Die USA setzen auf die „Demokratischen Kräfte Syriens“ - Wer
steckt hinter diesem Konglomerat von Kämpfern und was sind ihre Ziele
von Birgit Cerha
Die ersten Abwürfe von leichten Waffen, Munition und
Kommunikationsgeräten für ausgesuchte syrische Milizen könnten sofort
beginnen, verkündet das US-Verteidigungsministerium, nachdem es
offiziell das Scheitern seines 500 Mio.Dollar Programms zur Ausbildung
„gemäßigter Rebellen“ für den Kampf gegen Diktator Assad eingestand und
die Schließung der Trainingslager in der Türkei und Jordanien
anordnete. Im Konglomerat von mehr als 40 rivalisierenden Gruppen
entsteht nun eine neue Allianz, die sich nach US-Wünschen in erster
Linie dem Kampf gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS)
verschreiben soll und dabei mit US-Luftunterstützung rechnen kann. Sie
soll eine Alternative zu den USA lange geplanten, ideologisch
geprüften und ausgebildeten Bodentruppen schaffen. Dieses US-Projekt ist
kläglich gescheitert, weil viele der Rekruten mit ihren Waffen rasch zu
islamistischen Gruppen, vor allem dem im Kampf gegen die
Regierungssoldaten besonders erfolgreichen „Al-Kaida“-Ableger, „Jabhat
al Nusra“, überliefen.
Zugleich hatte jüngst der ehemalige US-Geheimdienstchef Petraeus
unumwunden festgestellt, dass es nach mehr als vierjährigem Krieg in
Syrien keine „gemäßigten Rebellen“ mehr gäbe, auf die sich Washington
stützen könnte. Wer steht nun hinter dieser neuen Allianz, auf die die
USA noch zu hoffen wagen?
Washingtons neues Engagement konzentriert sich auf Nord-Syrien, in
der Hoffnung auf eine erfolgreiche Offensive gegen die „Hauptstadt“ des
IS, Rakka, die seine syrischen Verbündeten nicht erobern, aber durch
Belagerung zermürben sollen. Diese Allianz nennt sich „Demokratische
Kräfte Syriens“ (DKS) und ihre weitaus stärkste und in ihrem Engagement
gegen den IS verlässlichste Fraktion sind die kurdischen
„Volksverteidigungseinheiten“ (YPG), die seit ihrem dramatischen Kampf
um die kurdische Grenzstadt Kobane gegen den IS vor einem Jahr in einer
Art militärischer Koordination mit den USA agieren und, durch Washington
aus der Luft unterstützt, die radikalen Jihadis aus strategisch
wichtigen Punkten in Nordost-Syrien vertreiben konnten.
YPGs Sonntag verkündete Beteiligung an DKS erhöht die militärischen
Erfolgschancen dieser Allianz gegen den IS entscheidend. Denn diese
Kurdenkämpfer sind trainiert und motiviert und damit militärisch
effizient wie kaum andere syrische Rebellengruppe und sie konnten, mit
US-Unterstützung dem IS wiederholt empfindliche Niederlagen zufügen. So
vertrieben sie die Jihadis u.a. im Juni aus der für deren Verbindung
zur Türkei entscheidenden Grenzstadt Tal Abayad. Im Gegensatz zu
anderen Rebellengruppen besitzt YPG einen effizienten militärischen
Geheimdienstapparat, der sich insbesondere auf Informationen über den IS
konzentriert, eine „Spezialeinheit“, die hinter der feindlichen Front
operiert, sowie eine Anti-Terror Einheit. Jeder dieser Abteilungen
gehören Hunderte Kämpfer an. Insgesamt kann YPG nach eigenen Angaben
45.000 Kämpfer einsetzen, mehr als 80 Prozent davon Kurden. Damit ist
YPG auch numerisch die stärkste Fraktion innerhalb von DKS, deren
arabische Fraktionen nach Schätzungen über 3000 bis 5000 Kämpfer
verfügen. Und als Kurden zählen sie zu den Erzfeinden der radikalen
arabischen Jihadisten. Ihr Engagement gegen den IS ist für sie ein
Überlebenskampf und zugleich Garantie dafür, dass Kurden nicht zu
radikalen Islamistengruppen, wie Nusra, überlaufen.
Dennoch bleibt Washingtons Unterstützung begrenzt, insbesondere
seit die USA im Frühsommer die türkische Bedingung zur Benutzung der
NATO-Basisi Incirlik in der Südosttürkei für Einsätze gegen den IS
akzeptierte: keine Hilfe an die syrischen Kurden, damit diese nicht
gestärkt würden und das gesamte syrische Grenzgebiet zur Türkei unter
ihre Kontrolle brächten. Und auf türkischen Druck schloss Washington in
das neue von ihm geförderte Bündnis neben christlichen Assyrern auch
arabische Gruppen mit ein, deren Zuverläßlichkeit höchst zweifelhaft
ist. So hatte die größte arabische Fraktion im neuen Bündnis, „Liwa
Thuwwar al-Raqqa“,mit Nusra eng kollaboriert, bevor der IS dort sein
Hauptquartier einrichtete und sich dem „Euphrat Vulkan“ angeschlossen
hatte, einer Koalition arabischer Gruppen, die nun den Kern des
arabischen Elements von DKS bilden. Zu ihnen zählt auch „Jaysh
al-Qasas“, die 2014 mit dem IS kooperiert hatten und deren Kämpfer laut
der einst vom Westen unterstützten und inzwischen auseinandergebrochenen
„Freien Syrischen Armee“ (FSA), sich weniger vor allem durch
Plünderung hervorgetan hatten.
Washington versucht auch andere arabische Gruppen für die neue
Allianz zu gewinnen, darunter die von Saudi-Arabien unterstützte
„Islamische Front“ (IS), die Gebiete im Norden, aber auch in Süd-Syrien
kontrolliert und sich zum radikalen Salafismus bekennt. Auch Mitglieder
des in Ost-Syrien stark verbreiteten arabischen Shammar-Stammes, die
wiederholt Massaker durch den IS erlitten hatten, schlossen sich DKS an.
Die neue Gruppe, so die Hoffnung, könnte deshalb mehr arabische Stämme
für den gemeinsamen Kampf gegen den IS gewinnen.
Doch tiefes Misstrauen zwischen Arabern und Kurden droht, neben den
die YPG schwächenden Manipulationen der Türkei die Effizienz von DKS zu
stören. Arabische Gruppen lehnen entschieden das Streben der Kurden,
die bereits jetzt mit geschätzten mehr als 3000 Toten große Opfer im
Kampf gegen den IS gebracht hatten, nach Selbstverwaltung in Nord-Syrien
ab. Ein militärische Kooperation dürfte damit bestenfalls nur
kurzfristige Erfolge bringen.
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