Sonntag, 23. November 2014

Irans Ultras: „Akzeptiert keine Demütigung“

Wie US-Präsident Obama kämpft auch Präsident Rouhani  mit hartem internen Widerstand gegen ein von der Bevölkerung ersehntes Ende des Atomkonfliktes
 
von Birgit Cerha
 
Irans offizielle Medien begannen Sonntag die Bevölkerung auf ein mögliches Scheitern der Wiener Verhandlungen mit den „5+1“-Ländern (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) über ein Ende des jahrelangen Atomkonflikts vorzubereiten. Nur wenige Stunden vor Ablauf der Frist für den Abschluss eines internationalen Abkommens von historischer Dimension schienen die Positionen noch unüberbrückbar. Für Irans offizielle Medien steht der Schuldige eindeutig fest: „Amerika trägt die Verantwortung für einen Fehlschlag“, stellt das Staatsfernsehen klar, während der prominente ultrakonservative Freitagsprediger Ahmad Jannati Außenminister Zarif und sein Verhandlungsteam ermahnt: „Habt keine Furcht vor Amerika. Akzeptiert keine Demütigung.“
Die Berichterstattung in den iranischen Medien über die letzte, schicksalshafte Verhandlungsrunde in Wien gleicht jene über einer Fußballweltmeisterschaft, so sehr hatte sich auch die Hoffnung der Iraner auf einen Ausbruch aus der jahrzehntelangen internationalen Isolation und der damit einhergehenden Verbesserung ihrer tristen Lebenssituation durch ein Atom-Abkommen aufgestaut. Schließlich hatte doch die Mehrheit der Bevölkerung deshalb auch 2013 Rouhani zum Präsidenten gewählt. Doch die Höhenflüge der Hoffnung sind abgeebbt. Schon mehren sich Stimmen frustrierter Bürger, die in den anhaltenden Schwierigkeiten bei den Verhandlungen einen erneuten Beweis dafür sehen, dass die Welt auch weiterhin die „Islamische Republik“ dämonisieren werde, gleichgültig, ob sie sich provokativ oder (wie jetzt) versöhnlich zeige.
Rouhani und Zarif haben ihr politisches Schicksal an die Lösung dieses Konflikts geknüpft und sie sind sich dafür bis heute der Unterstützung des „Geistlichen Führers“ Khamenei gewiss. Doch diese entscheidende Rückendeckung ist nicht vorbehaltlos. Zwar hat Khamenei erst jüngst wieder dem Verhandlungsteam das volle Vertrauen ausgesprochen und sich damit erneut hinter die Bemühungen seines Präsidenten gestellt, die Beziehungen zur westlichen Welt neu zu orientieren. Die Bedrohung durch die Radikalisierung islamischer Sunniten unter Führung der mörderischen Miliz des „Islamischen Staates“ gibt für eine Aussöhnung mit dem Erzfeind USA neue Motivation. Immerhin hatte doch Obama in einem geheimen Brief an Khamenei  nach informierten Kreisen für eine Kooperation im Kampf gegen diese weltweite Terrorgefahr plädiert. Doch Khamenei lässt keine Zweifel an seinem unverändert tiefen Misstrauen an den wahren Absichten des „großen Satans“ USA, die von hegemonialen Ambitionen gegenüber dem Iran bis zu Regimewechsel reichen.
Ausbruch aus der Isolation, Erholung der durch internationalen Sanktionen schwer in Mitleidenschaft gezogenen Wirtschaft und damit Linderung der sozialen Nöte sind Rouhanis Hauptmotivationen, die Khomeini und die radikalen Fraktionen im „Gottesstaat“ nicht um jeden Preis teilen. Starke Kräfte, allen voran die Revolutionsgarden, stützen ihre Macht auf das ideologische Erbe der islamischen Revolution von 1979. Zentrales gemeinsames Prinzip ist die Ablehnung der politischen Ordnung wie sie vor 1979 bestanden hatte, ein starkes Beharren auf Souveränität und „nationaler Ehre“ und die unverrückbare Entschlossenheit, sich nicht den Forderungen „arroganter“, sich in iranische Angelegenheiten einmischender Mächte zu beugen. Die iranische Politologin Farideh Farhi erinnert an das „historische Gedächtnis“ der Iraner, das geprägt ist durch Regierungen, die entweder von Briten, Russen oder Amerikanern installiert oder gestürzt worden waren. „Der Iran war niemals Kolonie, also direktes Opfer des Imperialismus. Doch das Fehlen kolonialer Erfahrung, die Tatsache, dass äußere Mächte ihren Einfluss weniger sichtbar ausübten“, habe „im politischen Diskurs zu einer starken Überempfindlichkeit gegenüber politischer Manipulation durch versteckte Hände“  geführt. Zudem, betont Farhi,  habe die islamische Revolution keine Einheitspartei hervorgebracht, die das Land ideologisch führe. Konstante politische Machtkämpfe seien die Folge.
So haben sich Rouhani und seine reformorientierten Mitstreiter gegen die Ultras durchzusetzen, von denen einige, wie vor allem die ein intensives Schmuggelnetz betreibenden  Revolutionsgarden durch eine Aufhebung der Sanktionen  enorme Verluste erleiden würden.  Khamenei hingegen hat es geschafft, sich in jeder Situation als Sieger zu präsentieren. Scheitern die Verhandlungen, kann er auf seine „mahnende Voraussicht“ vor den „bösen Absichten“ der Westmächte verweisen. Führen sie zum Erfolg, wird er an die „heroische Flexibilität“ erinnern, zu der er Rouhanis gemahnt hatte.
 

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