Sonntag, 19. Juli 2015

Warum die USA Irans “großer Satan” bleiben

Einer Aussöhnung zwischen den beiden Erzfeinden stehen auch nach dem Atom-Deal noch starke Kräfte im Wege – Dennoch gibt es Hoffnung auf Veränderung
 
von Birgit Cerha
 
„Unser Kampf gegen die Weltarroganz (USA) wird niemals enden…. . Er ist das Wesen der (islamischen) Revolution…., unsere wichtigste Aufgabe.“  Eine Abweichung von diesem Kurs sei „ein Sakrileg“. Irans „Geistlicher Führer“ Khamenei wählte „Eid al Fitr“, einen der höchsten islamischen Feiertage zum Ende des Fastenmonats Ramadan, um klarzustellen, dass auch der am 14. Juli in Wien abgeschlossene Atom-Deal mit den Weltmächten an der Erzfeindschaft mit dem „großen Satan“ USA nichts ändern werde: keine Aussöhnung, keine Annäherung, keine Verhandlungen über bilaterale und strategische Fragen. Die iranische Außen- und Regionalpolitik bleibe unverändert. Und ebenso brüllten Anhänger Khameneis und seiner revolutionären Hausmacht  wie seit Jahrzehnten fast jede Woche nach dem Freitagsgebet, „Tod Amerika“.
Khameneis Botschaft unterscheidet sich krass von der Euphorie, mit der Präsident Rouhani und sein Außenminister Zarif das Atomabkommen als „ein Ende und einen Neubeginn“ feierten und damit eine Fortsetzung des Dialogs, ja gar Kooperation mit den USA signalisierten.  Selbst Khamenei hatte vor wenigen Wochen eine Verständigung mit den Amerikanern in anderen Fragen nicht ausgeschlossen, solange diese sich bei der Durchsetzung des Atom-Abkommens korrekt und fair verhielten. Doch dies schloss er nun aus, obwohl wichtige strategische Interessen – allen voran der Kampf gegen die sunnitische Terrormiliz des „Islamischen Staates“  - auch für den schiitischen „Gottesstaat“ eine Kooperation mit der Supermacht dringend erscheinen lassen.
Khamenei fürchtet um den für seine Machtposition entscheidenden Rückhalt der Hardliner in den staatlichen Institutionen. Das Atomabkommen, insbesondere der Dialog mit den USA, versetzte diesen hartgesottenen islamischen Revolutionären eine schwere Niederlage. Khameneis Bekenntnis zum unveränderten Konflikt mit den USA, ungeachtet seiner Unterstützung des Atomabkommens, soll sie beschwichtigen und davon abhalten, seine Stellung als „Geistlicher Führer“  zu gefährden.
Anti-amerikanische Gefühle sitzen tief in den herrschenden revolutionären Kreisen, ganz im Gegensatz zur großen Mehrheit der Bevölkerung, die sich nach einer Aussöhnung mit den Amerikanern sehnt. Seit vier Jahrzehnten ist der Hass auf die USA  ein entscheidender Bestandteil der Identität und Ideologie der „Islamischen Republik“  Anti-Amerikanismus ermöglicht dem Iran einen Führungsanspruch über alle Muslime, Schiiten, wie Sunniten, ist ein zentrales Element seiner Politik in der Region und der Versuche , die islamische Revolution in andere Länder zu exportieren.
Die Wurzeln dieses ursprünglich auch unter iranischen Nationalisten, Linken und liberalen Demokraten verbreiteten Hasses auf die USA gehen zurück auf die 1950er Jahre, als der US-Geheimdienst CIA den demokratisch gewählten Präsidenten Mossadegh stürzte, um die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie rückgängig zu machen, Reza Pahlevi aus dem Exil zurück auf den Thron holte und 26 Jahre lang sein despotische Regime stützte. 1963 hatte Revolutionsführer Khomeini den Schah als „Lakaien der Amerikaner“ gebrandmarkt und nach seiner Machtübernahme 1979 den Anti-Amerikanismus institutionalisiert und den Begriff „Großer Satan“ geprägt. Den allwöchentlich und bei Großkundgebungen radikaler Kräfte skandierten Ruf „Tod Amerika“  allerdings wollte Khomeini in den späten 1980er Jahre abschaffen. Es gelang ihm jedoch nicht.
Eine fast vier Jahrzehnte am Leben erhaltene Ideologie „kann nicht über Nacht verschwinden“, meint  Sadeq  Zibakalam in einem Interview mit der „Voice of America“.  Und ungeachtet Khameneis feindseligen Worten, ist der Politologieprofessor davon überzeugt, dass das Atomabkommen einen Wendepunkt im Iran darstellt. Es sei „der Anfang vom Ende des Anti-Amerikanismus“.  Und ein anderer Iran-Experte, der in den USA lebende Politikwissenschaftler Vali Nasr, ist davon überzeugt, dass es bei der Durchsetzung des Atomabkommens nun vor allem um die Gestaltung der Zukunft des Irans gehen werde.

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