Wie Bashar el Assad von der Eskalation des Terrors durch den
„Islamischen Staat“ profitiert und sich immer noch auf eine loyale Armee
und einen Teil der Bevölkerung stützen kann
von Birgit Cerha
Gerade als es schien, als könnte internationaler und interner
militärischer Druck gegen Syriens Diktator Assad nach viereinhalb Jahren
Krieg mit 330.000 Toten Erfolg haben, scheint sich das Blatt
entscheidend zu wenden. Russlands militärische Intervention gegen die
Rebellen, der Terror von Paris und wachsenden Ängste vor erneuten
Anschlägen durch die Mörderbande des „Islamischen Staates“ (IS) stärken
erneut Assads politische Überlebenschancen. Immer mehr westliche Führer
halten eine militärische Kooperation mit Syriens Diktator gegen den IS
für notwendig, ja sogar Frankreich, das seit langem entschlossen die
syrische Opposition unterstützt hatte, zeigt sich bereit, sich im Kampf
gegen den IS auch auf Assads Streitkräfte zu stützen.
Seit Kriegsbeginn 2011 versuchte Assad, die Welt davon zu
überzeugen, dass er von auch international höchst gefährlichen
Terroristen bedroht sei. Die Rebellen seien radikale Mörder und keine
politische Opposition, die für mehr Freiheiten kämpfe. Um dieser
Position größere Glaubwürdigkeit zu verleihen, leistete er seinen
Beitrag zum Erstarken des IS in Syrien, indem er ihn meist von
militärischen Attacken verschonte und – bis heute – etwa auch den von
ihm aus eroberten Ölfeldern geförderten Brennstoff abkauft. Und der IS
hatte den Kampf gegen Assads Streitkräfte nicht zu seiner Priorität
erhoben. Ein zynisches Machtspiele, das vielen Menschen das Leben
kostete.
Nun schöpft Assad neue Hoffnung, dass er mit russischer, iranischer
und vor allem auch westlicher Hilfe seine Macht retten kann. Eine total
zersplitterte und teilweise miteinander verfeindete militante
Opposition kontrolliert zwar beträchtliche Teile des syrischen
Territoriums, mit weithin zerstörten Städten und Dörfern. Doch unter
Assads Regime leben immer noch 60 Prozent der Bevölkerung, überwiegend
Angehörige der alawitischen Minderheit des Präsidenten, aber auch
Christen, Drusen und Sunniten. In Nordsyrien hat Assad der kurdischen
Minderheit Freiraum zu einer Art Selbstverwaltung ermöglicht und sie
damit erfolgreich in diesem brutalen Krieg zu neutralisiert.
Seit Kriegsbeginn hat Assad danach getrachtet, sich die über
Jahrzehnte schon von seinem Vater aufgebaute Rolle als unersetzbarer
Lieferant der lebensnotwendigen Dienstleistungen zu erhalten. In
Damaskus und den anderen von seinem Regime kontrollierten Regionen hält
er bis heute die Bewohner damit fest im Griff, während seine
Streitkräfte und die unterdessen mit iranischer Hilfe aufgebauten
Milizen alle in den von den Rebellen eroberten Gebieten neu
eingerichteten Dienstleistungssysteme hemmungslos zerstörten, um sich
sein staatliches Monopol zu erhalten. Zudem hat schon Assads Vater
Hafez alle staatlichen Institutionen ausschließlich mit Loyalisten
besetzt, um sich auf diese Weise, im Namen der Stabilitätserhaltung,
gegen Putschversuche zu schützen. Staatliche Institutionen sind nicht
autonom. Das Regime zu zerstören, bedeutet die Zerstörung des Staates
und der Preis dafür ist Chaos – eine Folge, die viele bis heute unter
Assad lebende Syrer, trotz der Brutalitäten des Regimes, nicht riskieren
mögen, zumal die Alternative nichts Besseres verheißt.
Vor allem aber sind die staatlichen Streitkräfte mit geringen
Ausnahmen bis heute erstaunlich loyal zum Regime geblieben. Diese
Entwicklung liegt nicht nur in der Tatsache, dass die große Mehrheit der
Offiziere Alawiten sind. Auch sunnitische Offiziere desertierten nicht,
denn traditionell sind die Angehörige der Streitkräfte mit enormen
Privilegien ausgestattet, die ihnen einen beträchtlichen sozialen
Aufstieg ermöglichten. Sie hätten alles zu verlieren. Panische Angst vor
Massakern und barbarischen Racheakten durch radikale, vom Regime seit
Jahrzehnten massiv unterdrückten Sunniten, wie Aktionen des mörderischen
IS bewog bisher auch die Minderheiten - insgesamt mehr als 30 Prozent
der Bevölkerung – Assad, trotz aller Brutalitäten dieses Krieges - die
Stange zu halten.
Der Diktator hofft nun auf eine Überlebenschance und billigt den
ihm nach der jüngsten internationalen Syrien-Konferenz vorgelegten Plan
von baldigen Wahlen für eine Übergangsführung. Assad zweifelt wohl nicht
daran, dass er auch dann wieder eine überwältigende Mehrheit für sich
zu präsentieren vermag, wie es das Regime seit Jahrzehnten – mit bis zu
99 Prozent der Stimmen - getan hatte. Selbst ohne krasser Manipulation
freilich besitzen Wahlen in dem teilweise schwer zerstörten Land mit
Millionen Flüchtlingen im Ausland wenig Relevanz.
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