Saudi-Arabien leitet grundlegende Neuorientierung seiner
Außenpolitik mit dem Ziel einer langfristigen Konfrontation mit Iran ein
von Birgit Cerha
„Das iranische Regime ist wie ein Monster, das an einen Baum
gebunden war und nun in unserer Region freigesetzt wurde.“ Der
prominente arabische Journalist Abdulrahman al Rashid scheut in der
größten arabischen Tageszeitung „Asharq el Awsat“ nicht vor den
schärfsten Worten zurück, wenn er vor einem politisch und ökonomisch
aufstrebenden Iran als Folge des Atomabkommens mit den Weltmächten
warnt. Verbale Versprechen der Amerikaner, iranische Beteuerungen des
guten Willens überzeugten die Region nicht.
Die Golfstaaten hätten nur eine einzige Wahl: „das Schlimmste zu erwarten“. Und Rashid drängt die Herrscher der Region, ihre „militärischen Kapazitäten zu erneuern“.
Die Golfstaaten hätten nur eine einzige Wahl: „das Schlimmste zu erwarten“. Und Rashid drängt die Herrscher der Region, ihre „militärischen Kapazitäten zu erneuern“.
Auch den USA dürfte längst klar sein, welch gigantische
Herausforderung es für sie bedeute, nicht nur Israel, sondern auch die
wichtigsten arabischen Führer zur Unterstützung dieses historischen
Abkommens zu gewinnen. US-Verteidigungsminister Carter reiste zu diesem
Zweck in die Region, Außenminister Kerry wird ihm demnächst folgen und
stellte gegenüber „Asharq el Awsat bereits klar, dass die USA gemeinsam
mit den Golfstaaten Irans Einfluss in der Region zurückdrängen wollten.
Doch das Misstrauen auch gegenüber Washington sitzt tief, allen
voran in Saudi-Arabien, wo der König das Abkommen mit Schweigen
quittierte. Die Golfstaaten sind in dieser Frage gespalten. Auch Bahrain
und Kuwait teilen die Ablehnung Saudi-Arabiens, in den Vereinigten
Arabischen Emiraten und Katar überwiegt allerdings die Hoffnung auf
ökonomische Profite. Nur Oman, das seit 2011 wichtige geheime
Vermittlungsgespräche mit Teheran führte, zeigt ungeteilte Freude.
35 Jahre lang war die Feindschaft zwischen den USA und dem Iran das
bestimmende Prinzip im strategischen Denken und Planen der Ölmonarchien
am Golf, die sich in den militärischen Schutzmantel der Supermacht
einhüllten. Dieses strategische Prinzip bestimmte das politische und
militärische Kräfteverhältnis zwischen dem Iran und seinen Verbündeten
auf der einen, sowie den vom Westen unterstützten Gruppen auf der
anderen Seite am Golf, vor allem aber in Syrien, im Irak, im Libanon
und in den Palästinensergebieten. Wird nun – so fragen sich führende
Kreise in der Region - eine sich allmählich entwickelnde
amerikanisch-iranische Kooperation diese grundlegenden strategischen
Grundsätze völlig umstoßen? Vor allem Saudi-Arabien erscheint die seit
Jahrzehnten selbstverständliche amerikanische Solidarität zunehmend
fragwürdig. Hatte US-Präsident Obama nicht 2011 Ägyptens Präsidenten
Mubarak, ungeachtet des intensiven und langanhaltenden Bündnisses,
einfach fallen gelassen!
Die Angst der arabischen Golfmonarchen vor iranischem
Hegemoniestreben ist so alt wie die Ölmonarchien selbst. Sie reicht
zurück in die Zeit des von den USA gestützten Schah Reza Pahlevis.
Dementsprechend herrscht am Golf die Überzeugung,, der Wunsch der
„Islamischen Republik“ die Region zur Stärkung ihrer eigenen Macht zu
destabilisieren sei Teil einer langfristigen Strategie, an der Teheran
unverändert festhalte. Hinzu kommen die Ängste insbesondere des
saudischen Königshauses, vor der revolutionären, antimonarchistischen
Ideologie des „Gottesstaates“, der nach seiner Gründung offen zum Sturz
der Erbmonarchien am Golf aufgerufen hatte.
Gleich nach seinem Amtsantritt im Januar begann Saudi-Arabiens
König Salman die Weichen für eine grundlegende Richtungsänderung der
Außenpolitik zu stellen. Der angesehene saudische Journalist Jamal
Kashoggi spricht von der „Salman Doktrin“. Nicht länger gelten die USA
und Europa als die zentralen Schutzmächte seines Ölreiches. Systematisch
versucht er, Russland und China als Schutzmächte zu gewinnen, in der
Hoffnung auf militärische Unterstützung im Gegenzug zu Öllieferungen,
und Investitionen. „Nach vier Jahrzehnten haben wir endlich die
Bedeutung begriffen, die andere Weltmächte als die USA besitzen“,
erläutert ein saudischer Militärsprecher. “Das ist der Schlüssel zu
einem Ende der vom Iran geschürten Konflikte in der Region.“ Und
zugleich bemüht sich Salman eine sunnitische Koalition gegen Irans
regionale Verbündete (Schiiten im Irak, die libanesische Hisbollah in
Syrien die Houthis im Jemen, etc) für eine langfristige Konfrontation
mit dem Iran aufzubauen.
Und Riad versäumt keine Zeit, um insbesondere die militärischen
Positionen seiner Schützlinge in der Region entscheidend zu verbessern
bis nach Aufhebung der internationalen Sanktionen mehr als hundert
Milliarden Dollar in den Iran fließen und – davon sind die Saudis
überzeugt – Teheran seine militanten Schützlinge im Jemen, im Irak, in
Syrien, im Libanon und unter den Palästinensern massiv stärkt. Erste
Priorität in dieser neuen Strategie hat der Jemen, wo Riad nun nach
langem Zögern eine Bodenoffensive vorbereitet, um die von Teheran
unterstützten Houthi-Rebellen endgültig vernichtend zu schlagen. Danach –
so die Strategie - wollen die Saudis in Koordination mit der Türkei und
Katar offenbar ein aktives Militärengagement gegen Diktator Assad und
den dominierenden Einfluss des Irans wagen, der nach Schätzungen das
Assad-Regime mit rund 7000 Soldaten und Milliarden von Dollar jährlich
unterstützt. Auch in den Palästinensergebieten arbeitet Salman darauf
hin, Irans Einfluss zurückzudrängen. Vor wenigen Tagen empfing er den
Chef der islamistischen Hamas und langjährigen engen Verbündeten
Teherans, Maschal.
Wichtigster Verbündeter in dieser neuen saudischen Stratgie ist
Pakistan, der einzige islamische Atomstaat. Seit den 1970er Jahren hilft
Riad den Pakistani großzügig beim Aufbau ihres Atomarsenals. Pakistans
Premier Nawaz Sharif war einer der ersten Regierungschefs, die Salman
bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Februar nach Riad zu einem
Besuch einlud, den die pakistanische Presse in Zusammenhang mit der
neuen „strategischen Kooperation“ gegen den Iran wertete. Im Vorjahr
hatte Riad den Pakistani eine Subvention in Höhe von 1,5 Mrd. Dollar zur
Stärkung des gemeinsamen strategischen Paktes gewährt, der auch die
„nukleare Dimension“ miteinschließt.
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