Donnerstag, 8. Mai 2014

Assads Triumph in Homs

Leitet der schwere strategische Rückschlag der Rebellen einen Wendepunkt im Krieg um die Macht in Syrien ein?

 von Birgit Cerha

Noch Donnerstag  abend werde Homs als „sichere Stadt“ deklariert und der Wiederaufbau könne beginnen.  Untere dem Jubel der vom Assad-Regime gelenkten Medien verkündete der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barazi, die „Befreiung“ der drittgrößten Stadt des Landes aus den Händen der „Terroristen“. Mehr als 900 Rebellen verließen seit Mittwoch das schwer zerstörte Zentrum, dessen ausgebombte Ruinen und Trümmerhaufen seit langem die ungeheuerliche Brutalität dieses mehr als dreijährigen symbolisiert.
Es war das erste Mal, dass sich Rebellen nach einem vor einer Woche mit dem Regime geschlossenen Abkommen aus einem von ihnen kontrollierten Territorium zurückzogen und damit einen schweren strategischen und psychologischen Rückschlag hinnehmen mussten. Denn Homs besitzt besondere Bedeutung in diesem Krieg.
Die einst 700.000 mehrheitlich sunnitische Einwohner zählende Stadt galt lange als „Herz der Revolution“ gegen Assad. Denn hier fanden sich die Massen gleich nach den ersten Regungen des Widerstandes 2011zu fröhlichen Kundgebungen für Freiheit und Demokratie zusammen, demonstrierten später mit wachsender Entschlossenheit gegen die Brutalitäten der Diktatur. Hier schworen Tausende junge Rebellen, im Kampf gegen den verhassten Despoten bis zum Sieg auszuharren.  Nach zwei Jahren der Belagerung, brutalster Bombardements durch Regierungstruppen und die Luftwaffe, die die Bevölkerung in eine humanitäre Katastrophe stürzten, resignierten sie schließlich. Als kleinen Trost in dieser Niederlage werten Rebellenführer die Tatsache, dass sie ihre Waffen mitnehmen dürfen, um anderswo gegen das Assad-Regime weiter zu kämpfen.
Für Assad bedeutet die Rückeroberung von Homs den Erfolg seiner gnadenlosen Aushungerungs-Strategie, die die Unschuldigsten und Schwächsten am härtesten trifft und die Menschen schließlich zermürbt. Er wird sie nun  wohl in anderen nahegelegenen Rebellen-Enklaven anwenden.
Kein Zweifel  Homs ist ein entscheidender Erfolg auf dem Weg zur Zementierung der Macht des Diktators. Er kommt gerade rechtzeitig vor dem absurden Schauspiel der Präsidentschaftswahlen am 3. Juni, die Assad in diesem kriegszerrissenen und blutenden Land die Macht für weitere sieben Jahre legitimieren sollen.
Der Verlust von Homs fügt den Rebellen vor allem aber eine gravierende strategische Niederlage zu. Denn Homs ist Syriens wichtigster Verkehrsknotenpunkt. Die Stadt ermöglicht die Kontrolle der Nord-Süd-Verbindung zwischen Damaskus und der größten Wirtschaftsmetropole, Aleppo, wichtiger Pipelines und Teile der Stromversorgungs-Infrastruktur. Die Rebellen hofften, durch die Eroberung von Homs nicht nur die Hauptstadt von den Häfen am Mittelmeer abzuschneiden, sondern vor allem auch von dem dort gelegenen Kernland der alawitischen Minderheit Assads. Zugleich planten sie, einige Flughäfen in der Region unter ihre Kontrolle zu bringen und damit den Waffennachschub aus Russland und dem Iran für das Regime zu stoppen.  Von dem strategisch wichtigen Stützpunkt Homs aus könnten sie schließlich – so die Kalkulation der Rebellen – Damaskus belagern, das Regime mehr und mehr schwächen, bis es schließlich kapitulieren müsste. Eine Serie von strategischen Erfolgen, die Assads Streitkräfte vor allem mit Hilfe ihrer iranischen Berater und der Miliz der libanesischen Hisbollah in der Region zwischen Homs und Damaskus erringen konnte, machte den Plan der militanten Opposition zunichte. Durch ihre – derzeitige – Kontrolle von Regionen in Nord- und Süd-Syrien können die Rebellen Assad nicht vom Thron stürzen.
Kurz vor der Rückeroberung von Homs  prophezeite Assad einem politischen Freund aus Russland, „die aktive Phase“ des Krieges würde dieses Jahr beendet und dann ginge es nur noch darum, „Terroristen und Selbstmordattentäter zu bekämpfen“.  Solche Erwartung entspringt mehr Wunschdenken als der Realität. Der Krieg ist keineswegs gewonnen. Zwar hat das Regime mehr und mehr seine Kontrolle in der Region um Damaskus und wichtigen Gebieten in West- und Zentral-Syrien konsolidiert, doch auch die Rebellen erzielten Teilerfolge, insbesondere im Südwesten des Landes und in Aleppo, wo sie Donnerstag ein von Assads Streitkräften als Stützpunkt benutztes Hotel in die Luft sprengten.  Zudem gibt es Hinweise, dass die vom Westen unterstützte „Freie syrische Armee“ (FSA) durch eine neue Führung und dank der Brutalitäten und interner Streitigkeiten radikaler, mit Al-Kaida verbündeter Islamisten wieder an Sympathie und Zulauf gewann und jüngst erstmals moderne Anti-Panzer-Waffen gegen Regierungssoldaten einsetzte. Nach Einschätzung von Experten können nur die USA oder deren Verbündete (Türkei, Saudi-Arabien oder Katar) derartige hochtechnologische Waffen geliefert haben. Kein Zweifel, die Rebellen verfügen immer noch über eine beträchtliche Schlagkraft und Motivation.
Dennoch, wenn sich das regionale Gleichgewicht nicht entscheidend verändert, sich  entweder der Westen nicht zu massiver Militärhilfe an die Rebellen entschliesst oder Assads Verbündete – Russland, der Iran und die Hisbollah ihre intensive Unterstützung drastsisch einschränken, wird Syrien noch lange nicht aus dem militärischen Patt herausfinden. Zunächst stärkt die internationale Krise um die Ukraine Assad entscheidend den Rücken. Der Westen zeigt keinerlei Bereitschaft, Russland derzeit auch noch im Syrienkonflikt durch verstärkten Druck auf Assad zu konfrontieren.  So geht das Morden unaufhörlich weiter.

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