Mittwoch, 19. Februar 2014

Die neue Arena der Jihadis

Immer stärker wird der Libanon in die blutigen Konflikte der Region hineingerissen – Ein „Opfer des Terror-Krieges“
 
von Birgit Cerha
 
Und wieder rissen zwei Autobomben im höchst belebten Beiruter Schiiten-Vorort Bir Hasan vier Menschen in den Tod und mindestens 80 wurden verletzt. Und wieder zielten die Terroristen auf eine Vertretung des Irans in der libanesischen Hauptstadt, diesmal das 100 Meter vom Tatort entfernte Kulturzentrum der Islamischen Republik. Die mit dem Al-Kaida-Netzwerk verknüpften libanesischen „Abdullah Azzam Brigaden“ bekannten sich zu dem Anschlag, wie auch zu der ersten schweren Attacke gegen die iranische Botschaft in Beirut, bei der im November Dutzende Menschen ums Leben gekommen waren. Es sind die jüngsten Hinweise auf eine alarmierende Eskalation des Terrors, der den kleinen Mittelmeerstaat mehr und mehr in die grauenvollen Turbulenzen des Syrien-Krieges hineinzureißen droht.
Erstaunlich lange konnte sich der Libanon nach Beginn der Rebellion gegen das syrische Assad-Regime von der Gewalt im Nachbarstaat abschirmen. Doch seit die mit Assad und dem Iran verbündete und kampferprobte schiitische Hisbollah-Organisation dem bedrängten Damaszener Regime vor neun Monaten militärisch zu Hilfe kam, versuchen in Syrien kämpfende Jihadis  des Al-Kaida-Netzwerkes Hisbollah für dieses für Assad so entscheidende Engagement durch Terror gegen jene Regionen im Libanon –  Süd-Beirut und die Bekaa-Ebene – zu „bestrafen“, wo die Organisation ihren stärksten Rückhalt unter der Bevölkerung besitzt. Die Opfer dieser Gewalt sind fast ausschließlich Zivilisten, die – so die offensichtliche Kalkulation der radikalen sunnitischen Terroristen – Hisbollah-Chef Nasrallah zum Rückzug aus Syrien bewegen sollen. Seit dem Sommer 2013 wurden rund 50 Libanesen durch Autobomben und Selbstmordattacken getötet, zu denen sich meist die syrische Al-Nusra und die irakische ISIS (Islamischer Staat des Iraks und Groß-Syriens) bekannten.
Die Verschärfung der Spannungen zwischen den libanesischen Bevölkerungsgruppen – insbesondere Sunniten und Schiiten – ermutigten militante sunnitische Salafisten, die im Irak und in Syrien für die Errichtung eines islamischen Kalifats gegen das Regime in Bagdad und gegen Assad kämpfen, nun auch im Libanon Stützpunkte einzurichten. Zunehmend aktiv sind im Libanon die „Abdullah Azzam Brigaden“, die sich den Schutz sunnitischer Muslime zum deklarierten Ziel setzen und wiederholt die Vorherrschaft der Schiiten, insbesondere Hisbollahs, im Libanon kritisieren.  Die „Brigaden“ wurden laut US-Außenministerium 2009 gegründet und tragen den Namen des  Mitbegründers des Al-Kaida-Netzwerkes und Mentros von Osama Bin Laden.  2010 haben sie sich zu einem größeren Anschlag auf einen japanischen Öltanker in der Straße von Hormuz im Persischen Golf bekannt. Mehrere Zweige der „Abdullah Azzam Brigaden“ verübten Terrorakte auf der Arabischen Halbinsel, in Afghanistan und in Pakistan. Seit 2012 sind sie vermehrt aktiv im Libanon, wo sie Schiiten bedrohen, die das syrische Regime unterstützen. Die „Brigaden“ haben aber auch Attacken gegen westliche Ziele im Mittleren Osten angedroht und Libanesen zur Rebellion, sowie Saudis zum Sturz des Königshauses aufgerufen.
Während Hisbollah-Chef Nasrallah seine Entschlossenheit bekräftigt, die wohl auch für sein eigenes politisches Überleben ausschlaggebende strategische Bedeutung zur aktiven militärischen Unterstützung Assads nicht wieder rückgängig zu machen, verschärft der Terror der Jihadis die Spannungen zwischen den libanesischen Bevölkerungsgruppen und steigert dramatisch die Angst vor einem Neuausbruch des katastrophalen Bürgerkrieges, der den kleinen Levantestaat von 1975 bis 1990 ausgeblutet hatte.
Nach fast 30-jähriger Besatzung durch die syrische Armee (von 1976 bis 2005) ist der Libanon aufs engste mit dem Schicksal Syriens verflochten.  Immer noch hat Assad dort starke Verbündete und ebenso emphatisch gegen ihn verschworene Feinde. Hierin liegt auch der Grund, warum jede der libanesischen Fraktionen  und jede Bevölkerungsgruppe – die schiitische Mehrheit, ebenso wie die Sunniten, die Christen u.a. – ihre eigene Zukunft aufs engste mit dem Ausgang des Krieges im Nachbarstaat verknüpft sieht. Je länger dieser Krieg andauert, desto mehr verhärten sich die Frontlinien im Libanon.  Hisbollahs Syrien-Engagement führt, je länger es anhält, zu einer stetigen Radikalisierung der libanesischen Sunniten, deren Sympathie für und Bereitschaft zur Unterstützung der Jihadis in Syrien stetig wächst. Der Libanon, so klagen Terror-Experten in Beirut, werde damit zunehmend zu einer neuen „Arena des Jihad“ . „Der Syrien-Konflikt ist nicht ein klassischer Krieg“, meint der Beiruter Professor für internationale Beziehungen, Sami Nader. „Er wird zunehmend zu einem Terrorkrieg, der in Syrien, im Irak und (nun auch) im Libanon“ geführt wird.“
Nur eine starke Einheitsregierung, die sich auf eine starke Armee zur Abdichtung der Grenzen stützen könnte, würde das Land vor einem Absturz blutiges Chaos bewahren. Nach zehn Monaten des Machtvakuums haben sich die libanesischen Fraktionen nun immerhin auf eine breite Koalitions-Regierung geeinigt und damit ihren Willen zur Kooperation gezeigt, um das Land vor einem erneuten Bürgerkrieg zu bewahren. Doch selbst Innenminister Marwan Charbel gesteht offen ein, „solange Syrien im Aufruhr bleibt“ und Regionalmächte wie Saudi-Arabien und Iran mitmischen,“ kann der Libanon nicht auf Sicherheit und Stabilität hoffen“.

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