Die internationale Friedenskonferenz kann nur ein erster kleiner Schritt auf einem langen Weg zum Ende des Krieges sein
von Birgit Cerha
Wenn
sich am Mittwoch Vertreter von mehr als 30 Staaten im schweizerischen
Montreux an den Verhandlungstisch setzen, dann werden sie einen Prozess
neu beleben, der seit Juni 2012 vollends in Stocken geraten war. Damals
hatte die „Aktionsgruppe für Syrien“ (der Ständigen Mitglieder des
Weltsicherheitsrates und wichtigen Nachbarländer Syriens) im „Genfer
Kommunique“ den Rahmen für die politische
Umgestaltung in Syrien, ein Ende der Herrschaft Bashar el Assads und den
Weg zu einem demokratischen System festgelegt. Seither steckte die
Suche nach einem Mechanismus zur Beendigung der katastrophalen
Selbstzerstörung Syriens in der Sackgasse, während das Land immer tiefer
in einem erbarmungslosen Bürgerkrieg versank.
Das
„Genfer Kommunique“ bildet nun die Basis für diesen Friedensanlauf, der
zum erstenmal seit Ausbruch des Krieges vor fast drei Jahren Vertreter
des Assad-Regimes mit zumindest einigen Oppositionellen an einen Tisch
bringen soll. Doch bis zuletzt hängt ein großes Fragezeichen über dieser
Konferenz, zu deren Teilnahme sich der innerlich tief zerstrittene, vom
Westen unterstützte oppositionelle Dachverband „Syrische Nationale
Koalition“ (SNK) Samstag nach heftigen Debatten und gravierenden
Widerständen durchgerungen hatte, nur um kaum 48 Stunden später mit
einem Boykott zu drohen, sollte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon seine
überraschende Einladung an den Iran nicht rückgängig machen. Eine
Teilnahme Teherans, des neben Rußland wichtigsten Verbündeten Assads,
ist von entscheidender Bedeutung für einen Erfolg dieser ersten
ernsthaften Suche nach Verständigung und Kompromiß. Und die neue
pragmatische Führung in Teheran nahm die Einladung ohne Vorbedingungen
an, zeigte sich laut Ban Ki-moon aber bereit, das „Genfer Kommunique“
als Verhandlungsbasis zu akzeptieren – eine Bedingung, an die Washington
Irans Platz am Verhandlungstisch knüpft.
Das
hektische Tauziehen um die Teilnahme an dieser Konferenz illustriert
die vorerst unüberbrückbar erscheinende Kluft zwischen den Gegnern und
deren internationalen Förderern. Die Glaubwürdigkeit der
Verhandlungsteams ist Grundvoraussetzung dafür dass „Genf II“ nicht
sofort scheitert. Hauptprobleme dabei sind die Vertreter der
Assad-Gegner. SNK, im türkischen Exil stationiert, fehlt es nicht nur an
einer effizienten Führung, sondern auch an Rückhalt unter der syrischen
Bevölkerung. Wozu immer sie am Verhandlungstisch zustimmen mag, sie
besitzt weder Macht noch Einfluss, dies auch in die Tat zu setzen. Zwar
sprach sich der Chef des vom Westen unterstützten „Höchsten
Militärrates“, General Idris, für die Unterstützung „einer Lösung“ aus,
„die einen politischen Führungswechsel“ garantiere. Doch auf den
syrischen Schlachtfeldern geben die von Saudi-Arabien und anderen
Golfstaaten geförderten Jihadis den Ton an und die radikalsten unter
ihnen „Ahrar al-Sham“, Nusra und „Islamischer Staat im Irak und Syrien“
(ISIS) lehnen energisch jedes Gespräch mit Assad ab. „Wir können nicht
zulassen, dass das Genf II-Spiel das Volk zum Narren hält“, wettert
Nusra-Chef Al-Joulani. Die jüngst für den Kampf gegen die mit Al-Kaida
verbündeten Jihadis gebildete und trotz ihrer mehrheitlich
salafistischen Mitglieder vom Westen unterstützte „Islamische Front“
klassifiziert die Teilnahme an „Genf II“ als „Hochverrat“.
Andere
große Hürden auf dem Weg zu einer Verständigung sind die bitteren
internationalen und regionalen Rivalitäten, insbesondere die Feindschaft
zwischen dem die Jihadis unterstützenden Saudi-Arabien und dem Iran.
Rußland und die westlichen Mächte haben sich in den vergangenen Monaten
immerhin auf drei Hauptziele geeinigt: Beendigung der Gewalt; Erhaltung
der Einheit und der Staatsstrukturen (einschließlich der Streitkräfte)
Syriens; Eliminierung radikaler islamistischer
Gruppen. Doch in vielen wichtigen Fragen herrscht kein Konsens,
insbesondere jener des Schicksals Assads und seines Clans. Während der
Westen und die syrische Opposition auf der
Bildung einer „Übergangsregierung“ als „einzige Quelle der Legitimität
und Legalität in Syrien“ bestehen und bedingungslos verlangen, dass
„Assad und seine engsten Mitstreiter mit Blut an den Händen“, keine
Rolle im neuen Syrien spielen dürfen, können sich weder Moskau, noch der
Iran mit einem Abgang ihres syrischen Verbündeten anfreunden. Und
jüngste militärische Geländegewinne haben das Selbstvertrauen des
Diktators wesentlich gestärkt. Assad entsendet seine Vertreter nicht
nach Montreux, damit diese über seinen Abtritt verhandeln. Er bietet
sich vielmehr als Partner im internationalen Kampf gegen den
islamistischen Terror an und läßt seine Bereitschaft zur
Wiederkandidatur bei den Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr
durchblicken. Zugleich hofft er wohl, durch vertrauensbildende Schritte,
die er am Vorabend der Konferenz anbot, sein Image international
aufzupolieren.
Vor
diesem Hintergrund überraschen die zahlreichen kritischen Stimmen
nicht, die „Genf II“ ein „Fiasko“ voraussagen oder – wie vor allem
syrische Oppositionelle – befürchten, die Verhandlungen könnten Assad
wichtigen Zeitgewinn verschaffen, um seine Position in einem Krieg zu
stärken, der militärisch nicht zu gewinnen ist, solange der
Waffennachschub von außen nicht stoppt. Und dennoch bietet diese
Konferenz der vom Krieg zermalmten Zivilbevölkerung die einzige Hoffnung inmitten verzweifelter Hoffnungslosigkeit, die Hoffnung, dass
dieser diplomatische Friedensversuch lokale Friedensinitiativen, die
mehr und mehr im ganzen Land entstehen, Ermutigung von außen erhalten,
der Zivilbevölkerung eine Atempause schenken und so dringend benötigte
Hilfe. Damit wären erste, humanitär so wichtige Schritte gesetzt, die
einen mühseligen und langen Prozess zum Ende der Gewalt einleiten
könnten.
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