Iran warnt vor Blutvergießen – Droht der Region ein neuer gefährlicher „Stellvertreter-Krieg“?
von Birgit Cerha
Dem
Jemen, Armenhaus der arabischen Welt, zerrissen von lokalen Konflikten,
Zufluchtsort und Brutstätte regionaler und internationaler Jihadis,
Heimat der gefährlichsten Terrororganisation, der „Al-Kaida auf der
Arabischen Halbinsel“ (AKAH), in die nun der rivalisierende „Islamische
Staat“ (IS) blutig eindringt, droht der totale politische Zusammenbruch
und damit eine neue Katastrophe für ein Land, dessen Bevölkerung
mehrheitlich am Rande des Elends dahinvegetiert.
Um
die schiitischen Houthi-Rebellen, die im September 2014 die Hauptstadt
erobert hatten, daran zu hindern, nach der Vertreibung Präsident Hadis
aus Sanaa im Februar die Hafenstadt Aden vollends unter ihre Kontrolle
zu bringen und damit auch das „Tor
der Tränen“ (die jährlich von 20.000 Schiffen befahrene Meerenge, die
den Indischen Ozean mit dem Roten Meer und dem Suez-Kanal verbindet),
stellte Saudi-Arabien eine Allianz sunnitischer Bruderstaaten zusammen,
die die Houthis aus Aden und Sanaa
vertreiben soll. Riad führt die Militäroffensive mit hundert Kampfjets
und 150.000 Soldaten in Bereitschaft. Zunächst geht es darum, die
Houthis ihrer militärischer Kapazitäten zu berauben, insbesondere der in
Sanaa eroberten Raketenarsenale, von denen sich Saudi-Arabien direkt
bedroht fühlt. Es ist ein höchst gefährliches Unterfangen.
Schon
hat der Iran, der die Houthis – wiewohl nur schwach und zögernd –
unterstützt, energisch vor Blutvergießen gewarnt und dringend zu
Friedensgesprächen aufgerufen. Sollte Riad mehr als einen kurzen,
kräftigen Schlag gegen die Rebellen planen, könnte sich Teheran gedrängt
fühlen seine Glaubensbrüder kräftiger als bisher zu unterstützen. Der
Region droht ein neuer, gefährlicher „Stellvertreterkrieg“.
Die
chronische Instabilität des Jemens hatte nach dem Sturz des
langjährigen Präsidenten Saleh 2012 eine neue Dimension erreicht, als es
den im Norden lebenden, kampferprobten Houthis gelang, den von den
Golfstaaten unterstützten Präsidenten zu stürzen und in den sunnitischen Süden vorzudringen. Die Houthis gehören
den Zaiditen an, einer Richtung des Schiismus, zu der sich etwa ein
Drittel der Bevölkerung bekennt. Sie litten jahrzehntelang unter
Diskriminierung durch Sanaa, das auch mehrmals Rebellionen –
mit Hilfe der saudischen Luftwaffe – brutal niederschlug. Ihre jüngsten
militärischen Erfolge verdanken sie Teilen der zu ihnen übergelaufenen
Regierungstruppen, vor allem aber der Unterstützung durch Saleh, der
sich auf diese Weise die Rückkehr an die Macht erhofft.
Die
Golfstaaten sehen die Houthis – keineswegs zurecht - als Handlanger des
Irans in einem intensiven Rivalitätskampf um Vorherrschaft über die
Region. Die Kontrolle seines südlichen Nachbarn, mit dem es eine 1,800
km lange, kaum zu kontrollierende Grenze teilt, durch diese
pro-iranischen Schiiten, erscheint Riad als Alptraum, fühlte sich das
Königreich dann eingekreist durch Verbündete seines Erzrivalen im Irak,
Syrien und Jemen. Selbst wenn bisher der Jemen für den Iran angesichts
seines Militärengagements im Irak und Syrien strategisch weitaus
geringere Bedeutung besitzt, bieten die Erfolge der Houthis dennoch neue
Möglichkeiten zur Ausweitung seines Einflusses.
Riads
Militäroffensive aber birgt enorme Gefahren. Schläge aus der Luft werden
die Houthis nicht besiegen. Zudem riskieren sie zivile Opfer in großer
Zahl, die viele, auch jetzt noch nicht mit AKAH oder IS sympathisierende
Jemeniten in die Arme der Jihadis treiben dürften. Das sich durch den
Krieg ausweitende Chaos wird diesen islamistischen Terroristen ohnedies
einen höchst willkommenen neuen Freiraum verschaffen. Demgegenüber
verblassen die Gefahren vermeintlichen iranischen Expansionismus.
Entscheidet
sich Saudi-Arabien, mit Bodentruppen die Houthis zurück in den Norden
zu jagen, steht ein langer, verlustreicher und keineswegs siegessicherer
Kampf bevor. Denn den Houthis ist der Jemen mit seinen weiten
Wüstengebieten und den bis zu 3000 Meter hohen Bergen vertraut, den
Saudis nicht. Je länger der Kampf andauert, desto mehr droht er die
Regionalstaaten hineinzuziehen und die ganze Region in eine blutige
Katastrophe zu reißen, deren Ende sich nicht absehen lässt.
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