Wie US-Präsident Obama kämpft auch Präsident Rouhani mit hartem
internen Widerstand gegen ein von der Bevölkerung ersehntes Ende des
Atomkonfliktes
von Birgit Cerha
Irans offizielle Medien begannen Sonntag die Bevölkerung auf ein
mögliches Scheitern der Wiener Verhandlungen mit den „5+1“-Ländern (USA,
Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) über ein
Ende des jahrelangen Atomkonflikts vorzubereiten. Nur wenige Stunden vor
Ablauf der Frist für den Abschluss eines internationalen Abkommens von
historischer Dimension schienen die Positionen noch unüberbrückbar. Für
Irans offizielle Medien steht der Schuldige eindeutig fest: „Amerika
trägt die Verantwortung für einen Fehlschlag“, stellt das
Staatsfernsehen klar, während der prominente ultrakonservative
Freitagsprediger Ahmad Jannati Außenminister Zarif und sein
Verhandlungsteam ermahnt: „Habt keine Furcht vor Amerika. Akzeptiert
keine Demütigung.“
Die Berichterstattung in den iranischen Medien über die letzte,
schicksalshafte Verhandlungsrunde in Wien gleicht jene über einer
Fußballweltmeisterschaft, so sehr hatte sich auch die Hoffnung der
Iraner auf einen Ausbruch aus der jahrzehntelangen internationalen
Isolation und der damit einhergehenden Verbesserung ihrer tristen
Lebenssituation durch ein Atom-Abkommen aufgestaut. Schließlich hatte
doch die Mehrheit der Bevölkerung deshalb auch 2013 Rouhani zum
Präsidenten gewählt. Doch die Höhenflüge der Hoffnung sind abgeebbt.
Schon mehren sich Stimmen frustrierter Bürger, die in den anhaltenden
Schwierigkeiten bei den Verhandlungen einen erneuten Beweis dafür sehen,
dass die Welt auch weiterhin die „Islamische Republik“ dämonisieren
werde, gleichgültig, ob sie sich provokativ oder (wie jetzt) versöhnlich
zeige.
Rouhani und Zarif haben ihr politisches Schicksal an die Lösung
dieses Konflikts geknüpft und sie sind sich dafür bis heute der
Unterstützung des „Geistlichen Führers“ Khamenei gewiss. Doch diese
entscheidende Rückendeckung ist nicht vorbehaltlos. Zwar hat Khamenei
erst jüngst wieder dem Verhandlungsteam das volle Vertrauen
ausgesprochen und sich damit erneut hinter die Bemühungen seines
Präsidenten gestellt, die Beziehungen zur westlichen Welt neu zu
orientieren. Die Bedrohung durch die Radikalisierung islamischer
Sunniten unter Führung der mörderischen Miliz des „Islamischen Staates“
gibt für eine Aussöhnung mit dem Erzfeind USA neue Motivation. Immerhin
hatte doch Obama in einem geheimen Brief an Khamenei nach informierten
Kreisen für eine Kooperation im Kampf gegen diese weltweite Terrorgefahr
plädiert. Doch Khamenei lässt keine Zweifel an seinem unverändert
tiefen Misstrauen an den wahren Absichten des „großen Satans“ USA, die
von hegemonialen Ambitionen gegenüber dem Iran bis zu Regimewechsel
reichen.
Ausbruch aus der Isolation, Erholung der durch internationalen
Sanktionen schwer in Mitleidenschaft gezogenen Wirtschaft und damit
Linderung der sozialen Nöte sind Rouhanis Hauptmotivationen, die
Khomeini und die radikalen Fraktionen im „Gottesstaat“ nicht um jeden
Preis teilen. Starke Kräfte, allen voran die Revolutionsgarden, stützen
ihre Macht auf das ideologische Erbe der islamischen Revolution von
1979. Zentrales gemeinsames Prinzip ist die Ablehnung der politischen
Ordnung wie sie vor 1979 bestanden hatte, ein starkes Beharren auf
Souveränität und „nationaler Ehre“ und die unverrückbare
Entschlossenheit, sich nicht den Forderungen „arroganter“, sich in
iranische Angelegenheiten einmischender Mächte zu beugen. Die iranische
Politologin Farideh Farhi erinnert an das „historische Gedächtnis“ der
Iraner, das geprägt ist durch Regierungen, die entweder von Briten,
Russen oder Amerikanern installiert oder gestürzt worden waren. „Der
Iran war niemals Kolonie, also direktes Opfer des Imperialismus. Doch
das Fehlen kolonialer Erfahrung, die Tatsache, dass äußere Mächte ihren
Einfluss weniger sichtbar ausübten“, habe „im politischen Diskurs zu
einer starken Überempfindlichkeit gegenüber politischer Manipulation
durch versteckte Hände“ geführt. Zudem, betont Farhi, habe die
islamische Revolution keine Einheitspartei hervorgebracht, die das Land
ideologisch führe. Konstante politische Machtkämpfe seien die Folge.
So haben sich Rouhani und seine reformorientierten Mitstreiter
gegen die Ultras durchzusetzen, von denen einige, wie vor allem die ein
intensives Schmuggelnetz betreibenden Revolutionsgarden durch eine
Aufhebung der Sanktionen enorme Verluste erleiden würden. Khamenei
hingegen hat es geschafft, sich in jeder Situation als Sieger zu
präsentieren. Scheitern die Verhandlungen, kann er auf seine „mahnende
Voraussicht“ vor den „bösen Absichten“ der Westmächte verweisen. Führen
sie zum Erfolg, wird er an die „heroische Flexibilität“ erinnern, zu der
er Rouhanis gemahnt hatte.
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