Beteiligung
von fünf arabischen Staaten an Luftschlägen in Syrien soll
Glaubwürdigkeit und Erfolgschancen der Aktion stärken – Der Gewinner
könnte Assad sein
von Birgit Cerha
In
einer radikalen Kehrtwende der bisherigen Strategie militärischer
Nichteinmischung in den dreieinhalbjährigen Krieg syrischer Rebellen
gegen das Assad-Regime begannen die USA in der Nacht auf Dienstag eine
intensive Luftoffensive gegen Positionen der Terrororganisation
„Islamischer Staat“ (IS) und anderer Extremisten in Syrien. Die aktive
Teilnahme von fünf arabischen Staaten – Jordanien, Saudi-Arabien, die
Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Bahrain – ist als wichtiger
diplomatischer Erfolg US-Präsident Obamas zu werten, da sie diesem Krieg
den Anschein eines „christlichen Kreuzzuges gegen den Islam“, wie es
radikale Islamisten gerne aus Propagandagründen darstellen, nimmt.
Kampfjets,
Bomber und Tomahawks schlugen auf das ostsyrische Rakka ein, das IS als
„Hauptstadt“ ihres „Islamischen Staates“ deklariert hatte. Dabei wurden
u.a. Lagerhäuser, zwei von IS eroberte Militärstützpunkte der syrischen
Streitkräfte, sowie das Gebäude der Stadtverwaltung getroffen, in dem
IS sein Hauptquartier eingerichtet hatte. Doch IS hat laut lokalen
Zeugen in Erwartung eines US-Angriffs seine Kommandozentren in Rakka
verlassen, Frauen und Kinder aus der Stadt in Sicherheit gebracht,
während sich die Kämpfer unter die Zivilbevölkerung mischten. Vor mehr
als einem Jahr hatte IS Rakka unter seine Kontrolle gezwungen und dort
ein „Modell“ seiner Herrschaft errichtet. Er sicherte die Versorgung der
Bevölkerung mit Lebensmittel und Treibstoff und garantierte ihr
Sicherheit inmitten des blutigen Bürgerkrieges. Zugleich aber zwang er rund 190.000 in der Stadt verbliebenen Zivilisten die Regeln des islamischen Rechts seiner barbarischen Auslegung auf.
Neben
IS zielten die USA auch auf die Terrorgruppe „Khorasan“ und die mit
Al-Kaida verbündeten syrischen Rebellen der „Al-Nusra“. „Khorasan“ ist
eine in Syrien operierende „Tochter“ von Al-Kaida und eine der
geheimnisvollsten unter dem Deckmantel des Bürgerkrieges agierenden
Organisation, die mit Nusra kollaboriert. Wie auch IS hegt sie wenig
Interesse am Sturz des Assad-Regimes, sondern an einem gemeinsamen Kampf
aller Jihadis gegen den Westen. „Khorasan“ hatte in den vergangenen Tagen Terrorattacken gegen amerikanische und andere westliche Bürger angedroht. Nusra,
die bisher keine über Syrien hinausgehenden Ziele verfolgt, in den von
ihr kontrollierten Gebieten relativ effizient „regiert“ und die
islamischen Regeln weit weniger brutal durchzusetzen sucht als IS,
genießt unter Teilen der Bevölkerung durchaus Sympathie. So lösten denn auch die US-Angriffe auf diese Organisation erste empörte Reaktionen unter Zivilisten aus.
Die vom
Westen unterstützte syrische Opposition begrüßte Dienstag die
Luftangriffe, die nach US-Darstellung einen langen Antiterror-Kampf zur
Unterstützung von Bodentruppen in Syrien und zugleich im Irak einleiten.
US-Kampfflugzeuge flogen denn auch Dienstag im Irak wieder Einsätze
gegen IS. Doch im Gegensatz zum Irak, wo eine international anerkannte
Regierung den Luftkrieg ausdrücklich billigt und der Westen kurdische
Peschmerga-Truppen für den Bodenkampf bewaffnet, sowie die nationalen
Streitkräfte neu aufzubauen beginnt, agieren die USA in Syrien im Chaos
des Bürgerkrieges, ohne Billigung des Regimes, dessen Sturz sie
weiterhin – ohne klaren Plan - zugleich betreiben wollen. Um eine
direkte Konfrontation mit der syrischen Luftwaffe zu vermeiden,
informierte Washington jedoch Assad über dessen iranischen Verbündeten
von den bevorstehenden Angriffen. Die Reaktion fiel – zunächst – positiv
aus. Jeder Angriff auf radikale Islamisten im Lande sei zu begrüßen,
hieß es von offizieller Seite in Damaskus.
Tatsächlich
könnte der wahre Sieger dieses Krieges, zumindest kurzfristig, Assad
heißen. Zwar hatte der Diktator in den vergangenen Monaten durch den
Aufstieg von IS und die dadurch provozierten Rivalitätskämpfe zwischen
den diversen Rebellengruppen seine Gegner empfindlich zu schwächen
begonnen. Deshalb auch hatten seine Streitkräfte IS monatelang nicht
attackiert. Nun wird der Luftkrieg zweifellos die militante Opposition
in Atem halten. Die von den USA für Waffenhilfe und Training
favorisierte gemäßigteren Kräfte, allen voran die „Freie syrische
Armee“, sind längst nicht in der Lage jene Gebiete unter ihre Kontrolle
zu bringen, von denen IS vielleicht vertrieben wird. Damit dürfte Assad
eine gute Chance gewinnen, US-Bombardements für seinen Vorteil zu
nutzen.
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