Montag, 22. September 2014

Türkische Grenzkrise

von Birgit Cerha
 
Sie laufen um ihr Leben. Flucht oder Tod durch barbarische Schlächter, das ist die Wahl, die Zehntausenden Kurden Nord-Syriens angesichts der heranrückenden Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) bleibt. Doch der rettende Nachbar Türkei ist nicht nur traditioneller Feind der Kurden, sondern angesichts dieses Ansturms menschlicher Pein auch hoffnungslos überfordert. Eine Million Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkriegsland beherbergt er bereits und noch mehr werden kommen. An dieser gigantischen humanitären Katastrophe aber hat die Türkei ein gerüttelt Maß an Mitschuld. Denn ihr Beitrag an dem spektakulären Erstarken von IS ist unumstritten.
NATO-Mitglied, enger Verbündeter der USA, EU-Aufnahmekandidat, zeigt die vom „demokratischen“ Islamisten Erdogan geführte Türkei erstaunliche Sympathie für die gefährlichsten Todfeinde des Westens, widersetzte sich beharrlich wiederholt vorgebrachten Bitten aus der EU und den USA, den  Zustrom von Geld, Waffen und Kämpfern zu IS nach Syrien oder den illegalen Verkauf von Öl aus den von IS eroberten syrischen und irakischen Quellen in der Türkei zu stoppen. Zugleich sperrten die Türken seit vielen Monaten die Grenze zu dem sich autonom in Nord-Syrien entwickelnden kleinen Kurdistan, das ihnen offensichtlich weit bedrohlicher erscheint als der menschenverachtende IS. Deren Krieg gegen Syriens überwiegend mit der in der Türkei immer noch verbotenen „Kurdischen Arbeiterpartei“ PKK verbündeten Kurden dient Ankaras Ziel, die kurdische Autonomie in Syrien zu zerstören.
Wo Sympathie und Zweckmäßigkeit im Umgang mit IS für die Türkei ihre Grenzen finden, lässt sich noch nicht erkennen. Die Weigerung, sich der von den USA geführten internationalen Allianz gegen IS anzuschließen, soll nach glaubwürdigen Quellen die Terroristen bewogen haben, 49 im irakischen Mosul seit Juni festgehaltene ‚Türken freizulassen. Ohne Ankaras Kooperation ist ein durchschlagender Erfolg der Allianz gegen IS nicht möglich. Das menschliche Elend an seinen Grenzen aber wird unweigerlich auch die Türkei einholen.

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