Sonntag, 17. Mai 2015

Sisis Rachejustiz

von Birgit Cerha

Das Todesurteil gegen den ersten freigewählten Präsidenten verheißt Ägypten nichts Gutes. Mursis politisches Ende hätte auch auf rechtstaatlichem Wege durch ein Amtsenthebungsverfahren besiegelt werden können, hatte sich der Moslembruder doch krassen Machtmissbrauchs schuldig gemacht. Doch Ägyptens neuer Pharao Sisi strebt nach Rache und totaler Vernichtung der Moslembruderschaft, die dem alten System gefährlich wurde wie keine andere Kraft am Nil. Massive Repression aber wird diese Bewegung nicht zerstören, ganz im Gegenteil. Sie wird sie in neuer, weit radikalerer Form zum Leben erwecken – und dies insbesondere dann, wenn Mursi tatsächlich exekutiert wird. Durch Todesurteile und Repression verliert Gewaltlosigkeit im politischen Ringen, zu der sich die Moslembrüder seit Jahrzehnten bekannten, jegliche Attraktivität. Was, fragen sich Demokratieaktivisten in der Region, außer neuer Repression habe ihnen das friedliche Engagement gebracht? Etwa 20 Prozent der Ägypter sympathisieren mit der Moslembruderschaft. Dauerhaft die gesamte religiöse Rechte als Terroristen zu brandmarken und sie auszuschließen, wird gerade jenen Terrorismus produzieren, den Sisi so energisch verhindern will. Mit dieser Haltung hat er ein Klima des Hasses und der beiderseitigen Existenzängste geschaffen, das den einzig zu echter Stabilität führenden Versöhnungsprozess für lange unmöglich macht.
 

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