Opposition gegen Bagdad, insbesondere gegen Abadis Vorgänger Maliki, der die Sunniten weitgehend aus dem politischen Entscheidungsprozess ausschloss. Stammesführer beklagten aber auch die totale Vernachlässigung ihrer Region durch Bagdad und seit dem rasanten Aufstieg des IS 2014 die Weigerung der Zentralregierung, die Stämme militärisch für den Verteidigungskampf gegen den IS auszurüsten – ein Vorwurf, den die Sunniten auch gegen die USA richten.
Von entscheidender Bedeutung aber ist nun das Verhalten der vom Iran unterstützten schiitischen Milizen, die bisher die wichtigsten militärischen Kämpfe gegen den IS geführt und nach der Befreiung der Städte wie Tirkit blutige Massaker an sunnitischen Kollaborateuren verübt hatten. Bei der Offensive von Ramadi hielten sie sich betont im Hintergrund. Gelingt der Friedensplan der Regierung, dass die Schiiten dieser sunnitischen Stadt fernbleiben und Einheiten von der Regierung trainierter sunnitischer Stammesmitglieder künftig die Verantwortung für die Sicherheit übernehmen, wäre dies ein wichtiger Schritt zum Aufbau des für eine funktionierende Zentralregierung in einem von IS befreiten Irak notwendigen Vertrauen. Letztlich lässt sich aber auch nur dann Stabilität herstellen, wenn es gelingt, nach den Monaten der brutalen IS-Herrschaft, die sich auch lokaler Kollaborateure bedient hatten, die Gefahr von Vergeltungsakten zwischen den Stämmen, die bis heute an der Tradition der Blutrache festhalten zu bannen.
Die Befreiung Ramadis, sowie die Kontrolle der beiden zuvor befreiten Städte Tikrit und Baiji macht nun die lange geplante und immer wieder aufgeschobene Großoffensive gegen den IS in der Zwei-Millionen-Stadt Mosul möglich. Die Vertreibung der Terrormiliz aus dieser Stadt würde die staatliche Struktur des IS im Irak zerstören und ihnen die wichtigste Einnahmequellen rauben. Die Iraker könnten auf ihre Befreiung hoffen.

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