Freitag, 23. Januar 2015

Salman Abdulaziz al Saud: der Bewahrer

Saudi-Arabiens neuer König setzt voll auf Kontinuität in turbulenten Zeiten – Reformen der autokratischen Monarchie erscheinen ihm als zu riskant
von Birgit Cerha
Veränderungen haben Saudi-Arabiens reformhungrige Bürger von Salman Abdulaziz al Saud nicht zu erwarten. Der neue König stellte Freitag nur wenige Stunden nach dem Tod seines Vorgängers Abdullah klar, dass Kontinuität und enge Beziehungen zu den USA seine wichtigsten Leitprinzipien sein werden. Mit dem Aufstieg Salmans an die Spitze des Ölreichs setzt das Haus Saud die Gerontokratie fort.
Salman ist mit 79 nur etwa zehn Jahre jünger als Abdullah und seine Gesundheit ist nach einem Schlaganfall angeschlagen. Er kann seinen linken Arm kaum bewegen. Anzeichen von Demenz werden allerdings aus seinem Umkreis heftig dementiert und seine Antrittsrede Freitag ließ auch keine geistige Schwäche erkennen. Schon in den vergangenen Monaten hatte er immer wieder die Funktionen des kränklichen Königs übernommen.
Seit Jahrzehnten steht Salman im Zentrum der Machtstrukturen des Königreiches. Nach dem Tod König Fahds 2005 und der beiden Kronprinzen Sultan und Nayef wurde Salman zum mächtigsten Mitglied der „Sudairi-Sieben“, der Söhne König Abdulaziz ibn Sauds, mit seiner Lieblingsfrau Prinzessin Hassa al-Sudairi. Sie und ihre Nachkommen stellen die stärkste Fraktion in der Königsfamilie. Abdulaziz hatte mehr als 50 Söhne, die nach saudischer Tradition primären Anspruch auf die Nachfolge besitzen.
Salman wurde 1936 in der damals armseligen Wüstenoase Riad geboren, zu einer Zeit, als das „schwarze Gold“ noch im Boden verborgen lag. 1955 zum Gouverneur Riads ernannt, leitete er die Entwicklung der von 200.000 Menschen bewohnten Wüstenstadt in eine moderne, pulsierende Millionen-Metropole mit Wolkenkratzern, Universitäten und  „Fast-Food-Ketten“ westlichen Stils ein.  Dank dieser Tätigkeit, der damit verbundenen engen Kontakte zur internationalen Finanzwelt, konnte er auch sein weltweites Profil entwickeln, eine entscheidende Voraussetzung für die Führung dieses strategisch so wichtigen Königreiches.
In dieser Zeit erwarb er sich den Ruf als äußerst fähiger und energischer Politiker und Manager. Als er 2011 zum Verteidigungsminister berufen wurde, übernahm er nicht nur das mit Petrodollar am großzügigsten ausgestattete Ressort, sondern auch die Verantwortung für Waffenkäufe insbesondere in den USA in Multi-Milliardenhöhe. Mit dem Innenministerium wurde er in einer Zeit betraut, als das Regime nach den Terroranschlägen von 9/11 in den USA und zahlreichen Attentaten im Königreich radikal gegen Al-Kaida Islamisten innerhalb seiner Grenzen vorzugehen begann.
Sein intensiver Kontakt zu den Stämmen des Landes stärkte seinen Rückhalt in der Bevölkerung ebenso wie das Netz von Familienunternehmen – darunter die einflussreiche pan-arabische Tageszeitung „ASharq Al-Awsat“ – das er entscheidend mit aufgebaut hatte.
Salman gilt als tief religiös und seine Bindungen an das mächtige islamische Establishment unter Führung der islamisch-wahhabitischen Gelehrten (Ulema) sollen aus informierten Kreisen enger sein als jene seines Vorgängers, der die Macht der Ulema einzuschränken versucht hatte.  Reformen, Liberalisierungen, wie sie Teile der Bevölkerung intensiv fordern, ist Salman weit weniger zugänglich als Abdullah, wiewohl der dessen Kurs, dessen vorsichtige Lockerungen zweifellos gebilligt hatte. Diese Position begründete er in der Vergangenheit mit der Sorge vor negativen Reaktionen durch der mächtige  konservative Geistlichkeit. 2010 erklärte er in einem Interview: „Wir können keine Demokratie in Saudi-Arabien haben, sonst wäre jeder Stamm eine Partei und wir würden wie der Irak im Chaos enden.“ In Diskussionen mit US-Diplomaten sprach sich Salamn 2007 gegen islamistischen Radikalismus aus, identifizierte jedoch zugleich jüdischen und christlichen Extremismus als Ursache dieser Entwicklung und warnte sogar die USA vor einer Bedrohung durch jüdische und christliche Radikale.
In den 1980er Jahren leitete er in enger Zusammenarbeit mit dem wahhabitischen Establishment  die Sammlung von Unterstützungsgelder für die Mudschaheddin in Afghanistan, sowie später für die muslimischen Kämpfer in Bosnien.
Liberale Kreise, Verfechter der Meinungsfreiheit erwarten von Salman keine Lockerung der in jüngster Zeit zunehmenden Repression, die ihre Ursache in der wachsenden Existenzängste des Hauses Saud angesichts des islamischen Radikalismus in der Region und im eigenen Königreich hat. Salman aber gilt als Pragmatiker, als ein Mann des Konsenses, vor allem auch innerhalb der großen Herrscherfamilie. Sein Alter und sein Gesundheitszustand könnten ihm nur eine kurze Amtszeit bescheren. Die Hoffnung vieler ruht nun auf dem neuen Kronprinzen, seinem mit 69 Jahren relativ jungen Halbbruder Muqrin, dem engsten Vertrauten Abdullahs, dem weit liberalere und reformfreudigere Tendenzen nachgesagt werden.

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