Donnerstag, 26. März 2015

Saudi-Arabien startet Militäroffensive im Jemen

Iran warnt vor Blutvergießen – Droht der Region ein neuer gefährlicher „Stellvertreter-Krieg“?
 
von Birgit Cerha
 
Dem Jemen, Armenhaus der arabischen Welt, zerrissen von lokalen Konflikten, Zufluchtsort und Brutstätte regionaler und internationaler Jihadis, Heimat der gefährlichsten Terrororganisation, der „Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel“ (AKAH), in die nun der rivalisierende „Islamische Staat“ (IS) blutig eindringt, droht der totale politische Zusammenbruch und damit eine neue Katastrophe für ein Land, dessen Bevölkerung mehrheitlich am Rande des Elends dahinvegetiert.
Um die schiitischen Houthi-Rebellen, die im September 2014 die Hauptstadt erobert hatten, daran zu hindern, nach der Vertreibung Präsident Hadis aus Sanaa im Februar die Hafenstadt Aden vollends unter ihre Kontrolle zu bringen und damit auch  das „Tor der Tränen“ (die jährlich von 20.000 Schiffen befahrene Meerenge, die den Indischen Ozean mit dem Roten Meer und dem Suez-Kanal verbindet), stellte Saudi-Arabien eine Allianz sunnitischer Bruderstaaten zusammen, die die  Houthis aus Aden und  Sanaa vertreiben soll. Riad führt die Militäroffensive mit hundert Kampfjets und 150.000 Soldaten in Bereitschaft. Zunächst geht es darum, die Houthis ihrer militärischer Kapazitäten zu berauben, insbesondere der in Sanaa eroberten Raketenarsenale, von denen sich Saudi-Arabien direkt bedroht fühlt. Es ist ein höchst gefährliches Unterfangen.
Schon hat der Iran, der die Houthis – wiewohl nur schwach und zögernd – unterstützt, energisch vor Blutvergießen gewarnt und dringend zu Friedensgesprächen aufgerufen. Sollte Riad mehr als einen kurzen, kräftigen Schlag gegen die Rebellen planen, könnte sich Teheran gedrängt fühlen seine Glaubensbrüder kräftiger als bisher zu unterstützen. Der Region droht ein neuer, gefährlicher „Stellvertreterkrieg“.
Die chronische Instabilität des Jemens hatte nach dem Sturz des langjährigen Präsidenten Saleh 2012 eine neue Dimension erreicht, als es den im Norden lebenden, kampferprobten Houthis gelang, den von den Golfstaaten unterstützten Präsidenten zu stürzen und  in den sunnitischen Süden vorzudringen. Die Houthis  gehören den Zaiditen an, einer Richtung des Schiismus, zu der sich etwa ein Drittel der Bevölkerung bekennt. Sie litten jahrzehntelang unter Diskriminierung durch Sanaa, das auch mehrmals Rebellionen  – mit Hilfe der saudischen Luftwaffe – brutal niederschlug. Ihre jüngsten militärischen Erfolge verdanken sie Teilen der zu ihnen übergelaufenen Regierungstruppen, vor allem aber der Unterstützung durch Saleh, der sich auf diese Weise die Rückkehr an die Macht erhofft.
Die Golfstaaten sehen die Houthis – keineswegs zurecht - als Handlanger des Irans in einem intensiven Rivalitätskampf um Vorherrschaft über die Region. Die Kontrolle seines südlichen Nachbarn, mit dem es eine 1,800 km lange, kaum zu kontrollierende Grenze teilt, durch diese pro-iranischen Schiiten, erscheint Riad als Alptraum, fühlte sich das Königreich dann eingekreist durch Verbündete seines Erzrivalen im Irak, Syrien und Jemen. Selbst wenn bisher der Jemen für den Iran angesichts seines Militärengagements im Irak und Syrien strategisch weitaus geringere Bedeutung besitzt, bieten die Erfolge der Houthis dennoch neue Möglichkeiten zur Ausweitung seines Einflusses.
Riads Militäroffensive aber birgt enorme Gefahren. Schläge aus der Luft werden die Houthis nicht besiegen. Zudem riskieren sie zivile Opfer in großer Zahl, die viele, auch jetzt noch nicht mit AKAH oder IS sympathisierende Jemeniten in die Arme der Jihadis treiben dürften. Das sich durch den Krieg ausweitende Chaos wird diesen islamistischen Terroristen ohnedies einen höchst willkommenen neuen Freiraum verschaffen. Demgegenüber verblassen die Gefahren vermeintlichen iranischen Expansionismus.
Entscheidet sich Saudi-Arabien, mit Bodentruppen die Houthis zurück in den Norden zu jagen, steht ein langer, verlustreicher und keineswegs siegessicherer Kampf bevor. Denn den Houthis ist der Jemen mit seinen weiten Wüstengebieten und den bis zu 3000 Meter hohen Bergen vertraut, den Saudis nicht. Je länger der Kampf andauert, desto mehr droht er die Regionalstaaten hineinzuziehen und die ganze Region in eine blutige Katastrophe zu reißen, deren Ende sich nicht absehen lässt.
 

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