Irans gefährlichster General rüstet zum Großangriff auf ISIS – Lässt auch Teheran Maliki fallen?
von Birgit Cerha
Während sich in Washington die Anzeichen verstärken, dass Präsident
Obama militärische Hilfe im Kampf gegen die sunnitischen Extremisten
der ISIS (Islamischer Staat des Iraks und Syriens) an das Ausscheiden
des heißumstrittenen irakischen Premiers Maliki knüpft, zeigt sich
dieser entschlossen, weder zu resignieren, noch amerikanischem Drängen
nachzugeben und den frustrierten arabisch-sunnitischen Mitbürgern die
Hand zur Versöhnung entgegen zu strecken. Ganz im Gegenteil. Maliki
kündigt scharfe Maßnahmen gegen sunnitische Politiker und Offiziere an,
die er als „Verräter“ brandmarkt und beschuldigt sunnitische
Nachbarländer, allen voran Saudi-Arabien, die Gewalt im Land zu schüren.
Wiewohl ISIS vor den Toren Bagdads steht, ihr Vormarsch bisher
nicht entscheidend gestoppt werden konnte und die dringend benötigte
Hilfe aus Washington ausbleibt, lässt sich der schwerbedrängte Premier
nicht einschüchtern. Denn Maliki kann sich auf eine geheime Kraft im
Lande stützen, die sich seiit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003
als die stärkste erwies: „Al Quds“unter dem Kommando Qasem Suleimanis.
Dieser iranische General eilte gleich nach der Eroberung Mosuls und
Tikrits durch ISIS in der Vorwoche mit einer Gruppe führender Offiziere
der „Al Quds“-Brigaden nach Bagdad, um eine Strategie für den Kampf
gegen diese sunnitische Terrororganisation zu erarbeiten. Er
untermauerte damit wiederholte Beteuerungen Präsident Rouhanis, der Iran
werde alles tun, um den Vormarsch von ISIS im Irak zu stoppen, wo sich
die „Islamische Republik“ so plötzlich auf einer Seite mit ihrem
traditionellen Erzfeind USA im Kampf gegen den Terror sunnitischer
Fanatiker sieht. Washington und Teheran wiesen unterdessen zwar
Spekulationen über eine Kooperation gegen ISIS zurück. Doch eine
derartige – geheime - Zusammenarbeit wäre gar nicht so außergewöhnlich.
Zuletzt hatten die Iraner Teheran 2001 den USA entscheidende Hilfe beim
Krieg zum Sturz der Taliban in Afghanistan geleistet.
Der Irak ist für den Iran aus mehreren Gründen von zentralem
Interesse. Jahrzehntelang hatte sich das Land nicht von dem von Saddam
Hussein begonnenen, ungeheuer verlustreichen Krieg (1980-88) erholt.
Eine erneute Kriegsgefahr aus dem Westen zu bannen, zählte seither zu
Teherans wichtigsten strategischen Zielen. Nach dem Sturz Saddams durch
eine von den USA geführte Invasion investierte der Iran enorme
finanzielle, politische und militärische Ressourcen in den Irak, um
sicherzustellen, dass die US-Truppen das Land wieder verlassen, ein von
Schiiten geführter Staat Sicherheit als treuer strategischer Partner
garantiert und die „Islamische Republik“ zugleich ihren geopolitischen
Einfluss ausweitet. Doch mindestens ebensolche Bedeutung besitzt für
Teheran auch der Schutz der heiligsten Stätten der Schiiten, Kerbala und
Najaf, wo ISIS die Entscheidungsschlacht gegen Maliki austragen will.
Grobe Drohungen der sunnitischen Fanatiker gegen „die Stätte des Unrats“
(gemeint ist Kerbala) und „die Stadt der Vielgötterei“ bestärken
Teheran in der Überzeugung, dass es im Irak um eine existentielle
Schlacht zwischen den beiden rivalisierenden Richtungen des Islam –
Schiismus und Sunnismus -, politisch repräsentiert durch Iran und
Saudi-Arabien – geht.
Alle Hoffnung Malikis, wie der Iraner konzentriert sich nun auf den
57-jährigen General Suleimani, der unterdessen weit über Irans Grenzen
hinaus den Ruf als der mächtigste und geheimnisvollste Mann des
Mittleren Ostens genießt. Dem „Geistlichen Führer“ Khameinei treu
ergeben, zeichnete dieser Suleimani mit dem höchsten zu vergebenden Lob
eines „lebenden Märtyrers“ aus. Nachdem er 1998 das Oberkommando der
Al-Quds Brigaden übernommen hatte, baute er diese Spezialeinheit der
Revolutionsgarden zum mächtigsten und einflussreichsten Instrument der
iranischen Außenpolitik auf. Terror, Erpressung, Bestechung und Mord
zählen zu seiner Strategie, für die ihm die geheimen Kassen des Staates
offen stehen und die Unterstützung Khameneis sicher ist. So gelang es
Suleimani, mit den von den Quds-Brigaden trainierten irakischen
Schiitenmilizen die US-Besatzungstruppen aus dem Irak zu verjagen und
Irans dominierenden Einfluss im Nachbarland zu sichern. In einer berühmt
gewordenen SMS an den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte General
Petraeus stellte Suleimani während einer Serie von Schlachten zwischen
der US-Armee und schiitischen Milizen 2007 klar: „General Petraeus, Sie
sollen wissen, dass ich, Qasem Suleimani,die Politik des Irans gegenüber
dem Irak, Libanon, Gaza und Afghanistan kontrolliere.“ Petraeus
charakterisierte ihn öffentlich als eine „wahrhaft üble Figur“. In
zahlreichen Erklärungen bewies Suleimani ein starkes strategisches
Engagement für die Erhaltung der Macht der Schiiten und des iranischen
Einflusses im Irak und schwor wiederholt uneingeschränkte Unterstützung
Malikis.
Offiziell hat sich Teheran bisher nicht vom bedrängten Premier
distanziert, nennt allerdings für das Amt des neuen Regierungschef nach
Maliki noch drei andere prominente Schiiten, um sich Optionen offen zu
lassen, sollte sich die Lage weiter dramatisch zuspitzen.
Suleimani gilt nicht nur als hervorragender Stratege mit langen
Erfahrungen im Guerillakrieg, zunächst im iranischen Kurdistan, im Irak
und in Syrien, wo er auf der Seite der Truppen Präsident Assads ISIS
jüngst empfindliche Verluste zufügte. Er stand Assad erfolgreich in
einer ähnlichen Situation bei, die nun Maliki droht. Hunderte seiner
kampferprobten Brigaden leisteten einer nach langem Krieg geschwächten
und zunehmend demoralisierten Armee entscheidende Hilfe. Der iranische
General gilt unter Militärexperten als der Architekt jener Strategie,
durch die den Assad-Kämpfern in den vergangenen Monaten die
Rückeroberung wichtiger Städte und Regionen und damit eine Wende des
Kriegsglücks zu ihren Gunsten gelang. Im Irak mobilisiert er nun
Schiiten zum Kampf an der Seite der demoralisierten staatlichen
Streitkräfte und wird versuchen die in Syrien so erfolgreiche Strategie
anzuwenden. Dabei hilft ihm die lange offene Grenze zu seiner Heimat,
aus der weitgehend unbemerkt Nachschub an Männern und Waffen ins Land
geschleust werden kann. Mehr als hundert Al-Quds Brigaden sollen nach
nicht bestätigten Berichten bereits in Bagdad als Militärberater
fungieren und zwei im Guerillakampf erprobte, hochmotivierte Einheiten
aus dem Grenzgebiet hätten laut iranischen Sicherheitskreisen Positionen
zur Verteidigung von Kerbala und Najaf bezogen.
Sollte Suleimani ein entscheidender Rückschlag von ISIS im Irak
gelingen, würde sich das Gleichgewicht der Kräfte in der Region weiter
zugunsten des Irans verschieben. Dabei wird Teheran der territorialen
Integrität des Iraks nur Lippenbekenntnisse abgeben. Ein starker Irak
ließe sich weit schwieriger manipulieren als ein in drei Staaten – mit
kurdischer, sunnitischer und schiitischer Bevölkerung – zersplitterter,
denn die Schiiten hätten aufgrund ihrer Bevölkerungsmehrheit die
Oberhand, blieben jedoch gleichzeitig in totaler Abhängigkeit vom Iran.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen