Mittwoch, 21. Januar 2015

Der kometenhafte Aufstieg der Houthis im Jemen


Welche Ziele verfolgen die Milizionäre der Zaiditen-Minderheit in Arabiens ärmsten, auseinanderbrechenden Land?

„Alle Optionen stehen offen und ohne Ausnahme….. . Und daher rate ich dem Präsidenten…setze das Abkommen  (vom vergangenen September über eine faire Verteilung der Macht im Jemen) durch. Es ist zu deinem Vorteil und zum Vorteil deines Volkes.“ Mit großem Selbstbewußtsein präsentierte der 33-jährige Abdel Malek al-Houthi über das von seinen Milizionären vergangenen Montag unter Kontrolle genommene staatliche Fernsehen Präsident Hadi seine Bedingungen, während  Houthis Kämpfer Dienstag in die private Residenz Hadis eindrangen.
Ein Staatsputsch einer bis vor wenigen Monaten als lokale Guerillatruppe im Nord-Jemen international nur wenig beachteten Miliz? Nein, von Putsch redet al-Houthi nicht. Der Präsident sei frei, jederzeit seine Residenz zu verlassen.  Die offizielle Verantwortung für die Führung dieses von blutigen Rivalitäten der Stämme, der Religions- und Extremisten und Separatistengruppen, sowie der Anhänger des 2012 gestürzten Diktators Ali Abudllah Saleh zerrissenen, bitterarmen Landes, will Abdel Malek offenbar nicht übernehmen. Zu wahrscheinlich wäre sein Scheitern.  „Nur langsam”, so meint Said Farea al-Muslimi vom „Middle East Center“ des „Think Tanks“ „Carnegie Endowment“.  wollten die Houthis die Kontrolle über den Jemen an sich reißen – “Schock und dann Stop, Schock und dann Stop”.
Wer steckt hinter dieser Bewegung und ihrem kometenhaften Aufstieg zur heute stärksten Kraft im Jemen, die in die Hauptstadt Sanaa und in weiter westlich und südlich gelegene Landesteile vordrang. Was sind ihre Ziele?
Im zarten Alter von 33 führt Abdel Malek einen Aufstand an, der das Regime in Sanaa bis ins Mark erschüttert. Als jüngster von acht Brüdern wuchs Abdel Malek unter der strengen Aufsicht seines Vaters, eines prominenten Theologen der Zaiditen in der nord-jemenitischen Provinz Saada auf. Die Zaiditen, ein Zweig des schiitischen Islams stellen in dem mehrheitlich von Sunniten bewohnten Jemen etwa ein Drittel der Bevölkerung, konzentriert in den Bergen des Nordens. Sie führten bis zu ihrem Niedergang in einem blutigen Krieg  1962 ein tausendjähriges, von ihren Imamen beherrschtes Reich im Nordjemen. Nach dem Untergang des Imamats wurden die Zaiditen politisch an den Rand gedrängt und ökonomisch sträflich vernachlässigt – bis heute.  Abdul Maleks älterer Bruder Hussein gründete die Houthi-Bewegung zur Verteidigung der Rechte der Minderheit und deren religiöser Heiligtümer und wurde 2004 zu Beginn eines Aufstands gegen das Regime Salehs von Regierungstruppen getötet. Der Diktator beschuldigte Houthi, er wolle das Imamat wiederbeleben – ein Verdacht, den viele einflußreiche Sunniten im Jemen nun verstärkt hegen. So übernahm Abdel Malek mit 23 die Bewegung und erwies sich rasch als starker Feldkommandant und schlauer Taktiker.  Bis 2010 machte er den Regierungstruppen in einem entschlossenen Aufstand schwer zu schaffen und verängstigte nicht nur die Zentralregierung in Sanaa, sondern insbesondere auch den saudischen Nachbarn, der fürchtete, das Streben der Houthis nach Achtung ihrer Rechte und religiösen Freiheiten werde auch die in der angrenzenden saudischen Ostregion lebende schiitische Minderheit anstecken. So unterstützte Riad tatkräftig Saleh in einem brutalen Krieg gegen die Houthis und flog selbst mehrmals Luftangriffe. Dörfer wurden zerstört, Tausende Menschen getötet und mehr als Hunderttausend in die Flucht getrieben. Der Krieg endete 2010 mit einem Waffenstillstand, doch das Leid der Houthis nicht.
Erst im „jemenitischen Frühling“ 2011 öffneten sich politisch für die Houthis die Tore nach Sanaa. In ihrem Ringen um politische Repräsentanz in der Zentralregierung und Achtung ihrer Rechte beteiligten sie sich an den monatelangen Demonstrationen demokratischer Kräfte gegen Saleh, die mit dem in einem von den arabischen Golfstaaten vermittelten Abkommen zum Abtritt des Diktators Anfang 2012 endeten, doch der demokratischen Revolution nicht zum Sieg verhalfen. Die alten korrupten Kräfte sitzen immer noch an den Schalthebeln der Macht und der Präsident ist zu schwach, um Reformen durchzusetzen. Frustration, Verzweiflung über die Unfähigkeit, das Land aus einer sozialen Katastrophe zu retten und der himmelschreienden Korruption Einhalt zu gebieten machten sich breit. Abdul Malek nutzte das Machtvakuum, das sich durch den Abtritt Salehs geöffnet hatte und drang zunehmend bis Sanaa vor, wo er auch Sympathie selbst unter der bitter enttäuschten sunnitischen Bevölkerung fand. Insbesondere in der jungen Generation begrüßte man diesen jungen, tatkräftigen Strategen, der es als einziger wagte, die Grundübel des Landes offen auszusprechen.
Doch Abdel Malek strebt nicht nach Demokratie im westlichen Sinne. Er will den Jemen zu einem islamischen Staat führen, freilich mit gleichberechtigtem Einschluss der Minderheiten in das politische System. Er fordert radikale soziale Reformen, um die Not der am Rande des Existenzminimums dahinvegetierenden Bevölkerung zu lindern.  Heftig kritisiert er den engen militärischen Pakt Sanaas mit den Amerikanern und den US-Droneneinsatz gegen Al-Kaida-Ziele, der zunehmend unschuldige Zivilisten trifft. Gleichzeitig liefern sich Al-Kaida Terroristen, die die Houthis als zu tötende Abtrünnige vom Glauben verteufeln, mit den Houthis zunehmend blutige Gefechte.  Wie seine schiitischen Gesinnungsgenossen von der libanesischen Hisbollah oder seine iranische Schutzmacht, sieht Abdel Malek in den USA den Hauptverursacher allen Übels im Mittleren Osten. Darauf lassen auch die Slogans schließen, die seine Milizionäre nach der Eroberung Sanaas im September auf Häuserwände  malten: „Tod Amerika, Tod Israel, Verdammt sind die Juden, Sieg dem Islam“. Doch Vorwürfe, sie erhielten vom Iran intensive Waffenhilfe, weist al-Houthi entschieden zurück und betont zugleich die absolute Unabhängigkeit seiner Bewegung.
Sunnitische Stämme im Jemen, die unterdessen Hilfe bei dem kampferprobten und sehr aktiven Al-Kaida Ableger im Lande suchen, sehen die Houthis dennoch als Handlanger des Irans, eine Entwicklung die vor allem Saudi-Arabien in seinem intensiven Rivalitätsstreit mit der Teheraner Geistlichkeit zutiefst irritiert.

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