Unter Izzat Ibrahim Al-Douris Führung schlossen die
Baath-Offiziere Saddam Husseins eine bis heute kaum besiegbare
taktische Allianz mit der islamistischen Terrormiliz im Irak
von Birgit Cerha
Sie nannten ihn wegen seiner Haarfarbe und dem buschigen Bart den
„rothaarigen Teufel“. Der laut offiziellen irakischen Quellen Freitag
bei einer Offensive der irakischen Armee in der Nähe der Stadt Tikrit
getötete Izzat Ibrahim Al-Douri war nicht nur der prominenteste und
wichtigste Handlanger des 2006 exekutierten Diktators Saddam Hussein. Er
war bis zu seinem – bisher durch DNA noch nicht bestätigten - Tod einer
der gefürchtetsten Männer des Iraks. Als hoher Offizier und
bedingungslos treuer Stellvertreter Saddams spielte er eine zentrale
Rolle bei den blutigen Repressionen von Kurden, Schiiten und
arabisch-sunnitischen Oppositionellen. Doch seine eigentliche Bedeutung
für das Schicksal des Iraks begann nach dem Sturz der Diktatur 2003 und
dem dramatischen Verlust von Macht und Einfluss der
arabisch-sunnitischen Minderheit, die über Jahrhunderte eine
privilegierte Stellung im Zweistromland genossen hatte.
Als einziger aus dem engsten Führungskreis Saddam Husseins, der
weder getötet noch von den Amerikanern oder den neuen irakischen Führern
festgenommen wurde, erhob sich der Feldmarschall Saddams zum
Drahtzieher einer blutigen Rebellion, die die US-Besatzungsmacht 2011
vorzeitig aus dem Irak vertrieb und den von Schiiten geführten
Herrschern in Bagdad das Regieren unmöglich machte. Zehn Millionen
Dollar hatten die Amerikaner auf seinen Kopf gesetzt, und dennoch gelang
es Douri von seinem syrischen Exil aus einen äußerst effizienten
Widerstand aufzubauen. Er stützte sich dabei auf ein Netz von Getreuen
und Anhängern, das er über Jahrzehnte im Kreise der Sunniten gewoben
hatte: den Nakschbandi-Orden. Nachdem sich Douri zu einer taktischen
Allianz mit den sunnitischen Extremisten des „Islamischen Staates“ (IS)
entschlossen hatte, ermöglichte dieses Netz den Siegeszug der
Terrormiliz im Irak, der im Juni 2014 mit der Eroberung der zweitgrößten
Stadt Mosul begonnen hatte. Dank dieses Netzwerkes schaffte der IS es
seither auch, Mosul und große Teile des eroberten Gebietes im Irak bis
heute zu halten. Damit wirkt Izzat Ibrahims Rolle auch über seinen Tod
hinaus.
Iraks arabische Sunniten sind traditionell weit säkularer
eingestellt als viele ihrer Glaubensbrüder in anderen arabischen
Ländern, sind aber von einem ausgeprägten Hang zum Sufismus geprägt, der
mystischen Erfahrungen größere Bedeutung beimisst als trockenem
Legalismus. Damit unterscheiden sie sich krass von der vom saudischen
Wahhabismus geprägten salafistischen Richtung des sunnitischen Islam,
dem der IS anhängt. Dementsprechend verfolgen die radikalen Salafisten
Sufi auch mit tiefer Abneigung bis zu blutigem Hass.
Unter Douris Einfluss hatte sich der Nakschbandi-Orden während der
Diktatur Saddams aber zu einer mit den Freimaurern vergleichbaren
politischen und ökonomischen Interessensgemeinschaft entwickelt, der
sich auch seit den 1980er Jahren viele Offiziersfamilien und sunnitische
Stammesführer anschlossen. Viele von ihnen hatten durch den Sturz
Saddams und die anschließende diskriminierende Politik der
Schiitenführung in Bagdad ihre Existenz verloren. Starken Zulauf erhielt
die Bewegung, als die US-Besatzungsmacht 2003 die Streit- und
Sicherheitskräfte, sowie die Baath-Partei auflöste und mehr als 400.000
Sunniten, darunter Hunderte hohe Offiziere, mit einem Schlag Arbeit,
Einkommen und Zukunftschancen verloren. Viele von ihnen, wie
insbesondere Soldaten von Saddams Eliteeinheit der „Republikanischen
Garden“, Geheimdienstoffizier und Politiker, schlossen sich der unter
Douris Führung 2007 gegründeten Widerstandsbewegung JRTN (Männer des
Nakschbandi-Ordens) an.
Als der heutige IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi 2010 die durch
erfolgreiche US-Offensiven schwer angeschlagene Terrorgruppe „Al-Kaida
im Irak“ neu aufzubauen begann, versuchte er intensiv arbeitslose
Baath-Offiziere anzuwerben. Viele von ihnen waren, wie Douri, nach
Syrien geflüchtet und die Eroberung von irakisch-syrischen Grenzgebieten
durch den IS ermöglichte ihnen die Rückkehr in den Irak. So entschloss
sich JRTN, ungeachtet der ideologischen Differenzen, den IS als
„nützliche Idioten“ mit dem Ziel zu missbrauchen, die von Schiiten
geführten Regierungsstreitkräfte und Milizen aus den sunnitischen
Gebieten zu verjagen und die Macht in Bagdad zurückzuholen. In Wahrheit,
so fürchten manche irakische Quellen, könnten die Baathisten aber
selbst zu „nützlichen Idioten“ des IS geworden sein.
Die Rückkehr an die Macht schien in greifbare Nähe gerückt, als
JRTN dank ihrer tiefen sozialen und kulturellen Bindungen mit der
sunnitische Bevölkerung IS-Kämpfern im Vorjahr die Eroberung Mosuls
ermöglicht hatte. Viele Sunniten akzeptierten JRTN. In einer seiner
wenigen Audio-Botschaften appellierte Douri im Vorjahr an Sunniten, sich
zur Eroberung Bagdads dem IS anzuschließen.
So entschloss sich JRTN, ungeachtet der gravierenden ideologischen
Differenzen zu einer „taktischen Allianz“ mit dem IS, mit dem Ziel, die
von Schiiten geführten Regierungsstreitkräfte und Milizen aus den
sunnitischen Gebieten zu verjagen und die Regierung in Bagdad zu
stürzen. Rückkehr an die Macht war Douris Hauptziel und es schien in
greifbare Nähe gerückt, als JRTN und andere Baathisten dank ihrer tiefen
sozialen und kulturellen Bindungen mit der sunnitische Bevölkerung
etwa 2.000 IS-Kämpfern im Vorjahr die Eroberung Mosuls ermöglicht
hatten. Viele Sunniten akzeptierten JRTN. In einer seiner wenigen
Audio-Botschaften appellierte Douri im Vorjahr an Sunniten, sich zur
Eroberung Bagdads dem IS anzuschließen.
Der IS profitierte von den kriegsgestählten Baath-Offizieren, die
ihnen komplexe militärische Taktiken beibrachten, ebenso wie den Einsatz
hochentwickelten amerikanischen Kriegsgeräts, das sie von der
irakischen Armee erobert hatten. Wiewohl der IS laut
Augenzeugenberichten in Mosul eine repressive Herrschaft errichtete, die
auffallende Merkmale jener Saddams trägt, kam es wiederholt zu offener
Konfrontation zwischen JRTN und dem IS, dessen grausige Misshandlung
irakischer Minderheiten auch Douri offen verurteilte.
Der Tod von Saddams meistgesuchten Handlanger könnte, so fürchten
manche, den IS in seiner dominierenden Rolle im sunnitischen Widerstand
weiter stärken. Doch Tausende Soldaten und Hunderte Offiziere des alten
Regimes haben entscheidende Vermittlungsmissionen zwischen dem IS und
den sunnitischen Stämmen im Nord- und Ost-Irak übernommen. Ihre Rolle
bleibt ungeschmälert und damit die Bedeutung, sie für eine Zukunft in
einem Irak zu gewinnen, der die Sunniten politisch voll integriert. Doch
dazu sind die Bagdader Führer bis heute nicht bereit.
ende
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