„Houthi“-Rebellen setzen „Schritte zu einem Putsch“ – Heftige Kämpfen stürzen Sanaa ins Chaos
von Birgit Cerha
Schwarzer
Rauch hing Montag über dem Regierungsviertel der jemenitischen
Hauptstadt Sanaa, als heftige Kämpfe zwischen der Armee und der
mächtigen Houthi-Miliz „Ansarullah“ vor
dem Präsidentenpalast tobten und das öffentliche Leben zum Stillstand
brachten. Das Gebiet um den Präsidentenpalast ist eines der wenigen in
Sanaa, das noch voll unter Regierungskontrolle stand. Houthi-Kämpfer
besetzten die staatliche Nachrichtenagentur, sowie die Fernsehstation
und Informationsministerin Nadia Sakkaf sieht darin „Schritte zu einem
Putsch“.
Die
schwersten Gefechte in Sanaa seit Monaten drohen den nach dem Sturz von
Präsident Ali Abdullah Saleh 2012 eingeleiteten politischen
Übergangsprozess vollends zum
Stillstand zu bringen und das bitterarme, von Stammesrivalitäten,
Separationsbestrebungen des Südens und verstärkten Aktivitäten der
Al-Kaida-Terroristen zerrissene Land noch tiefer ins Chaos zu stürzen.
Die Spannungen hatten sich Samstag dramatisch verschärft, als militante Houthis Präsident Hadis Generalstabschef Mubarak
entführten. Mubarak ist einer der einflussreichsten Politiker des nach
Autonomie oder gar staatlicher Eigenständigkeit strebenden Süd-Jemen,
mit dem sich der Norden 1990 nach einem blutigen Krieg vereint hatte. Er
führt den nach Diktator Salehs Abtritt begonnenen „nationalen Dialog“,
der Jemens Weg in eine stabile Zukunft ebnen sollte.
Dem
Konflikt zwischen den in der nördlichen Provinz Saada konzentrierten
Houthis und den Kräften um Hadi zugrunde liegt das Streben dieser
Bewegung der Zaiditen, sich die Kontrolle über die Regierung in Sanaa zu
sichern. Die Zaiditen, ein Zweig der Schiiten, stellen etwa 30 Prozent
der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Bevölkerung des Jemens. In einer
völlig überraschenden Aktion hatten die Houthis im September Sanaa
unter ihre Kontrolle gebracht. Ein von der UNO vermitteltes Abkommen
beendete kurz darauf Kämpfe zwischen den Rebellen und Regierungstruppen.
Die
Houthis werfen nun Hadi vor, mit einem Samstag präsentierten
Verfassungsentwurf die Bestimmungen dieses Abkommens, das ihnen starken
Einfluss auf eine neue Regierung und entscheidende Beratungsfunktionen
des Präsidenten zusichert, zu verletzen. Im Gegenzug sollte die Miliz
von ihr eroberte staatliche Institutionen räumen. Doch Hadi zögerte,
diese Bedingungen, die den Zaiditen hinter den Kulissen die Macht im
Staate garantieren würde, zu erfüllen. So
verstärkten die Houthis ihren militärischen Druck, drangen weiter in
den von Sunniten bewohnten Süden vor und eroberten u.a. die strategisch
wichtige Hafenstadt Hudayda am Roten Meer.
Der
Führer des Aufstandes, Abdul-Malek al-Houthi, fordert eine „faire“ und
„integrative Partnerschaft“ mit dem Präsidenten und der mächtigen
sunnitisch-islamistischen „Islah“-Partei,
sowie die Entfernung jener Paragraphen des Verfassungsentwurfes, die
dem UN-Abkommen widersprechen. Dabei geht es um Dezentralisierungspläne,
die den diversen Regionen des Landes autonome
Rechte garantieren sollen. Die Houthis befürchten dadurch ihre durch
Waffengewalt errungene Macht wieder zu verlieren. Ihre Gegner meinen, es
ginge den Zaiditen in Wahrheit darum, ihr tausendjähriges Imamat,
das bis 1962 über den Nord-Jemen geherrscht hatte, wieder zu errichten.
Und stecken dabei im Bund mit ihrem langjährigen Feind Saleh, der durch
seine Anhänger in der Militärführung den Houthis offenbar zu ihren so
überraschenden militärischen Siegen verholfen hatte. Saleh, der bis 2010
einen sechsjährigen brutalen Krieg gegen die um mehr Rechte kämpfenden
Houthis geführt hatte, erstrebt mit Hilfe dieser kampferprobten Rebellen
die Rückkehr an die Macht in Sanaa. Ein Ausweg aus dem Blutvergießen
zeichnet sich nicht ab.
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