Keine der großen Städte Syriens bekam in den drei Jahren des
Krieges zwischen Diktator Assad und seinen Gegnern die Wut des zunehmend in die
Enge getriebenen Regimes schmerzlicher zu spüren als Homs. Noch lassen sich die
menschlichen Tragödien, lässt sich die Zahl der Todesopfer, der physisch und
seelisch Verwundeten, der Verhungerten kaum erahnen Erschütternde Bilder ausgemergelter
Gestalten, offenbar an Hunger Gestorbener finden den Weg ins Internet. Wie viele Menschen aus der Hölle dieser seit
etwa zwei Jahren von Regierungstruppen belagerten Stadt flüchteten, wie viele
ihre Heime verloren und in den Trümmern zerbombter Häuser Unterschlupf fanden,
weiß vorerst niemand. Homs ist nur eine der Stätten erbarmungsloser Grausamkeit
in diesem Krieg, in dem die Brutalität keine Grenzen kennt. Doch Homs steht nun
im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit. Ein erster kleiner Schritt –
Waffenstillstand, der humanitäre Hilfe für 2.500 Eingeschlossene ermöglichen
soll – könnte, wenn erfolgreich, den Weg zu weiteren – zunächst winzigen, doch
vielleicht zunehmend größeren Schritten der Verständigung zwischen den
Todfeinden ebnen.
Unabhängig von dieser symbolischen Bedeutung, spielt Homs
eine zentrale Rolle in diesem Krieg um Syriens Schicksal.
Schon die geografische Lage inmitten einer fruchtbaren
Region am Orontes-Fluss, dem natürlichen Tor von der syrischen Mittelmeerküste
in das Landesinnere, hat Homs von alters her zu einem wichtigen Handelszentrum
gemacht. Schon im dritten Jahrtausend v.Chr. wurde der Zitadellenhügel besiedelt. Später entstand dort eine Stadt mit
dem Namen Emsa, die in der frühen römischen Kaiserzeit dank ihrer Lage an der
Karawanenstraße zum Persischen Golf und weiter nach Indien und China einen
wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung erfuhr. Unter byzantinischer
Herrschaft wurde die Stadt zu einem
Zentrum der Christenheit und bis zu Beginn der Rebellion gegen das Assad-Regime
lebten in Homs mehr als hunderttausend Christen, überwiegend in dem seit mehr
als 600 Tagen belagerten historischen Stadtkern.
Mit einer Bevölkerung von geschätzten 1,5 Millionen war Homs
bis zu Kriegsbeginn die drittgrößte Stadt Syriens, mehrheitlich von Sunniten
bewohnt. In südöstlichen Stadtvierteln leben jedoch auch geschätzte 370.000
Alewiten, Angehörige der Minderheit, die mehr als drei Jahrzehnte unter Führung
des Assad-Clans das Land beherrschte. Wiewohl eine Hochburg der sunnitischen
Moslembruderschaft, die 1982 einen mit ungeheurer Brutalität niedergeschlagenen
Aufstand gegen das Assad-Regime in Hama gewagt hatte, herrschte bis 2011 in Homs weitgehende
Harmonie zwischen den Bevölkerungsgruppen. Die Stadt entwickelte sich zu einem
wichtigen Industriezentrum des Landes. Es ist aber insbesondere die
strategische Lage an den Hauptverbindungsstraßen von Damaskus zur syrischen und
irakischen Grenze, zur größten Stadt des Landes, Aleppo und zum Mittelmeer, die
die volle Kontrolle von Homs für jene unverzichtbar macht, die Syrien
beherrschen wollen. Zudem ist die Region um Homs auch Sitz der wichtigsten
Militärinstitutionen des Staates.
Dass unter der ruhigen Oberfläche der Stadt in der
sunnitischen Bevölkerung der Zorn auf das Regime brodelte, zeigte sich bald
nach den Protesten in der südwestlichen Stadt Deraa, die Mitte März die
Revolution gegen Assad auslösten. Innerhalb von wenigen Wochen erhoben sich in
Homs Tausende Menschen . Wiederholte Demonstrationen wurden brutal von
Sicherheitskräften niedergeschlagen, Dutzende Tote bezahlten ihren Zorn mit dem
Leben. Doch Assads Gegner in der Stadt
ließen sich nicht einschüchtern. Für die syrische Opposition wurde Homs mit
seiner mutigen Bevölkerung zum Symbol, zur „Hauptstadt der Revolution.
Rebellengruppen eroberten einen Großteil der Stadt und dem Regime gelang es
erst 2013, dank Unterstützung der libanesischen Hisbollah, Stadtviertel um
Stadtviertel, wie auch die strategisch wichtigen Vororte zurück zu erobern. Nur
die Altstadt bleibt von Tausenden Rebellen kontrolliert, deren Widerstandskraft
Assad durch hemmungslose Bombardements und eine Aushungerungskampagne zu
brechen hofft. Aktivisten berichten von gravierender Unterernährung,
verzweifelten Menschen, die sich mit Gras, Pflanzen oder Oliven vor dem
Hungertod zu retten suchen. Teile der Stadt gleichen einer Trümmerwüste.
Die Harmonie zwischen den Bevölkerungsgruppen ist längst
geschwunden. Christen werden, wie in anderen Teilen Syriens, Ziel
islamistischer Rebellen. Wenn
Regierungssoldaten Positionen der Opposition in der Stadt angriffen,
attackierten Rebellen die alawitischen Stadtviertel. Wiewohl die Alawiten der
Stadt bis 2011 zu jenem Teil der Minderheit zählten, die vom Regime nicht
privilegiert wurde und ihm deshalb auch geringe Sympathie entgegenbrachte, wurden
sie nach Ausbruch der Rebellion von den Sunniten pauschal als Feinde angesehen,
die zudem nicht zu den ursprünglichen Einwohnern von Homs zählten, weil sie
erst nach der Machtübernahme von Hafez el Assad in den 1960er Jahren aus
nahegelegenen Dörfern in die Stadt gezogen waren. Doch wachsende
Überlebensängste lassen der Minderheit
nun keine Wahl als sich voll hinter das Assad-Regime zu stellen, um dessen Sieg
in Homs zu sichern.
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