Leitet der schwere strategische Rückschlag der Rebellen einen Wendepunkt im Krieg um die Macht in Syrien ein?
von Birgit Cerha
Noch Donnerstag abend werde Homs als „sichere Stadt“ deklariert
und der Wiederaufbau könne beginnen. Untere dem Jubel der vom
Assad-Regime gelenkten Medien verkündete der Gouverneur der Provinz
Homs, Talal Barazi, die „Befreiung“ der drittgrößten Stadt des Landes
aus den Händen der „Terroristen“. Mehr als 900 Rebellen verließen seit
Mittwoch das schwer zerstörte Zentrum, dessen ausgebombte Ruinen und
Trümmerhaufen seit langem die ungeheuerliche Brutalität dieses mehr als
dreijährigen symbolisiert.
Es war das erste Mal, dass sich Rebellen nach einem vor einer Woche mit dem Regime geschlossenen Abkommen aus einem von ihnen kontrollierten Territorium zurückzogen und damit einen schweren strategischen und psychologischen Rückschlag hinnehmen mussten. Denn Homs besitzt besondere Bedeutung in diesem Krieg.
Es war das erste Mal, dass sich Rebellen nach einem vor einer Woche mit dem Regime geschlossenen Abkommen aus einem von ihnen kontrollierten Territorium zurückzogen und damit einen schweren strategischen und psychologischen Rückschlag hinnehmen mussten. Denn Homs besitzt besondere Bedeutung in diesem Krieg.
Die einst 700.000 mehrheitlich sunnitische Einwohner zählende Stadt
galt lange als „Herz der Revolution“ gegen Assad. Denn hier fanden sich
die Massen gleich nach den ersten Regungen des Widerstandes 2011zu
fröhlichen Kundgebungen für Freiheit und Demokratie zusammen,
demonstrierten später mit wachsender Entschlossenheit gegen die
Brutalitäten der Diktatur. Hier schworen Tausende junge Rebellen, im
Kampf gegen den verhassten Despoten bis zum Sieg auszuharren. Nach zwei
Jahren der Belagerung, brutalster Bombardements durch Regierungstruppen
und die Luftwaffe, die die Bevölkerung in eine humanitäre Katastrophe
stürzten, resignierten sie schließlich. Als kleinen Trost in dieser
Niederlage werten Rebellenführer die Tatsache, dass sie ihre Waffen
mitnehmen dürfen, um anderswo gegen das Assad-Regime weiter zu kämpfen.
Für Assad bedeutet die Rückeroberung von Homs den Erfolg seiner
gnadenlosen Aushungerungs-Strategie, die die Unschuldigsten und
Schwächsten am härtesten trifft und die Menschen schließlich zermürbt.
Er wird sie nun wohl in anderen nahegelegenen Rebellen-Enklaven
anwenden.
Kein Zweifel Homs ist ein entscheidender Erfolg auf dem Weg zur
Zementierung der Macht des Diktators. Er kommt gerade rechtzeitig vor
dem absurden Schauspiel der Präsidentschaftswahlen am 3. Juni, die Assad
in diesem kriegszerrissenen und blutenden Land die Macht für weitere
sieben Jahre legitimieren sollen.
Der Verlust von Homs fügt den Rebellen vor allem aber eine
gravierende strategische Niederlage zu. Denn Homs ist Syriens
wichtigster Verkehrsknotenpunkt. Die Stadt ermöglicht die Kontrolle der
Nord-Süd-Verbindung zwischen Damaskus und der größten
Wirtschaftsmetropole, Aleppo, wichtiger Pipelines und Teile der
Stromversorgungs-Infrastruktur. Die Rebellen hofften, durch die
Eroberung von Homs nicht nur die Hauptstadt von den Häfen am Mittelmeer
abzuschneiden, sondern vor allem auch von dem dort gelegenen Kernland
der alawitischen Minderheit Assads. Zugleich planten sie, einige
Flughäfen in der Region unter ihre Kontrolle zu bringen und damit den
Waffennachschub aus Russland und dem Iran für das Regime zu stoppen.
Von dem strategisch wichtigen Stützpunkt Homs aus könnten sie
schließlich – so die Kalkulation der Rebellen – Damaskus belagern, das
Regime mehr und mehr schwächen, bis es schließlich kapitulieren müsste.
Eine Serie von strategischen Erfolgen, die Assads Streitkräfte vor allem
mit Hilfe ihrer iranischen Berater und der Miliz der libanesischen
Hisbollah in der Region zwischen Homs und Damaskus erringen konnte,
machte den Plan der militanten Opposition zunichte. Durch ihre –
derzeitige – Kontrolle von Regionen in Nord- und Süd-Syrien können die
Rebellen Assad nicht vom Thron stürzen.
Kurz vor der Rückeroberung von Homs prophezeite Assad einem
politischen Freund aus Russland, „die aktive Phase“ des Krieges würde
dieses Jahr beendet und dann ginge es nur noch darum, „Terroristen und
Selbstmordattentäter zu bekämpfen“. Solche Erwartung entspringt mehr
Wunschdenken als der Realität. Der Krieg ist keineswegs gewonnen. Zwar
hat das Regime mehr und mehr seine Kontrolle in der Region um Damaskus
und wichtigen Gebieten in West- und Zentral-Syrien konsolidiert, doch
auch die Rebellen erzielten Teilerfolge, insbesondere im Südwesten des
Landes und in Aleppo, wo sie Donnerstag ein von Assads Streitkräften als
Stützpunkt benutztes Hotel in die Luft sprengten. Zudem gibt es
Hinweise, dass die vom Westen unterstützte „Freie syrische Armee“ (FSA)
durch eine neue Führung und dank der Brutalitäten und interner
Streitigkeiten radikaler, mit Al-Kaida verbündeter Islamisten wieder an
Sympathie und Zulauf gewann und jüngst erstmals moderne
Anti-Panzer-Waffen gegen Regierungssoldaten einsetzte. Nach Einschätzung
von Experten können nur die USA oder deren Verbündete (Türkei,
Saudi-Arabien oder Katar) derartige hochtechnologische Waffen geliefert
haben. Kein Zweifel, die Rebellen verfügen immer noch über eine
beträchtliche Schlagkraft und Motivation.
Dennoch, wenn sich das regionale Gleichgewicht nicht entscheidend
verändert, sich entweder der Westen nicht zu massiver Militärhilfe an
die Rebellen entschliesst oder Assads Verbündete – Russland, der Iran
und die Hisbollah ihre intensive Unterstützung drastsisch einschränken,
wird Syrien noch lange nicht aus dem militärischen Patt herausfinden.
Zunächst stärkt die internationale Krise um die Ukraine Assad
entscheidend den Rücken. Der Westen zeigt keinerlei Bereitschaft,
Russland derzeit auch noch im Syrienkonflikt durch verstärkten Druck auf
Assad zu konfrontieren. So geht das Morden unaufhörlich weiter.
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