Saudi-Arabiens neuer König setzt voll auf Kontinuität in
turbulenten Zeiten – Reformen der autokratischen Monarchie erscheinen
ihm als zu riskant
von Birgit Cerha
Veränderungen haben Saudi-Arabiens reformhungrige Bürger von Salman
Abdulaziz al Saud nicht zu erwarten. Der neue König stellte Freitag nur
wenige Stunden nach dem Tod seines Vorgängers Abdullah klar, dass
Kontinuität und enge Beziehungen zu den USA seine wichtigsten
Leitprinzipien sein werden. Mit dem Aufstieg Salmans an die Spitze des
Ölreichs setzt das Haus Saud die Gerontokratie fort.
Salman ist mit 79 nur etwa zehn Jahre jünger als Abdullah und seine Gesundheit ist nach einem Schlaganfall angeschlagen. Er kann seinen linken Arm kaum bewegen. Anzeichen von Demenz werden allerdings aus seinem Umkreis heftig dementiert und seine Antrittsrede Freitag ließ auch keine geistige Schwäche erkennen. Schon in den vergangenen Monaten hatte er immer wieder die Funktionen des kränklichen Königs übernommen.
Salman ist mit 79 nur etwa zehn Jahre jünger als Abdullah und seine Gesundheit ist nach einem Schlaganfall angeschlagen. Er kann seinen linken Arm kaum bewegen. Anzeichen von Demenz werden allerdings aus seinem Umkreis heftig dementiert und seine Antrittsrede Freitag ließ auch keine geistige Schwäche erkennen. Schon in den vergangenen Monaten hatte er immer wieder die Funktionen des kränklichen Königs übernommen.
Seit Jahrzehnten steht Salman im Zentrum der Machtstrukturen des
Königreiches. Nach dem Tod König Fahds 2005 und der beiden Kronprinzen
Sultan und Nayef wurde Salman zum mächtigsten Mitglied der
„Sudairi-Sieben“, der Söhne König Abdulaziz ibn Sauds, mit seiner
Lieblingsfrau Prinzessin Hassa al-Sudairi. Sie und ihre Nachkommen
stellen die stärkste Fraktion in der Königsfamilie. Abdulaziz hatte mehr
als 50 Söhne, die nach saudischer Tradition primären Anspruch auf die
Nachfolge besitzen.
Salman wurde 1936 in der damals armseligen Wüstenoase Riad geboren,
zu einer Zeit, als das „schwarze Gold“ noch im Boden verborgen lag.
1955 zum Gouverneur Riads ernannt, leitete er die Entwicklung der von
200.000 Menschen bewohnten Wüstenstadt in eine moderne, pulsierende
Millionen-Metropole mit Wolkenkratzern, Universitäten und
„Fast-Food-Ketten“ westlichen Stils ein. Dank dieser Tätigkeit, der
damit verbundenen engen Kontakte zur internationalen Finanzwelt, konnte
er auch sein weltweites Profil entwickeln, eine entscheidende
Voraussetzung für die Führung dieses strategisch so wichtigen
Königreiches.
In dieser Zeit erwarb er sich den Ruf als äußerst fähiger und
energischer Politiker und Manager. Als er 2011 zum Verteidigungsminister
berufen wurde, übernahm er nicht nur das mit Petrodollar am
großzügigsten ausgestattete Ressort, sondern auch die Verantwortung für
Waffenkäufe insbesondere in den USA in Multi-Milliardenhöhe. Mit dem
Innenministerium wurde er in einer Zeit betraut, als das Regime nach den
Terroranschlägen von 9/11 in den USA und zahlreichen Attentaten im
Königreich radikal gegen Al-Kaida Islamisten innerhalb seiner Grenzen
vorzugehen begann.
Sein intensiver Kontakt zu den Stämmen des Landes stärkte seinen
Rückhalt in der Bevölkerung ebenso wie das Netz von Familienunternehmen –
darunter die einflussreiche pan-arabische Tageszeitung „ASharq
Al-Awsat“ – das er entscheidend mit aufgebaut hatte.
Salman gilt als tief religiös und seine Bindungen an das mächtige
islamische Establishment unter Führung der islamisch-wahhabitischen
Gelehrten (Ulema) sollen aus informierten Kreisen enger sein als jene
seines Vorgängers, der die Macht der Ulema einzuschränken versucht
hatte. Reformen, Liberalisierungen, wie sie Teile der Bevölkerung
intensiv fordern, ist Salman weit weniger zugänglich als Abdullah,
wiewohl der dessen Kurs, dessen vorsichtige Lockerungen zweifellos
gebilligt hatte. Diese Position begründete er in der Vergangenheit mit
der Sorge vor negativen Reaktionen durch der mächtige konservative
Geistlichkeit. 2010 erklärte er in einem Interview: „Wir können keine
Demokratie in Saudi-Arabien haben, sonst wäre jeder Stamm eine Partei
und wir würden wie der Irak im Chaos enden.“ In Diskussionen mit
US-Diplomaten sprach sich Salamn 2007 gegen islamistischen Radikalismus
aus, identifizierte jedoch zugleich jüdischen und christlichen
Extremismus als Ursache dieser Entwicklung und warnte sogar die USA vor
einer Bedrohung durch jüdische und christliche Radikale.
In den 1980er Jahren leitete er in enger Zusammenarbeit mit dem
wahhabitischen Establishment die Sammlung von Unterstützungsgelder für
die Mudschaheddin in Afghanistan, sowie später für die muslimischen
Kämpfer in Bosnien.
Liberale Kreise, Verfechter der Meinungsfreiheit erwarten von
Salman keine Lockerung der in jüngster Zeit zunehmenden Repression, die
ihre Ursache in der wachsenden Existenzängste des Hauses Saud angesichts
des islamischen Radikalismus in der Region und im eigenen Königreich
hat. Salman aber gilt als Pragmatiker, als ein Mann des Konsenses, vor
allem auch innerhalb der großen Herrscherfamilie. Sein Alter und sein
Gesundheitszustand könnten ihm nur eine kurze Amtszeit bescheren. Die
Hoffnung vieler ruht nun auf dem neuen Kronprinzen, seinem mit 69 Jahren
relativ jungen Halbbruder Muqrin, dem engsten Vertrauten Abdullahs, dem
weit liberalere und reformfreudigere Tendenzen nachgesagt werden.
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