Warum die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ einer starken
internationalen, militärisch weit überlegenen Allianz zu trotzen vermag
von Birgit Cerha
Spärliche Berichte über eine unfassbare Terrorherrschaft dringen an
die Weltöffentlichkeit, ein Jahr nachdem die Terrormiliz des
„Islamischen Staates“ (IS) Mosul binnen nur weniger Stunden unter ihre
Kontrolle gebracht hatte. Die jüngsten Zeugnisse der
Schreckensherrschaft, die der selbsternannte „Kalif“, Abu Bakr al
Baghdadi vor einem Jahr errichtete, stammen von geheimen, von der
britischen BBC exklusiv verbreiteten Videoaufnahmen aus Iraks
zweitgrößter, einst von fast drei Millionen Menschen bewohnten Stadt.
Von einem Leben in permanenter Angst vor brutaler Strafe wegen Verstößen gegen die extreme Interpretation des Islamischen Rechts durch den IS ist die Rede, insbesondere gegen Frauen gerichtet. Die Häuser ethnischer und religiöse Minderheiten wurden „konfisziert“. Von Minderheiten bewohnte Stadtviertel stehen menschenleer. Zahlreiche Moscheen und Grabmäler wurden zerstört. Den Foltergefängnissen des IS Entkommene berichten von unvorstellbaren Gräueltaten. Innerhalb von einem Jahr hat sich das Leben in der einst von Toleranz geprägten Stadt radikal gewandelt Viele Schulen sind geschlossen, die Bautätigkeit ist vollends erlahmt, es fehlt an Treibstoff und Müllhaufen bedecken Straßen und Gehwege. Die Armen bleiben der „Gnade Gottes“ überlassen, während jene, die Geld besitzen, ein Viertel ihres Einkommens an den IS abliefern müssen. Zunehmend eifrig baut der IS in Erwartung einer Offensive durch die Regierungstruppen einen Verteidigungsring – mit Tunnels, Barrikaden, Minenfeldern - um die Stadt.
Von einem Leben in permanenter Angst vor brutaler Strafe wegen Verstößen gegen die extreme Interpretation des Islamischen Rechts durch den IS ist die Rede, insbesondere gegen Frauen gerichtet. Die Häuser ethnischer und religiöse Minderheiten wurden „konfisziert“. Von Minderheiten bewohnte Stadtviertel stehen menschenleer. Zahlreiche Moscheen und Grabmäler wurden zerstört. Den Foltergefängnissen des IS Entkommene berichten von unvorstellbaren Gräueltaten. Innerhalb von einem Jahr hat sich das Leben in der einst von Toleranz geprägten Stadt radikal gewandelt Viele Schulen sind geschlossen, die Bautätigkeit ist vollends erlahmt, es fehlt an Treibstoff und Müllhaufen bedecken Straßen und Gehwege. Die Armen bleiben der „Gnade Gottes“ überlassen, während jene, die Geld besitzen, ein Viertel ihres Einkommens an den IS abliefern müssen. Zunehmend eifrig baut der IS in Erwartung einer Offensive durch die Regierungstruppen einen Verteidigungsring – mit Tunnels, Barrikaden, Minenfeldern - um die Stadt.
Mit dem Fall von Mosul begann vor einem Jahr ein rasanter Siegeszug
des IS im Nord-Irak, der Hunderttausende Menschen in die Flucht trieb
und die Kurdenstadt Erbil – Lange eine Oase der Ruhe im turbulenten
Zweistromland – ebenso bedrohte, wie sogar die Hauptstadt Bagdad.
Fassungslos und ohnmächtig beobachteten die USA, wie die von ihnen mit
25 Mrd. Dollar seit 2003 aufgebauten und trainierten irakischen
Streitkräfte kampflos vor den hochmotivierten IS-Terroristen flüchteten.
Ein Jahr später steht der Irak mit 2.9 Millionen Flüchtlingen vor
der größten humanitären Katastrophe seiner jüngeren, von Kriegen
gequälten Geschichte und der IS breitet seine Fangarme gnadenlos immer
weiter auf irakischem und syrischem Territorium aus. Dabei hätte die von
der Supermacht USA gebildete Koalition aus 20 Staaten, die seit rund
neun Monaten dem IS durch Luftschläge zu stoppen sucht, starke
Voraussetzung für einen militärischen Erfolg: Vollständige Lufthoheit –
der Feind besitzt keine Luftwaffe und keine nennenswerte Luftabwehr.
Zugleich kann sich die Allianz im Irak auf zahlreiche Akteure auf dem
Boden (die Regierungsstreitkräfte, die kurdischen Peschmerga und diverse
pro-iranische Schiitenmilizen) stützen. Dennoch erzielte die Koalition
nur kleine Siege, wie jüngst die Erboberung der fast total zerstörten
Sunnitenstadt Tikrit und Geländegewinne der Peschmerga in der Region von
Sindschar. Haupterfolg der Koalition ist nicht die Befreiung von
Dörfern und Städten aus den Fängen des IS, sondern die Abwehr der
Bedrohung wichtiger neuer Eroberungen, allen voran Erbils und Bagdads,
die heute sicher erscheinen.
Obwohl der IS so manches besetzte Gebiet wieder räumen musste und
Tausende Kämpfer verlor, konnte er sich bis heute die Fähigkeit und die
Motivation zur Eröffnung neuer Fronten und blutiger Kämpfe gegen den
Feind erhalten. Niemand spricht heute mehr von einem baldigen
Zusammenbruch der Terrormiliz., Militärexperten führen den Erfolg des IS
auf dessen eindeutige Überlegenheit im Bereich der Aufklärung,
Überraschungsaktionen oft kleiner, höchst brutal agierenden IS-Einheiten
und enorme strategische Flexibilität zurück. Ein wichtiger Grund für
den anhaltenden Erfolg ist auch die uneingeschränkte Fähigkeit der
Miliz, immer neue Kämpfer zu rekrutieren.
Iraks schiitischer Premier Abadi sieht die Hauptschuld der
Katastrophe, die sein Land endgültig zu zerreißen droht, in der
Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft. Bis vor kurzem, so
erklärte Abadi jüngst, seien sechs von zehn IS-Kämpfer Iraker gewesen,
nun habe sich die Relation zugunsten von Ausländern verschoben. Das sei
„ein Versagen der ganzen Welt. Der IS bildet eine neue Generation von
hochmotivierten und ideologisierten Kämpfern heran.“
Militärexperten sind sich einig, dass der Luftkrieg gegen die
Terrormiliz ohne intensiven Einsatz schlagkräftiger Bodentruppen
scheitern muss. Der Fall der Provinzhauptstadt Ramadi gilt als jüngster
Beweis für diese These. Die Regierungstruppen sind erschöpft,
demotiviert und nach unzähligen Niederlagen zutiefst frustriert.
US-Präsident Obama gestand eben ein, dass er bis heute „keine
vollständige Strategie“ für den Aufbau einer schlagkräftigen irakischen
Streitkraft gegen den IS entwickeln konnte. Dennoch fließt Kriegsgerät
im Wert von 1,6 Mrd. Dollar zu den Regierungstruppen und drei neue
Divisionen werden von Amerikanern ausgebildet. Aber Militärexperten
halten eine schlagkräftige irakische Nnationalarmee, die fähig und
entschlossen ist, Territorium zurückzuerobern und auch zu halten für
einen „fernen Traum“.
Der ehemalige US-Botschafter im Irak, Ryan Crocker spricht offen
von seiner Sorge, dass die USA den Krieg gegen den IS verlieren könnten.
Die Gewalt werde noch viel schlimmer, bevor sich die Situation
irgendwann verbessert.
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