Donnerstag, 16. Januar 2014

Ägypter billigen neue Verfassung

Doch Beobachter beklagen ein Klima der Einschüchterung  und Schritte zurück auf dem Weg zur Demokratie
 
von Birgit Cerha
 
Es erinnert an die Zeit des 2011 gestürzten Diktators Hosni Mubarak: 97,7 Prozent Ja- und 2,3 Prozent Neinstimmen zum Verfassungsentwurf. So lautet das von der Tageszeitung „Al-Ahram“ veröffentlichte inoffizielle Endergebnis des zweitägigen Verfassungsreferendums. Während der 30-jährigen Herrschaft Mubaraks konnte die Regierungspartei ebenso stets weit über 90 Prozent der Stimmen „gewinnen“. 
Doch wichtiger als die Zustimmung ist die Wahlbeteiligung. Und diese liegt laut „Al Ahram“ mit 36 Prozent um nur knapp vier Prozent über jener des von der Moslembruderschaft unter Präsident Mursi organisierten Verfassungsreferendums von 2012, bei dem der von den Islamisten durchgepeitschte Grundgesetzentwurf von 63 Prozent der Wähler gebilligt wurde. Von überwältigender Zustimmung, wie Ägyptens Führer unter dem neuen starken Mann General Al-Sisi dies in ersten Kommentaren gerne darstellen, ist damit keine Rede. Nicht nur ist ein großer Teil der Bevölkerung dem Boykottaufruf der jüngst als Terrororganisation gebrandmarkten Moslembruderschaft gefolgt. Menschenrechtsaktivisten und unabhängige Beobachter beklagen auch die äußerst repressive Atmosphäre der Wahltage. Mehr als 400 Personen, darunter viele Anhänger der Moslembruderschaft, wurden laut Innenministerium festgenommen , bei Gewaltakten kamen rund ein Dutzend Menschen ums Leben.  Zwar erklärte eine Sprecherin des unabhängigen Ibn Khaldoun-Zentrums für Demokratie in Kairo, das die Wahlkommission rasch auf Berichte von Unregelmäßigkeiten reagiert hätten., doch mindestens sieben Aktivisten werden angeklagt, weil sie für ein „Nein“ geworben hatten.
Zwar sieht die neue Verfassung größere Freiheiten, Gleichberechtigung von Frauen und mehr Rechte für die Christen vor. Doch viele Staaten der Region liefern eindrucksvolle Beispiele für die Widersprüche zwischen den in Grundgesetzen festgeschriebenen Rechten und der politischen Praxis. Dass Ägyptens derzeitige Führer anders agieren, erscheint angesichts der dezeitigen Praxis massiver Repression nicht nur von Islamisten, sondern auch zunehmend von säkularen Oppositionellen höchst fraglich.
Doch die ägyptische Börse erreichte Donnerstag den höchsten Stand seit drei Jahren und die Tageszeitung Al-Youm Al-Sabea“ frohlockte: „Die Ägypter unterzeichneten das Todesurteil für die Moslembruderschaft“. Demgegenüber aber mahnt die angesehene „Carnegie Endowment for International Peace“ in Washington internationale Führer davor, einem „fehlerhaften und undemokratischen Prozess“ Legitimität zu verhleihen. Auch die Internationale Juristenkommission in Genf beklagt das „Klima der Angst“, in dem das Referendum stattfand.
Das offizielle Endergebnis wird am Samstag erwartet.

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