Kann Russlands massiver Luftkrieg mit iranischer Hilfe, trotz der gigantischen humanitären Opfer Syriens Diktator Assad retten?
von Birgit Cerha
„Der Himmel ist voll mit Kampfjets und Helikoptern und die Menschen
haben panische Angst, Todesangst“, berichtet Dr. Zaidoun al-Zoabi, Chef
der „Syrischen Union medizinischer Hilfsorganisationen“ gegenüber dem
unabhängigen „Syrischen Beobachtungsbüro für humanitäre Angelegenheiten“
(OCHA). Während Diktator Assad ungewöhnlich zuversichtlich und lächelnd
seinem russischen Verbündeten Präsident Putin in Moskau die Hand
schüttelt, finden Zehntausende durch russische Bombardements aus den
Vororten Aleppos ins südliche Umland geflüchtete Menschen keine
Unterkunft, schutzlos und weitgehend ohne Hilfe und ohne Nahrung der
hereinbrechenden Winterkälte ausgeliefert.
Seit Beginn der russischen Luftangriffe vor mehr als drei Wochen
kamen laut OCHA mindestens 370 Menschen ums Leben, 35.000 wurden in die
Flucht getrieben. Andere Quellen nennen die doppelte Zahl an
Flüchtlingen, die noch rasant ansteigen dürfte. Denn der Luftkrieg
dauert an. Noch hat die eigentliche Rückeroberung der einstigen
syrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo gar nicht begonnen. In den
Azzan-Bergen im Osten der Stadt toben heftige Kämpfe zwischen Rebellen
auf der einen Seite und Regierungssoldaten, sowie vom Iran trainierten
irregulären „Nationalen Verteidigungs-Einheiten“. Zugleich rüstet sich
der Iran mit rund 1.500 neu angekommenen iranischen
Revolutionsgardisten, mit ihm verbündeten schiitischen Milizen aus dem
Irak und Afghanistan sowie der libanesischen Hisbollah für eine große
Bodenoffensive, um Assad die Macht zu retten.
Es ist die vierte größere Offensive seit Beginn der russischen
Militärintervention. Die anderen dauern immer noch an und konzentrieren
sich auf die Provinzen Homs, Hama und Latakia, wo es Putin primär darum
geht, seinen Marinestützpunkt am Mittelmeer abzusichern.
Aleppo, Syriens größte und strategisch wichtigste Stadt, ist seit
vielen Monaten Mittelpunkt des Kampfgeschehens. Die Stadt ist seit 2012
zwischen Regierungstruppen und Rebellen geteilt und jüngst mischte sich
auch die Terrormiliz des „islamischen Staates“ mehr und mehr in das
blutige Ringen um ihre Kontrolle ein. Keiner aber vermochte die Oberhand
zu gewinnen. Wiewohl ein großer Teil Aleppos in Trümmern liegt, leben
dort immer noch eine Million Menschen. Die russischen Bombardements
könnten nun das Gleichgewicht der Kräfte zugunsten Assads verschieben,
der um die Stadt einen großen Sicherheitskordon anzulegen sucht, um sie
voll unter Kontrolle zu bringen.
Laut der dem Regime nahestehenden Zeitung „al-Watan“ eroberten die
Regierungstruppen 16 Dörfer und ein Gebiet von 100 km2. Die Offensive
ziele darauf ab, die Hauptverbindungsstraße zwischen den Provinzen
Aleppo, Idlib und Hama zu blockieren und die Rebellen damit vom
entscheidenden militärischen Nachschub abzuschneiden. Die Autobahn
zwischen Aleppo und Damaskus, die durch die Provinzen Hama und Homs
führt, war bereits wiederholt Hauptziel von Regierungsoffensiven
gewesen, die jedoch stets fehlschlugen.
Wiewohl die Rebellen, darunter auch von den USA trainierte und
bewaffnete, bei den massiven russischen Luftschlägen Verluste einstecken
mussten, geben sich Kommandanten, wie jener von„Fatah Halab“ (Eroberung
Aleppos), einer Allianz von 31 Rebellenfraktionen, zuversichtlich. Sie
fühlen sich gestärkt durch die in den vergangenen Tagen von
US-Helikoptern abgeworfenen Waffen und Munition. Insbesondere durch die
Tow-Antipanzer-Raketen hätten sie Regierungstruppen zurückschlagen
können.
Ob Putins militärische Entschlossenheit Assad retten kann,
erscheint fraglich. Selbst wenn der Luftkrieg dem Regime wichtige
Geländegewinne ermöglicht, bleibt für Assad ein zentrales Problem
ungelöst: Wie kann er die rückeroberten Gebiete halten, in denen
überwiegend arabische Sunniten leben, die sich nach diesem
Vernichtungskrieg mit mehr als 200.000 Toten weniger denn je mit dem
Regime arrangieren wollen?
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