Montag, 19. Januar 2015

Jemens Hauptstadt gerät außer Kontrolle

„Houthi“-Rebellen setzen „Schritte zu einem Putsch“ – Heftige Kämpfen stürzen Sanaa ins Chaos
 
von Birgit Cerha
 
Schwarzer Rauch hing Montag über dem Regierungsviertel der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, als heftige Kämpfe zwischen der Armee und der mächtigen Houthi-Miliz „Ansarullah“  vor dem Präsidentenpalast tobten und das öffentliche Leben zum Stillstand brachten. Das Gebiet um den Präsidentenpalast ist eines der wenigen in Sanaa, das noch voll unter Regierungskontrolle stand.  Houthi-Kämpfer besetzten die staatliche Nachrichtenagentur, sowie die Fernsehstation und Informationsministerin Nadia Sakkaf sieht darin „Schritte zu einem Putsch“.
Die schwersten Gefechte in Sanaa seit Monaten drohen den nach dem Sturz von Präsident Ali Abdullah Saleh 2012 eingeleiteten politischen Übergangsprozess  vollends zum Stillstand zu bringen und das bitterarme, von Stammesrivalitäten, Separationsbestrebungen des Südens und verstärkten Aktivitäten der Al-Kaida-Terroristen zerrissene Land noch tiefer ins Chaos zu stürzen.
Die Spannungen hatten sich Samstag dramatisch verschärft, als militante Houthis Präsident Hadis Generalstabschef  Mubarak entführten. Mubarak ist einer der einflussreichsten Politiker des nach Autonomie oder gar staatlicher Eigenständigkeit strebenden Süd-Jemen, mit dem sich der Norden 1990 nach einem blutigen Krieg vereint hatte. Er führt den nach Diktator Salehs Abtritt begonnenen „nationalen Dialog“, der Jemens Weg in eine stabile Zukunft ebnen sollte.
Dem Konflikt zwischen den in der nördlichen Provinz Saada konzentrierten Houthis und den Kräften um Hadi zugrunde liegt das Streben dieser Bewegung der Zaiditen, sich die Kontrolle über die Regierung in Sanaa zu sichern. Die Zaiditen, ein Zweig der Schiiten, stellen etwa 30 Prozent der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Bevölkerung des Jemens. In einer völlig überraschenden Aktion hatten die Houthis im September Sanaa unter ihre Kontrolle gebracht. Ein von der UNO vermitteltes Abkommen beendete kurz darauf Kämpfe zwischen den Rebellen und Regierungstruppen.  
Die Houthis werfen nun Hadi vor, mit einem Samstag präsentierten Verfassungsentwurf die Bestimmungen dieses Abkommens, das ihnen starken Einfluss auf eine neue Regierung und entscheidende Beratungsfunktionen des Präsidenten zusichert, zu verletzen. Im Gegenzug sollte die Miliz von ihr eroberte staatliche Institutionen räumen. Doch Hadi zögerte, diese Bedingungen, die den Zaiditen hinter den Kulissen die Macht im Staate garantieren würde, zu erfüllen.  So verstärkten die Houthis ihren militärischen Druck, drangen weiter in den von Sunniten bewohnten Süden vor und eroberten u.a. die strategisch wichtige Hafenstadt Hudayda am Roten Meer.
Der Führer des Aufstandes, Abdul-Malek al-Houthi, fordert eine „faire“ und „integrative Partnerschaft“ mit dem Präsidenten und der mächtigen sunnitisch-islamistischen  „Islah“-Partei, sowie die Entfernung jener Paragraphen des Verfassungsentwurfes, die dem UN-Abkommen widersprechen. Dabei geht es um Dezentralisierungspläne, die den diversen Regionen des Landes  autonome Rechte garantieren sollen. Die Houthis befürchten dadurch ihre durch Waffengewalt errungene Macht wieder zu verlieren. Ihre Gegner meinen, es ginge den Zaiditen in Wahrheit darum, ihr tausendjähriges  Imamat, das bis 1962 über den Nord-Jemen geherrscht hatte, wieder zu errichten. Und stecken dabei im Bund mit ihrem langjährigen Feind Saleh, der durch seine Anhänger in der Militärführung den Houthis offenbar zu ihren so überraschenden militärischen Siegen verholfen hatte. Saleh, der bis 2010 einen sechsjährigen brutalen Krieg gegen die um mehr Rechte kämpfenden Houthis geführt hatte, erstrebt mit Hilfe dieser kampferprobten Rebellen die Rückkehr an die Macht in Sanaa. Ein Ausweg aus dem Blutvergießen zeichnet sich nicht ab.
 

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