Der
Weg der kurdischen Freiheitskämpfer zum einzigen ernstzunehmenden Gegner
der Terroristen im Irak und damit zum stärksten Verbündeten des Westens
von Birgit Cerha
Vor
mehr als zehn Jahren hatten die Amerikaner nach dem Sturz des Diktators
Saddam Hussein die irakischen Streitkräfte aufgelöst, alle Offiziere in
die Wüste geschickt, wo sich einige jüngst den Terroristen des
„Islamischen Staates“ (IS) zu einem barbarischen Kampf verbündeten. Mit
Milliarden von Dollar und militärischem Know-how hatte die Supermacht
eine neue irakische Streitmacht aufgebaut. Doch nun, in höchster Gefahr
für den irakischen Staat und darüber hinaus für die Region und den
gesamten Westen, setzen die USA und zunehmend europäische Staaten nicht
auf den Einsatz der nationalen irakischen Streitkräfte, sondern auf die
jahrzehntelangen Freiheitskämpfer der Kurden, „Peschmerga“ genannt. Nach
den Amerikanern versprechen nun mehr und mehr europäische Staaten,
darunter zuletzt in einer radikalen politischen Kehrtwende sogar
Deutschland, den Kurden Militärhilfe, damit sie IS im Irak besiegen und
die internationale Terrorgefahr bannen.
Wer sind diese Peschmerga, in die die westliche Welt nun derartige Hoffnung setzt?
Diese
Streitkraft der von mehr als vier Millionen Menschen bewohnten
kurdischen Autonomieregion im Nord-Irak besteht aus etwa 200.000
Kämpfern, die einem eigenen Ministerium in der
„Kurdistan-Regionalregierung“ (KRG) unterstehen. Oberkommandierender ist
KRG-Präsident Massoud Barzani. Seit den rasanten Geländegewinnen des IS
der vergangenen Monate haben die Peschmerga, die seit dem Sturz Saddam
Husseins 2003 durch ihren Einsatz Kurdistan in eine „Oase der Ruhe“ im
blutig turbulenten Irak verwandelten und einen einzigartigen
ökonomischen Aufschwung ermöglichten, eine Front von mehr als tausend
Kilometern zu verteidigen. Doch dafür stehen ihnen fast nur veraltete
leichte Waffen zur Verfügung. Mehr als zehn Jahre lang blockierte die
Zentralregierung in Bagdad jegliche militärische Aufrüstung der Kurden,
während auch die Nachbarstaaten Türkei und Iran aus Sorge vor
verstärktem Unabhängigkeitsstreben der Kurden Waffenkäufe blockierten.
Erst nachdem US-Präsident Obama die enorme Gefahr erkannte, die von IS
für die gesamte zivilisierte Welt ausgehen könnte, gab er kurdischem
Drängen nach militärischer Unterstützung nach. Denn ohne ausreichende
Munition, ohne modernes, schweres Kriegsmaterial und ohne Unterstützung
aus der Luft, sind die Peschmerga den kampferprobten, sehr mobilen und
flexiblen Fanatikern der IS hoffnungslos unterlegen.
„Peschmerga“
bedeutet nicht nur, wie gemeinhin übersetzt „Die dem Tod ins Auge
Sehenden“, sondern die Silbe „Pesh“ drückt zudem die Entschlossenheit
aus, unerschrocken, mit einem Dolch zwischen den Zähnen, dem Tod
entgegenzulaufen. Tatsächlich haben diese kurdischen Kämpfer durch ihren
Mut, ihre Disziplin, ihre Tapferkeit und Zähigkeit in jahrzehntelangen
Kämpfen um kurdische Selbstbestimmung enorme Symbolkraft in der
kurdischen Gesellschaft erworben.
Ihr
Ursprung geht auf die Zeit des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches
Anfang des 20. Jahrhundert zurück, als sie begannen, sich von
Stammeskriegern zu gut trainierten und disziplinierten
Guerillaeinheiten zu entwickeln und der aufkeimenden
kurdisch-nationalistischen Bewegung Kraft und Mut gaben. Jahrzehntelang kämpften
sie unter Führung Mulla Mustafa Barzanis gegen die Bagdader
Zentralregierung, erlitten wiederholt schwere Niederlagen, nur um erneut
ihr Leben für ihre nationale Selbstbestimmung zu riskieren. Nachdem sie
im iranisch-irakischen Krieg (1980-88) die Partei der „Islamischen
Republik“ ergriffen hatten, erschien die nationale Bewegung nach
genozidartigen Rachefeldzügen Bagdads am Ende. Doch immer wieder lebte
der Kampfgeist der Kurden neu auf, bis sie 2003 durch eine militärische
Allianz mit den USA im Krieg gegen Saddam eine einzigartige historische
Chance erhielten und seither auch auf nationaler politischer Ebene eine
zentrale Rolle spielten.
Die
Peschmerga gelten weithin als „Gralshüter des kurdischen Nationalismus“
und der kurdischen Kultur, strikt loyal zu ihren politischen Führern.
Doch diese Loyalität hat die Peschmerga seit blutigen heftigen
Auseinandersetzungen zwischen den beiden größten Bewegungen Kurdistans,
der „Kurdischen Demokratischen Partei“ (KDP) und der „Patriotischen
Union Kurdistans“ (PUK) geschwächt, da Zehntausende ihrer Soldaten
direkt der KDP bzw. der PUK unterstehen. Die USA aber haben die
kurdischen Kämpfer, wie auch die Politiker, als verlässliche Partner und
Freunde während ihres Krieges 2003 und der anschließenden neunjährigen
Besatzung des Iraks schätzen gelernt – ganz im Gegensatz zur
neugebildeten irakischen Armee.
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