Doch Beobachter beklagen ein Klima der Einschüchterung und Schritte zurück auf dem Weg zur Demokratie
von Birgit Cerha
Es erinnert an die Zeit
des 2011 gestürzten Diktators Hosni Mubarak: 97,7 Prozent Ja- und 2,3
Prozent Neinstimmen zum Verfassungsentwurf. So lautet das von der
Tageszeitung „Al-Ahram“ veröffentlichte inoffizielle Endergebnis des
zweitägigen Verfassungsreferendums. Während der 30-jährigen Herrschaft
Mubaraks konnte die Regierungspartei ebenso stets weit über 90 Prozent
der Stimmen „gewinnen“.
Doch wichtiger als die
Zustimmung ist die Wahlbeteiligung. Und diese liegt laut „Al Ahram“ mit
36 Prozent um nur knapp vier Prozent über jener des von der
Moslembruderschaft unter Präsident Mursi organisierten
Verfassungsreferendums von 2012, bei dem der von den Islamisten
durchgepeitschte Grundgesetzentwurf von 63 Prozent der Wähler gebilligt
wurde. Von überwältigender Zustimmung, wie Ägyptens Führer unter dem
neuen starken Mann General Al-Sisi dies in ersten Kommentaren gerne
darstellen, ist damit keine Rede. Nicht nur ist ein großer Teil der
Bevölkerung dem Boykottaufruf der jüngst als Terrororganisation
gebrandmarkten Moslembruderschaft gefolgt. Menschenrechtsaktivisten und
unabhängige Beobachter beklagen auch die äußerst repressive Atmosphäre
der Wahltage. Mehr als 400 Personen, darunter viele Anhänger der
Moslembruderschaft, wurden laut Innenministerium festgenommen , bei
Gewaltakten kamen rund ein Dutzend Menschen ums Leben. Zwar erklärte
eine Sprecherin des unabhängigen Ibn Khaldoun-Zentrums für Demokratie in
Kairo, das die Wahlkommission rasch auf Berichte von Unregelmäßigkeiten
reagiert hätten., doch mindestens sieben Aktivisten werden angeklagt,
weil sie für ein „Nein“ geworben hatten.
Zwar sieht die neue
Verfassung größere Freiheiten, Gleichberechtigung von Frauen und mehr
Rechte für die Christen vor. Doch viele Staaten der Region liefern
eindrucksvolle Beispiele für die Widersprüche zwischen den in
Grundgesetzen festgeschriebenen Rechten und der politischen Praxis. Dass
Ägyptens derzeitige Führer anders agieren, erscheint angesichts der
dezeitigen Praxis massiver Repression nicht nur von Islamisten, sondern
auch zunehmend von säkularen Oppositionellen höchst fraglich.
Doch die ägyptische Börse
erreichte Donnerstag den höchsten Stand seit drei Jahren und die
Tageszeitung Al-Youm Al-Sabea“ frohlockte: „Die Ägypter unterzeichneten
das Todesurteil für die Moslembruderschaft“. Demgegenüber aber mahnt die
angesehene „Carnegie Endowment for International Peace“ in Washington
internationale Führer davor, einem „fehlerhaften und undemokratischen
Prozess“ Legitimität zu verhleihen. Auch die Internationale
Juristenkommission in Genf beklagt das „Klima der Angst“, in dem das
Referendum stattfand.
Das offizielle Endergebnis wird am Samstag erwartet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen