Dienstag, 23. September 2014

USA weiten Krieg gegen IS aus

Beteiligung von fünf arabischen Staaten an Luftschlägen in Syrien soll Glaubwürdigkeit und Erfolgschancen der Aktion stärken – Der Gewinner könnte Assad sein
 
von Birgit Cerha
 
In einer radikalen Kehrtwende der bisherigen Strategie militärischer Nichteinmischung in den dreieinhalbjährigen Krieg syrischer Rebellen gegen das Assad-Regime begannen die USA in der Nacht auf Dienstag eine intensive Luftoffensive gegen Positionen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und anderer Extremisten in Syrien. Die aktive Teilnahme von fünf arabischen Staaten – Jordanien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Bahrain – ist als wichtiger diplomatischer Erfolg US-Präsident Obamas zu werten, da sie diesem Krieg den Anschein eines „christlichen Kreuzzuges gegen den Islam“, wie es radikale Islamisten gerne aus Propagandagründen darstellen, nimmt.
Kampfjets, Bomber und Tomahawks schlugen auf das ostsyrische Rakka ein, das IS als „Hauptstadt“ ihres „Islamischen Staates“ deklariert hatte. Dabei wurden u.a. Lagerhäuser, zwei von IS eroberte Militärstützpunkte der syrischen Streitkräfte, sowie das Gebäude der Stadtverwaltung getroffen, in dem IS sein Hauptquartier eingerichtet hatte. Doch IS hat laut lokalen Zeugen in Erwartung eines US-Angriffs seine Kommandozentren in Rakka verlassen, Frauen und Kinder aus der Stadt in Sicherheit gebracht, während sich die Kämpfer unter die Zivilbevölkerung mischten. Vor mehr als einem Jahr hatte IS Rakka unter seine Kontrolle gezwungen und dort ein „Modell“ seiner Herrschaft errichtet. Er sicherte die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmittel und Treibstoff und garantierte ihr Sicherheit inmitten des blutigen Bürgerkrieges. Zugleich aber  zwang er rund 190.000 in der Stadt verbliebenen Zivilisten die Regeln des islamischen Rechts seiner barbarischen Auslegung auf.
Neben IS zielten die USA auch auf die Terrorgruppe „Khorasan“ und die mit Al-Kaida verbündeten syrischen Rebellen der „Al-Nusra“. „Khorasan“ ist eine in Syrien operierende „Tochter“ von Al-Kaida und eine der geheimnisvollsten unter dem Deckmantel des Bürgerkrieges agierenden Organisation, die mit Nusra kollaboriert. Wie auch IS hegt sie wenig Interesse am Sturz des Assad-Regimes, sondern an einem gemeinsamen Kampf aller Jihadis gegen den Westen.  „Khorasan“ hatte in den vergangenen Tagen Terrorattacken gegen amerikanische und andere westliche Bürger angedroht.  Nusra, die bisher keine über Syrien hinausgehenden Ziele verfolgt, in den von ihr kontrollierten Gebieten relativ effizient „regiert“ und die islamischen Regeln weit weniger brutal durchzusetzen sucht als IS, genießt unter Teilen der Bevölkerung durchaus Sympathie.  So lösten denn auch die US-Angriffe auf diese Organisation erste empörte Reaktionen unter Zivilisten aus.
Die vom Westen unterstützte syrische Opposition begrüßte Dienstag die Luftangriffe, die nach US-Darstellung einen langen Antiterror-Kampf zur Unterstützung von Bodentruppen in Syrien und zugleich im Irak einleiten. US-Kampfflugzeuge flogen denn auch Dienstag im Irak wieder Einsätze gegen IS. Doch im Gegensatz zum Irak, wo eine international anerkannte Regierung den Luftkrieg ausdrücklich billigt und der Westen kurdische Peschmerga-Truppen für den Bodenkampf bewaffnet, sowie die nationalen Streitkräfte neu aufzubauen beginnt, agieren die USA in Syrien im Chaos des Bürgerkrieges, ohne Billigung des Regimes, dessen Sturz sie weiterhin – ohne klaren Plan - zugleich betreiben wollen. Um eine direkte Konfrontation mit der syrischen Luftwaffe zu vermeiden, informierte Washington jedoch Assad über dessen iranischen Verbündeten von den bevorstehenden Angriffen. Die Reaktion fiel – zunächst – positiv aus. Jeder Angriff auf radikale Islamisten im Lande sei zu begrüßen, hieß es von offizieller Seite in Damaskus.
Tatsächlich könnte der wahre Sieger dieses Krieges, zumindest kurzfristig, Assad heißen. Zwar hatte der Diktator in den vergangenen Monaten durch den Aufstieg von IS und die dadurch provozierten Rivalitätskämpfe zwischen den diversen Rebellengruppen seine Gegner empfindlich zu schwächen begonnen. Deshalb auch hatten seine Streitkräfte IS monatelang nicht attackiert. Nun wird der Luftkrieg zweifellos die militante Opposition in Atem halten. Die von den USA für Waffenhilfe und Training favorisierte gemäßigteren Kräfte, allen voran die „Freie syrische Armee“, sind längst nicht in der Lage jene Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen, von denen IS vielleicht vertrieben wird. Damit dürfte Assad eine gute Chance gewinnen, US-Bombardements für seinen Vorteil zu nutzen.
 

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