Schwere Differenzen gefährden das Bündnis der USA mit ihrem
wichtigsten Partner im Mittleren Osten – Doch beide brauchen einander
von Birgit Cerha
„Noch nie“ seit der Gründer Saudi-Arabiens, König Abdul Aziz, und
US-Präsident Roosevelt 1945 an Bord des US-Marine-Kreuzers „Quincy“ die
Grundlagen für die wichtigste strategische Partnerschaft zwischen der
größten Öl- und der neuen westlichen Supermacht legten, „haben so viele
offene Fragen das Verhältnis der beiden Staaten so schwer belastet wie
heute. 1945, erinnert Faisal Abbas im TV-Sender „Arabiya“ , als eine
„neue Weltordnung Gestalt annahm“, sicherte das Königreich den USA den
stets ungehinderten Zufluss von Öl zu und erhielt dafür politisch
überlebenswichtige Sicherheitsgarantien. Doch nach mehr als 6o Jahren
ist dieser für beide strategisch so wichtige Pakt gefährdet wie nie
zuvor.
Wenn US-Präsident Obama heute, Freitag, zu einem eintägigen
Staatsbesuch in Riad eintrifft, dann muss er Wogen saudischen Zornes
glätten, tiefe Ängste zerstreuen und verlorenes Vertrauen zwischen der
“mächtigsten Demokratie der Welt und der absolutistischsten aller
Monarchien“ (so der US-Sender CNN) wieder aufbauen, zwischen
Bündnispartnern, die keine gemeinsamen Werte, nur gemeinsame Interessen
verbinden.
Die schweren Erschütterungen der dreijährigen Revolutionen in der
arabischen Welt haben die Freundschaft zwischen beiden Staaten an den
Rand des Bruchs getrieben. Das traditionell politisch extrem diskret
agierende Königshaus ließ vergangenen Dezember seinem Zorn über Obamas
Syrienstrategie in frappierender Offenheit Luft, nachdem der
US-Präsident von seiner Drohung eines Militärschlags gegen Syrien,
sollte Präsident Assad chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung
einsetzen, zurückgewichen war. Schon drei Jahre zuvor versetzte Obama
den Saudis einen schweren Schock, als er den langjährigen ägyptischen
Verbündeten, Präsident Mubarak, auf dem Höhepunkt der Revolution im
Februar 2011 zum Rücktritt drängte. Das Haus Saud wertete dies als
klaren Verrat und fühlte sein Vertrauen zur amerikanischen Schutzmacht
zutiefst erschüttert. Umso freudiger begrüßte Riad im Juli 2013 den
Militärputsch gegen den ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens, den
Moslembruder Mursi, und stellte ein Multi-Milliarden-Hilfspaket,
unterstützt von Kuwait und den Vereinten Arabischen Emiraten für das
neue mit gigantischen ökonomischen Problemen kämpfende Übergangsregime
am Nil auf, das – so die Saudis - die Ordnung am Nil wiederherstellte
und damit auch das für das Haus Saud gefährliche Beispiel revolutionärer
Veränderung zum Scheitern brachte. Riad knüpft auch seine enorm
großzügige Hilfe an Ägypten keineswegs an die Wiederherstellung
demokratischer Ordnung, ganz im Gegenteil. Mit dieser Unterstützung
wollen und werden die Saudis Washingtons Bemühungen untergraben,
US-Hilfe als Druckmittel für demokratische Reformen einzusetzen.
Doch auch anderswo in der Region sehen Saudis und Amerikaner mit
einem Schlag ihre Interessen diametral entgegengesetzt, ganz zu
schweigen von den gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Königreich,
die ein um Versöhnung bemühter Obama wohl kaum energisch ansprechen
wird. Bahrain sei erwähnt, wo Saudi-Arabien die Niederschlagung einer
friedlichen Revolution der diskriminierten schiitischen Mehrheit durch
Militärintervention ermöglichte.
Kernproblem aber ist Syrien. Beobachter erwarten, dass König
Abdullah Obama drängen wird, energische Schritte zum Sturz Assads zu
setzen. Der Monarch verfolgt entschlossen das Ziel, in Damaskus eine
sunnitische Regierung an die Macht zu hieven, die mit Assads
Bündnispartnern Iran und der libanesischen Hisbollah bricht und
schließlich die Hisbollah auch von ihrer dominierenden Macht im Libanon
verjagt. Saudi-Arabiens geopolitische Position im Rivalitätskampf mit
dem Iran wäre damit entscheidend gestärkt. Um den über den wachsenden
Einfluss radikaler von Riad unterstützter Jihadis besorgten Obama zu
größerer Entschlossenheit in der Syrienkrise zu überreden, erließ
Abdullah im Februar ein königliches Dekret, das Saudis die Reise nach
Syrien zum Anschluss an Jihadi-Gruppen unter Androhung von bis zu
20-jährigen Haftstrafen verbietet. Nach Schätzungen kämpfen derzeit etwa
2.500 Saudis in Syrien, einige von ihnen auch als führende Kommandeure
in der mit Al-Kaida verbündeten „Al-Nusra“. Zugleich wurde der
bisherige Verantwortliche für die „Syrien-Akte“, Geheimdienstchef Bandar
bin Sultan von Innenminister Mohammed bin Nayef abgelöst, der in
Washington größere Achtung genießt, selbst einem Anschlag der Al-Kaida
knapp entging und weit weniger als sein Vorgänger bereit sein dürfte,
mit radikalen Jihadis saudische Interessen in der Region zu verfolgen.
Zudem wächst angesichts der hemmungslosen Brutalität der Jihadis in
Syrien die Angst unter den saudischen Prinzen, dass al-Kaida dort noch
mehr erstarken und ihren Terror schließlich gegen das Königshaus selbst
richten könnte. Hier treffen sich amerikanische und saudische
Interessen.
Vor allem aber wird Obama die Sorge Abdullahs und dessen arabischen
Amtskollegen am Persischen Golf vor einem bevorstehenden schwachen
Atomabkommen der Weltmächte mit dem Iran, das Teheran längerfristig die
Produktion von Atomwaffen und geopolitischen Expansionismus ermöglichen
könnte zerstreuen müssen. Die ohnedies traditionell stets latenten
Sicherheitsängste des Hauses Saud wurden jüngst noch wesentlich
verstärkt durch die Sorge, Washington könnte seinen Verbündeten im
entscheidenden Moment im Stich lassen. Anzeichen dafür glaubt man im
verminderten US-Interesse an der Region zu erkennen. Saudische
Kommentatoren sprechen gar von einem „amerikanisch-iranischen Komplott „
zur Untergrabung des Königreiches. Diese Sorge grenzt an Paranoia,
setzen doch die USA ihre höchst intensive militärische Kooperation mit
Riad, wie mit anderen Golfstaaten entschlossen fort. Allein mit
Saudi-Arabien schloss Washington seit 2010 Waffenlieferverträge im Wert
von mehr als 86 Mrd. Dollar.
Trotz stark unterschiedlicher Werte, verbinden die USA und
Saudi-Arabien immer noch wichtige gemeinsame Interessen. Auch Washington
will Irans Hegemoniestreben eindämmen, auch das Haus Saud fürchtet eine
erstarkende Al-Kaida und beide müssen einen sich stetig verschärfenden
Krieg zwischen den radikalen Strömungen um die Zukunft des Islams
fürchten und – hier ist vor allem Riad gefordert – sich intensiv für
Dialog und Versöhnung einsetzen.
Beide Seiten wissen, dass sie für ihre strategische Partnerschaft
keine Alternative finden. Sie müssen sie nur angesichts der neuen
Realitäten in der Region auf eine neue, konstruktive Basis stellen.
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