Sonntag, 29. März 2015

Riads Optionen und Risiken im Jemen

Selbst mit Hilfe einer arabischen Allianz ist ein militärischer Sieg über die Houthi-Rebellen kaum möglich – Ein hohes Risiko für Saudi-Arabien

Von Birgit Cerha

Saudi-Arabien gibt sich siegesgewiss. Nach viertägigen heftigen Bombardements – mit einer unbekannten Anzahl von zivilen Opfern – hat das Königreich nach eigenen Aussagen im jemenitischen Nachbarstaat  die Lufthoheit hergestellt. Der Flughafen der Hauptstadt Sanaa ist zerstört, jener der Hafenstadt Aden der Kontrolle durch die feindlichen pro-iranischen Houthi-Rebellen der schiitischen Zaiditen entrissen. Die Arabische Liga ringt sich auf ihrem Gipfel im ägyptischen Sharm el Sheikh zur Gründung einer gemeinsamen arabischen Streitmacht durch, um – so Ägyptens Präsident Al-Sisi –sich gegen die Herausforderungen in der „dunkelsten Stunde in der Geschichte“ der arabischen Welt zu wappnen. Es ist ein großer diplomatischer Erfolg des neuen saudischen Königs, dem es in Windeseile gelungen war, zehn  von sunnitischen Glaubensbrüdern geführte arabische Staaten für eine gemeinsame Militäraktion gegen die Houthis und damit – so wie Riad es darstellt – gegen den iranischen Expansionismus zu gewinnen.
Erst wenn die Houthis wieder in ihr Kerngebiet im Nord-Jemen zurückgedrängt sind und der von ihnen verjagte pro-saudische Präsident Hadi wieder in Sanaa herrscht,  will Riad den Krieg beenden. Es könne ein halbes Jahr dauern, geben saudische Diplomaten zu verstehen. Für Riad steht viel auf dem Spiel. Optionen bieten sich an, um die Konsolidierung der von den Houthis gewaltsam errungenen Macht zu verhindern. Doch die Risiken sind enorm. Die Rückkehr Hadis erscheint vorerst in weiter Ferne. Die Rebellen unter Führung von Abdul Malek al-Houthi zeigen sich zur Konfrontation mit den „kriminellen Truppen und ihre Erfüllungsgehilfen“ entschlossen.
An Rüstungsgütern ist Saudi-Arabien, das in den vergangenen Jahren Waffen für 150 Mrd. Dollar eingekauft hat, der kleinen Miliz haushoch überlegen. Neben dem von Riad geführten Luftkrieg begannen die arabischen Partner Marineoperationen. Sie sollen die freie Schifffahrt in der Meerenge des „Tores der Tränen“ , die den Indischen Ozean mit dem Roten Meer verbindet, garantieren.  Die See-Blockade und die von Riad erzwungene „Flugverbotszone“ sollen die Houthis und die sie militärisch unterstütztenden Anhänger des 2012 gestürzten Präsidenten Salehi von jeglichem Nachschub abschneiden. Dennoch lassen sich die Rebellen ohne militärische Hilfe auf dem Boden oder Einmarsch saudischer Bodentruppen nicht besiegen.
Gegenüber den Houthis besitzen die Saudis aber den großen Vorteil unbegrenzter finanzieller Ressourcen, die sich einsetzen könnten, um Hadi und seine Anhänger im Jemen zu stärken, sowie einflussreiche Stämme auf seine Seite zu ziehen. Doch allzu lange hat Riad  dem militanten Vormarsch der Houthis tatenlos zugesehen. Die traditionell mit Saudi-Arabien sympathisierenden Fraktionen sind empfindlich geschwächt und zersplittert. Eine Invasion saudischer Truppen aber – das hat die Geschichte gelehrt – ist all zu kostspielig an Menschenleben und Finanzen und der Erfolg kaum wahrscheinlich.
Die militärische Stärke der Rebellen lässt sich nur vermuten. Ihre Miliz könnte nach Schätzungen bis zu 100.000 Mann umfassen, die von desertierten Armee-Einheiten unterstützt werden. Auf ihrem Vormarsch der vergangenen Monate haben die Houthis ihr Waffenarsenal durch Eroberungen von Armee-Kasernen beträchtlich aufgestockt. Unklar ist jedoch, ob Abdul Malek seine Bewaffneten voll unter Kontrolle hält. Setzt Riad noch länger seine Luftangriffe mit vielen zivilen Opfern fort, könnten die Houthis allerdings selbst unter sunnitischen Stämmen Rückhalt gewinnen. Im Falle einer Bodenoffensive besitzen sie den Vorteil des ihnen vertrauten und für einen Guerillakrieg hervorragend geeigneten Geländes, sowie lange Erfahrung in dieser Form des Kampfes, die den Saudis völlig fehlt.
Ob Riad vor diesem Hintergrund tatsächlich auf einen militärischen Sieg setzt, ist ohnedies fraglich. Eine Verhandlungslösung, die auch der Erzrivale Iran anstrebt, erscheint das wahrscheinlichere Ziel. Doch davon wollen die Houthis vorerst nichts wissen.

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