Donnerstag, 23. Juli 2015

Atom-Deal heizt Rivalitätskampf am Persischen Golf an

Saudi-Arabien leitet grundlegende Neuorientierung seiner Außenpolitik mit dem Ziel einer langfristigen Konfrontation mit Iran ein
 von Birgit Cerha

„Das iranische Regime ist wie ein Monster, das an einen Baum gebunden war und nun in unserer Region freigesetzt wurde.“  Der prominente arabische Journalist Abdulrahman al Rashid scheut in der größten arabischen Tageszeitung „Asharq el Awsat“ nicht vor den schärfsten Worten zurück, wenn er  vor einem politisch und ökonomisch  aufstrebenden Iran als Folge des Atomabkommens mit den Weltmächten warnt. Verbale Versprechen der Amerikaner, iranische Beteuerungen des guten Willens überzeugten die Region nicht.
Die Golfstaaten hätten nur eine einzige Wahl: „das Schlimmste zu erwarten“. Und Rashid drängt die Herrscher der Region, ihre „militärischen Kapazitäten zu erneuern“.
Auch den USA dürfte längst klar sein, welch gigantische Herausforderung es für sie bedeute, nicht nur Israel, sondern auch die wichtigsten arabischen Führer zur Unterstützung dieses historischen Abkommens zu gewinnen.  US-Verteidigungsminister Carter reiste zu diesem Zweck in die Region, Außenminister Kerry wird ihm demnächst folgen und stellte gegenüber „Asharq el Awsat bereits klar, dass die USA gemeinsam mit den Golfstaaten Irans Einfluss in der Region zurückdrängen wollten.
Doch das Misstrauen auch gegenüber Washington sitzt tief, allen voran in Saudi-Arabien, wo der König das Abkommen mit Schweigen quittierte. Die Golfstaaten sind in dieser Frage gespalten. Auch Bahrain und Kuwait teilen die Ablehnung Saudi-Arabiens, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar überwiegt allerdings die Hoffnung auf ökonomische Profite. Nur Oman, das seit 2011 wichtige geheime Vermittlungsgespräche mit Teheran führte, zeigt ungeteilte Freude.
35 Jahre lang war die Feindschaft zwischen den USA und dem Iran das bestimmende Prinzip im strategischen Denken und Planen der Ölmonarchien am Golf, die sich in den militärischen Schutzmantel der Supermacht einhüllten. Dieses strategische Prinzip bestimmte das politische und militärische Kräfteverhältnis zwischen dem Iran und seinen Verbündeten auf der einen, sowie den vom Westen unterstützten Gruppen auf der anderen Seite  am Golf, vor allem aber in Syrien, im Irak, im Libanon und in den Palästinensergebieten. Wird nun – so fragen sich führende Kreise in der Region - eine sich allmählich entwickelnde amerikanisch-iranische Kooperation diese grundlegenden strategischen Grundsätze völlig umstoßen? Vor allem Saudi-Arabien erscheint die seit Jahrzehnten selbstverständliche amerikanische Solidarität zunehmend fragwürdig. Hatte US-Präsident Obama nicht 2011 Ägyptens Präsidenten Mubarak, ungeachtet des intensiven und langanhaltenden Bündnisses, einfach fallen gelassen!
Die Angst der arabischen Golfmonarchen vor iranischem Hegemoniestreben ist so alt wie die Ölmonarchien selbst. Sie reicht zurück in die Zeit des von den USA gestützten Schah Reza Pahlevis. Dementsprechend herrscht am Golf die Überzeugung,, der Wunsch der „Islamischen Republik“ die Region zur Stärkung ihrer eigenen Macht zu destabilisieren sei Teil einer langfristigen Strategie, an der Teheran unverändert festhalte. Hinzu kommen die Ängste  insbesondere des saudischen Königshauses, vor der revolutionären, antimonarchistischen  Ideologie des „Gottesstaates“, der nach seiner Gründung offen zum Sturz der Erbmonarchien am Golf aufgerufen hatte.
Gleich nach seinem Amtsantritt im Januar begann Saudi-Arabiens König Salman die Weichen für eine grundlegende Richtungsänderung der Außenpolitik zu stellen. Der angesehene saudische Journalist Jamal Kashoggi spricht von der „Salman Doktrin“.  Nicht länger gelten die USA und Europa als die zentralen Schutzmächte seines Ölreiches. Systematisch versucht er,  Russland und China als Schutzmächte zu gewinnen, in der Hoffnung auf militärische Unterstützung im Gegenzug zu Öllieferungen, und Investitionen. „Nach vier Jahrzehnten haben wir endlich die Bedeutung begriffen, die andere Weltmächte als die USA besitzen“, erläutert ein saudischer Militärsprecher. “Das ist der Schlüssel zu einem Ende der vom Iran geschürten Konflikte in der Region.“ Und zugleich bemüht sich Salman eine sunnitische Koalition gegen Irans regionale Verbündete (Schiiten im Irak, die libanesische Hisbollah in Syrien die Houthis im Jemen, etc) für eine langfristige Konfrontation mit dem Iran aufzubauen.
Und Riad versäumt keine Zeit, um insbesondere  die militärischen Positionen seiner Schützlinge in der Region entscheidend zu verbessern bis nach Aufhebung der internationalen Sanktionen mehr als hundert Milliarden Dollar in den Iran fließen und – davon sind die Saudis überzeugt – Teheran seine militanten Schützlinge im Jemen, im Irak, in Syrien, im Libanon und unter den Palästinensern massiv stärkt. Erste Priorität in dieser neuen Strategie hat der Jemen, wo Riad nun nach langem Zögern eine Bodenoffensive vorbereitet, um die von Teheran unterstützten Houthi-Rebellen endgültig vernichtend zu schlagen. Danach – so die Strategie - wollen die Saudis in Koordination mit der Türkei und Katar offenbar ein aktives Militärengagement gegen Diktator Assad und den dominierenden Einfluss des Irans wagen, der nach Schätzungen das Assad-Regime mit rund 7000 Soldaten und Milliarden von Dollar jährlich unterstützt.  Auch in den Palästinensergebieten arbeitet Salman darauf hin, Irans Einfluss zurückzudrängen. Vor wenigen Tagen empfing er den Chef der islamistischen Hamas und langjährigen engen Verbündeten Teherans, Maschal.
Wichtigster Verbündeter in dieser neuen saudischen Stratgie ist Pakistan, der einzige islamische Atomstaat. Seit den 1970er Jahren hilft Riad den Pakistani großzügig beim Aufbau ihres Atomarsenals.  Pakistans Premier Nawaz Sharif war einer der ersten Regierungschefs, die Salman bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Februar nach Riad zu einem Besuch einlud, den die pakistanische Presse in Zusammenhang mit der neuen „strategischen Kooperation“ gegen den Iran wertete. Im Vorjahr hatte Riad den Pakistani eine Subvention in Höhe von 1,5 Mrd. Dollar zur Stärkung des gemeinsamen strategischen Paktes gewährt, der auch die „nukleare Dimension“ miteinschließt.

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