Mittwoch, 8. Juli 2015

Die Knackpunkte eines Atomabkommens mit dem Iran

Warum  Ayatollah Khamenei eine Einigung mit den Weltmächten will und dennoch harte Töne anschlägt – Die Machtspiele des „Geistlichen Führers“
 
von Birgit Cerha
 
Der Poker geht weiter. Die dritte Frist zum Abschluss eines Atomabkommens zwischen dem Iran und der Sechsergruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) in kaum mehr als einer Woche läuft Freitag ab. Trotz optimistischer Töne aus der Verhandlungsrunde ist ein Scheitern des 18-monatigen Gesprächsmarathons auch im letzten Moment immer noch möglich. Wichtigste Knackpunkte ist Irans Forderung nach einem Ende der Sanktionen gegen sein Raketenprogramm und des Handelsverbots für konventionelle Waffen. Es ist eine für den Westen politisch und emotional hochbesetzte Problematik, geht es doch dabei um die militärische Unterstützung militanter Gruppen, wie der libanesischen Hisbollah oder der palästinensischen Hamas durch Teheran.                
Mehrere Kompromissvarianten liegen auf dem Tisch. Das iranische Verhandlungsteam  hat wenig Spielraum, denn wie in den USA, können auch im Iran starke politische Kräfte ein Abkommen blockieren. So gilt es nun vor allem eine Version und eine Sprache zu finden, die die Hardliner in Teheran nicht allzu sehr herausfordern.
Das letzte Wort hat der „Geistliche Führer“, Ayatollah Khamenei, der nun einen äußerst heiklen Balanceakt vollführt. Khamenei findet sich nach Ansicht von Karim Sadjapour, dem Iran-Experten der angesehenen „Carnegie Endowment“, in einer äußerst schwierigen Position. Viele Jahre lang hat er den Freitagspredigern den Hass-Slogan „Tod Amerika“ gestattet, der allwöchentlich vor Zehntausenden Menschen in den Moscheen erschallte. Sich nun plötzlich für eine Aussöhnung mit dem „Großen Satan“ zu entscheiden gleicht dem verbalen „Trunk aus dem Giftbecher“, zu dem sich Revolutionsführer Khomeini 1988 entschloss, indem er nach acht Kriegsjahren einem Waffenstillstand mit dem Irak zustimmte.
Starke Motivationen drängen Irans führenden Theokraten zu dieser Kehrtwende. Zunächst waren es vor allem die ökonomischen Aspekte, Hunderte Milliarden von Dollar, die der Iran durch die internationalen Sanktionen verlor, verschärft durch finanzielle Einbußen in Milliardenhöhe aufgrund des niedrigen Ölpreises und weitere Milliarden, um dem wichtigen strategischen Verbünden, dem syrischen Diktator Assad, die bedrohte Macht zu retten. Doch seit einem Jahr, seit die radikal-sunnitische Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS) ihren Siegeszug in Syrien und vor allem im Irak begann, ist für Irans schiitische Führung eine Einigung mit den Weltmächten von entscheidender strategischer Bedeutung geworden. Denn der schiitische „Gottesstaat“ sieht den IS – zurecht - als existentielle Bedrohung. So haben sich in den vergangenen Monaten selbst die Revolutionsgarden, die hartnäckigsten und mächtigsten Hüter der gegen die USA und den Imperialismus gerichteten islamischen Revolutionsideologie, für ein Atomabkommen ausgesprochen. Es ist die „Quds-Einheit“ der Garden, die schon seit vielen Monaten vor allem im Irak, aber auch in Syrien direkt den IS bekämpfen. Die USA in dieser bedrohlichen Auseinandersetzung auf seiner Seite zu wissen, ist für den Iran von entscheidender Bedeutung. Ein Scheitern der Atomverhandlungen würde jede taktische Kooperation blockieren.
So hat sich Khamenei nach den Worten eines iranischen Intellektuellen zum „Schutzengel“ des iranischen Verhandlungsteams gemausert, hat schon vor eineinhalb Jahren jegliche offene Kritik an den Verhandlungsführern, die jedes Zugeständnis mit ihm absprechen müssen, strikt verboten. Doch je näher eine Einigung rückt, desto mehr wagen die Hardliner, die wichtige staatliche Institutionen und vor allem auch das Parlament dominieren, unverblümte Attacken. Zuletzt forderte der Abgeordnete Hamid Rasaei ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Rouhani , da er Khameneis „rote Linien“ überschritten hätte. Und Khameneis enger Vertrauter, Chefredakteur der radikalen Tageszeitung Kayhan befürchtet, der Atom-Abkommensentwurf werde dem Iran „irreparablen Schaden“ zufügen. Nur ein „gutes Abkommen“ sei akzeptable, betonen auch andere einflußreiche Hardliner und meinen damit die internationale Anerkennung des national-iranischen Rechts auf Atomenergie und damit auch der atomaren Waffenproduktion – eine Forderung, die jeglicher Einigung mit den Sechsermächten im Wege stünde.
Diese Hardliner, die keinerlei Interesse an einer Aussöhnung mit den USA und Europa hegen, muss Khamenei beschwichtigen, will er verhindern, dass eine Einigung im letzten Moment an inner-iranischem Widerstand scheitert. Deshalb distanzierte er sich in den vergangenen Wochen und Monaten wiederholt offen von diversen Zugeständnissen, die Rouhani und Außenminister Zarif in Wien anboten, während er zugleich im Hintergrund die Strategie seines Verhandlungsteams billigte. Seine Macht, die sich entscheidend auf starke Gruppen von Hardlinern stützt, ist Khamenei nicht bereit selbst für das strategisch und politisch so schicksalhafte Atomabkommen aufs Spiel zu setzen. Deshalb übernimmt er nach außen hin auch keine direkte Verantwortung für die Verhandlungen. Ob er schließlich, sobald eine Einigung erzielt ist, diese billigt, oder die letzte Entscheidung dem auch von zahlreichen Hardlinern besetzten Höchsten Nationalen Sicherheitsrat oder dem Parlament überlässt, um sich selbst keiner Kritik auszusetzen, ist vorerst offen.

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