Umfrage
in wichtigen arabischen Staaten zeigt, dass die Terrormiliz des
„Islamischen Staates“ keine Massenbewegung aufbauen kann – Doch die USA
bleiben ungeliebt
von Birgit Cerha
Kann
der vom irakischen Terrorchef Abu Bakr al-Baghdadi am 29. Juni im
syrischen und irakischen Grenzgebiet ausgerufene „Islamischen Staat“
(IS) unterdrückte, frustrierte, von ihren Herrschern und vom
Westen enttäuschte sunnitische Glaubensbrüder der Region auf der Suche
nach einer „gerechteren Welt“ in Massen anziehen? Diese Frage
beschäftigt Politiker und Analysten in besonderem Maße, seit „IS“ trotz
alliierter Luftschläge sein „Reich“ immer mehr vergrößert. Eine vom
„Washington Institute for Near East Policy“ in Auftrag gegebene Umfrage
in drei pro-westlichen arabischen Länder zeigt eine fast vollständige
Ablehnung der Terrororganisation selbst unter der sunnitischen
Bevölkerung.
Die
Umfrage, die erste ihrer Art, wurde von einem in Nahost führenden
Meinungsforschungsinstitut unter in Ägypten, Saudi-Arabien und im
Libanon lebenden Bürgern durchgeführt und ergab eindeutig, dass IS in
allen drei Ländern selbst unter Sunniten kaum Unterstützung findet. In
Ägypten äußerten sich nur drei Prozent positiv über IS, in Saudi-Arabien
fünf. Im Libanon zeigte unter der christlichen, schiitischen und
drusischen Bevölkerung nicht ein einziger Befragter Sympathie für die
Terrorgruppe, die selbst unter Sunniten nur ein Prozent auf Zustimmung
stößt.
Dennoch
weisen die Autoren auf den Unterschied zwischen „keine“ und „fast keine
Unterstützung“ hin. Denn in Ägypten sind es immerhin 1,5 Millionen
(drei Prozent der Bevölkerung), die al-Baghdadis Botschaft billigen, in
Saudi-Arabien eine halbe Million (fünf Prozent) und selbst im kleinen
Libanon einige tausend. Dies, so das „Washington Institute“, sei
„ausreichend, um zumindest einigen Zellen ernstzunehmender
Unruhestifter“ Unterschlupf zu bieten.
Die
fast einhellige Opposition gegen IS richtet sich aber nicht automatisch
auch gegen andere – weniger brutale - islamistische Organisationen. So
zeigt ein Drittel der ägyptischen Bevölkerung Sympathie für die
palästinensische, gewaltsam gegen die brutale israelische
Besatzungspolitik rebellierende „Hamas“, in Saudi-Arabien sogar 52
Prozent. Überraschend ist nach Ansicht der Autoren die breite
Unterstützung (in Ägypten 35, in Saudi-Arabien 31 Prozent) der
Moslembruderschaft, obwohl diese von beiden Regimes unerbittlich
bekämpft und verteufelt wird.
Im
Libanon, wo fast die gesamte Bevölkerung IS ablehnt, finden andere
islamistische Gruppen teilweise – je nach Konfessionszugehörigkeit –
breite Zustimmung. 92 Prozent der schiitischen Mehrheit sympathisieren
mit der schiitischen Hisbollah und auch erstaunliche 40 Prozent der
Christen, dagegen nur acht Prozent der Sunniten.
Doch
die starke Ablehnung von IS bedeutet nicht automatisch große
Unterstützung der USA. In Ägypten und Saudi-Arabien billigen nur jeweils
zwölf Prozent die US-Politik, im Libanon 39 Prozent der Christen, 30
Prozent der Sunniten und Drusen und nur drei Prozent der Schiiten.
Zugleich empfinden in Ägypten und Saudi-Arabien nur zwölf und 14 Prozent
der Bevölkerung Sympathie für die Erzfeinde von IS, das syrische und
iranische Regime, unter den Schiiten des Libanons sind es 96 und 97,
unter den Sunniten zwölf Iran und 14 Prozent, während 37 Prozent der
Christen gegenüber dem Iran „ziemlich positiv“ eingestellt sind und
sogar 47 Prozent gegenüber Syriens Diktator Assad, in dem nicht wenige
den „Beschützer“ gegen die Brutalitäten islamistischer Extremisten
sehen.
David
Pollock, Direktor des „Fikra Forum“ (einer Online-Plattform zur
Förderung demokratischen Gedankengutes in der arabischen Welt und des
Meinungsaustausches mit Entscheidungsträgern in den USA) zieht aus
diesen Umfrageergebnissen den Schluss, dass nicht mit der Entwicklung
einer Massenbewegung von IS-Anhängern in den Nachbarländern der von der
Terrormiliz derzeit kontrollierten Regionen zu rechnen sei und eben so
wenig mit Massenprotesten gegen die Luftangriffe der Alliierten,
Voraussetzung sei allerdings, dass sich diese ausschließlich auf Ziele
der IS konzentrierten und nicht auch auf andere islamistische Gruppen.
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