Die Position des Königshauses ist von entscheidender Bedeutung für
den Erfolg der internationalen Allianz im Kampf gegen den “Islamischen
Staat”
von Birgit Cerha
„Wenn Allah es wünscht, werden wir alle töten, die Steine anbeten
und wir werden die Kabaa in Mekka zerstören.“ Diese jüngst über Twitter
verbreitete Botschaft eines führenden Mitglieds des „Islamischen
Staates“ (IS) hat wohl die letzten Zweifel des saudischen Königshauses
zerstreut, dass ihr glitzerndes Ölreich Hauptziel der salafistischen
Terrorbanden ist, die – ebenso wie fundamentalistische Schiiten im Iran
und Irak, die als illegal verdammte Monarchie stürzen wollen. Wie
dramatisch die Existenzängste des Hauses Saud seit dem rasanten
Vormarsch von IS im Irak angewachsen sind, zeigen wiederholte
eindringliche Warnungen vor dieser Terrorgefahr, die auch Europa und
Amerika nicht verschonen würde und eine ungewöhnlich klare Distanzierung
der höchsten religiösen Autorität Saudi-Arabiens, die IS als „Erzfeind
des Islams“ bezeichnet. Großmufti Abdulaziz al Sheikh drängt die Bürger,
insbesondere die jungen Männer des Landes, nicht auf die „Anstifter zum
Aufruhr“ zu hören.
In Panik begann Saudi-Arabien nun mit der Errichtung eines 900 km
langen Zauns an der Grenze zum Irak, der mit Radar, Infrarot-Videos und
Kameras ausgestattet, jegliche Infiltration verhindern und gemeinsam
mit dem bereits zum Jemen bestehenden 1.800 km langen Zaun das
Königreich weitgehend abriegeln soll. Interne Sicherheit besitzt für
die Herrscher absoluten Vorrang. Das ist auch die Botschaft, die
Saudi-Arabien auf der heute, Donnerstag, in Jeddah beginnenden
Anti-Terrorkonferenz vermitteln wird, bei der Vertreter der arabischen
Golfstaaten, Ägypten, Jordanien - aber weder Syrien, noch Iran – um
eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen IS ringen werden. Auch
US-Außenminister Kerry wird im Königreich eintreffen, um Riad voll in
die von den USA geführte internationale Allianz gegen diese einzigartige
Terrorgefahr einzubeziehen. Denn Saudi-Arabien kommt wegen seiner
religiösen Führungsrolle des sunnitischen Islam eine zentrale Bedeutung
bei den internationalen Bemühungen zu, diesen barbarischen Extremismus
zu vernichten.
Eine klare Antwort aus Riad steht bisher aus. Heftig wehren sich
die Saudis zwar gegen Vorwürfe, das sie durch finanzielle Unterstützung
und Propagierung des Salafismus - derselben religiösen Ideologie, wie
sie ISIS, wiewohl in weit radikalerer Ausprägung, vertritt - dieser
Organisation zumindest indirekt zu ihrer jetzigen Stärke verholfen
hätte. Immerhin kämpfen aber mindestens 300 Saudis auf der Seite von IS
in Syrien und im Irak und nachweislich gerieten saudische Waffen in
Syrien in die Hände der mit Al-Kaida verbündeten Nusra-Front. Der immer
noch ungebrochene Einfluss radikaler Geistlicher und die Durchsetzung
des radikalen islamischen Strafrechts im Königreich – allein im August
wurden 19 Personen, fast die Hälfte wegen gewaltloser Verbrechen,
geköpft - ermutigt Barbareien wie jene von IS. Eine radikale Revision
der politischen und religiösen Positionen ist dringend geboten.
Was eine Allianz gegen IS mit den USA betrifft, so teilt
Saudi-Arabien in der Theorie mit allen Staaten der Region das Interesse
an gemeinsamer Aktion gegen diese alle – auch den Iran - bedrohende
Gefahr. In der Realität aber vertreten vor allem die beiden
verfeindeten Regionalmächte – Saudi-Arabien und der Iran –
gegensätzliche Ziele. Tiefes Misstrauen gegeneinander könnte ihr
Engagement gegen IS entscheidend blockieren. Riad möchte zwar, wie
Teheran, IS vernichten, doch unter allen Umständen verhindern, dass der
Iran damit seinen Einfluss in der Region wieder verstärken kann.
Immerhin hat IS durch seinen Vormarsch den von den Saudis und anderen
sunnitischen Regimen in der Region so gefürchteten „schiitischen
Halbmond“, der sich vom Iran, über den Irak nach Syrien bis in den
Libanon zieht, durchstoßen. Teheran kann seit vielen Wochen seine
Verbündeten in Damaskus nicht mehr über den Irak mit Waffen und Öl
unterstützen. Ein erfolgreicher Kampf gegen IS wird das Assad-Regime in
Syrien stärken und das Königshaus, das seine Unterstützung der
überwiegend sunnitischen Rebellen mit moralischen Motiven (Stopp der
Brutalitäten durch Assad) begründet, in ein schweres Dilemma bringen.
Kann Saudi-Arabien, die Schutzmacht der Sunniten, seine Schützlinge
fallen lassen?
Der Iran hingegen könnte sich in der Frage Assad durchaus flexibel
zeigen. Teheran geht es in Syrien vor allem darum, ein Regime zu
sichern, das auch seinen Interessen dient. Erste Anzeichen, dass sich
Iran und Saudi-Arabien zu einem Dialog bereitfinden könnten, lassen sich
zwar erkennen. Doch das Misstrauen sitzt tief. Der Erfolg einer
internationalen Koalition aber hängt entscheidend davon ab, dass sich
die beiden Erzrivalen auf einen Kompromiss im Ringen um die
Vormachtstellung in der Region einigen , der allein den Weg zur
Stabilisierung ebnen könnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen