Wie der „Islamische Staat“ mit brutalsten Methoden eine höchst lukrative Mafiaorganisation aufbaute – Doch nun gerät er zunehmend unter finanziellen Druck
von Birgit Cerha
Internationale Experten sind sich einig: Der „Islamische Staat“ (IS) ist nicht nur die brutalste, sondern auch die reichst Terrororganisation der Welt. In seinem militärisch erfolgreichsten Jahr 2014 wuchs sein Einkommen nach US-Regierungsquellen im Tag um eine Million Dollar. Westliche Nachrichtendienste schätzten die IS-Vermögenswerte auf drei Mrd. Dollar. Exakte Zahlen gibt es keine. Die Eroberung von Mosul im Juni 2014 schuf die Basis für diese einzigartige „Wirtschaftsmacht“.
Aus der Nationalbank dieser zweitgrößten irakischen Stadt konnte der IS rund 500 Mio. Dollar an sich reißen und unterdessen kontrolliert er im Irak, aber auch in Syrien zahlreiche andere Banken, hinzu kommen Phosphatvorkommen und andere Rohstoffquellen, die ihm zu Schmuggeleinnahmen verhalfen.
Spielte beim Aufbau der Organisation finanzielle Unterstützung insbesondere reicher sunnitischer Bürger Kuwaits, Saudi-Arabiens und Katars eine wichtige Rolle, so ist IS-Chef al-Baghdadi längst nicht mehr auf Hilfe von außen angewiesen. Die jedoch immer noch fließenden Gelder aus diesen Ländern machen nach Schätzungen höchsten fünf Prozent der derzeitigen Gesamteinkünfte aus. Finanzielle Unterstützung von Staaten erhält der IS laut Geheimdiensten keine. Nach einem Bericht des US-Kongresses machen Steuern, Erpressungsgelder und Schmuggel von Öl und Antiquitäten die Haupteinnahmsquellen aus. Die höchsten Beträge lassen sich von der Bevölkerung der von ihm beherrschten syrischen und irakischen Gebiete – acht bis zehn Millionen – erpressen. Die Kriegsbeute brachte im vergangenen Jahr viele Millionen. Sie ist einer der Gründe, warum der IS immer wieder neue Fronten eröffnete, um so immer neue Bevölkerungsgruppen auszurauben. Insbesondere Andersgläubige – Schiiten, Christen, Yeziden – ließ er nur dann fliehen, wennsie ihre Wertsachen übergaben. Steuern und Schutzgelder, die der IS seinen gequälten „Untertanen“ aufzwingt, erbringen laut US-Kongreß jährlich fast 400 Mio. Dollar. Andere Einkünfte stammen aus Dienstleistungen – Strom, Wasser, Sicherheit, Abgaben in Internet-Cafes etc.
Besonders lukrativ erwies sich das Entführungsgeschäft, insbesondere von Ausländern, das 2014 Lösgeld von 35 bis 45 Mio. Dollar erbrachte. Der Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten spült Hunderte Millionen Dollar jährlich in die IS-Kassen. Schmiergelder für geschmuggelte Waren, die sich der IS an der irakisch-jordanischen Grenze bezahlen lässt, liegen zwischen 200 und tausend Dollar pro Transport. Der Schmuggel von Antiquitäten, Alkohol und Zigaretten, primär in die Türkei, dürfte im Jahr 100 Mio. Dollar einbringen.
Bis vor wenigen Monaten erbrachte der Schmuggel von Öl die verlässlich größten Erträge. Seit 2014 war es dem IS gelungen, drei größere Ölfelder im Irak und acht kleinere in Syrien zu erobern und mit dem Schmuggel 1,2 Mrd. Dollar zu verdienen. Der IS bediente sich dabei eines lange etablierten Schmuggelnetzes lokaler Bürger im Nordirak und in Syrien, die das Öl in den Iran und in die Türkei transportierten, bis die kurdische Regionalregierung im Nord-Irak dem Treiben Einhalt gebot. Dann fand der IS eine neue Schmuggelroute nach Jordanien.
Seit die USA ihre Luftangriffe auf diesen Schmuggel und die Befreiung der Ölfelder konzentrierten, ist das Geschäft drastisch zurückgegangen. Im Irak hat der IS Im Frühjahr 2015alle drei Ölfelder verloren und auch in Syrien erlitt er empfindliche Einbußen. Nach Schätzungen kann er nur noch fünf Prozent der bisher geförderten Menge produzieren.
Experten sehen erste Anzeichen auf schrumpfende Einkünfte, die angesichts der enormen Ausgaben (allein 360 Mio.Dollar Sold für Kämpfer im Jahr) den IS schon bald in finanzielle Nöte stürzen könnte.