Terroranschlag gegen die iranische Botschaft ist ein
Signal des eskalierenden Krieges um die „Seele
des Mittleren Ostens“
von Birgit Cerha
Seit Beginn des Syrien-Krieges vor zweieinhalb Jahren
herrschte im kleinen libanesischen Nachbarland panische Angst, voll in den
Strudel der Gewalt hineingezogen zu werden. Die zwei katastrophalen
Bombenexplosionen, die Dienstag im Bereich der iranischen Botschaft in Beirut
mindestens 23 Menschen töteten, mehr als 150 zum Teil schwer verwundeten und
gigantischen Sachschaden überwiegend an Wohnblocks anrichteten, ließen die
schlimmsten Befürchtungen der Libanesen Wirklichkeit werden. Nicht nur droht
der Libanon nun voll in den Syrienkrieg hineingezogen zu werden, das
Blutvergießen um die Macht in Damaskus erhält damit eine neue, eine
regionalpolitische Dimension. Den Tätern war es gelungen, in die am besten
geschützte Region des Libanons einzudringen und enormen Schaden anzurichten.
Terrorexperten sehen allein dies als Beweis dafür, dass es sich um eine äußerst
schlagkräftige, von außen unterstützte Organisation handelt.
Die iranische Botschaft, im schiitischen Süd-Beirut, nahe
des Hauptquartiers der libanesischen Hisbollah, des wichtigsten strategischen
Verbündeten der „Islamischen Republik“ im Nahen Osten, gelegen, ist durch ein
vom iranischen Geheimdienst angelegtes hocheffizientes Sicherheitssystem und
zahlreiche höchst vertrauenswürdige Sicherheitsagenten bewacht. Dass die
Terroristen dieses Sicherheitssystem durchdringen konnten, bedeutet für den
Iran und die Hisbollah höchstes Alarmsignal – eine Botschaft eskalierenden
Terrors.
Seit Hisbollah im Juni erstmals das bedrängte syrische
Regime Assad militärisch unterstützte und entscheidend den Sieg der syrischen
Regierungssoldaten um die strategisch wichtige Stadt Kusair ermöglichte, ist
die Gewalt wiederholt aus Syrien in den Libanon übergeschwappt. Zahlreiche
sunnitische Jihadi-Gruppen, syrische, aber auch libanesische, drohten Hisbollah
mit Vergeltungsschlägen und verübten auch mehrere Terroranschläge vor allem im
schiitischen Stadtteil Beiruts. Eine direkte Attacke auf die iranische
Botschaft ist jedoch von weit schwerwiegender Dimension.
Die mit Al-Kaida verbündete Jihadi-Gruppe „Abdullah
Assam-Brigaden“ bekannte sich zu dem Anschlag und drohte mit offenem Krieg im
Libanon, sollte Hisbollah nicht sofort alle ihre Kämpfer aus Syrien abziehen
und die inhaftierten Assa-Brigaden freilassen. Diese salafistischen Brigaden,
benannt nach einem der frühesten Jihadi-Kämpfer in Afghanistan, agieren bereits
seit einigen Jahren im Libanon und Syrien und haben jüngst angesichts der
verschärften Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon als Folge des
der militärischen Unterstützung der Hisbollah für Assad unter den libanesischen
Sunniten Anhänger gewonnen.
Der Zeitpunkt des Anschlages könnte auch in Zusammenhang
stehen mit einem massiven Flüchtlingsstrom aus dem syrischen Grenzgebiet in den
Libanon am vergangenen Wochenende. Tausende Zivilisten versuchten, heftigen
Kämpfen zu entkommen, die seit Tagen in dieser Region toben. Es ist eine
Offensive der syrischen Regierungstruppen, mit Hisbollah an vorderster Front,
um den einzigen noch offenen Nachschubweg für Anti-Assad-Rebellen im Gebiet von
Damaskus aus dem Libanon abzuschneiden.
Iran und Hisbollah sind Assads entschlossenste Verbündete. Hisbollah-Chef
Nasrallah bekräftigte vor wenigen Tagen erneut sein Bekenntnis zum Bund mit
Assad und Teheran in der „Widerstandsfront“ gegen Israel und „die Terroristen“,
gemeint sind die sunnitischen Extremisten. Der Anschlag vom Dienstag gilt somit
den Iranern ebenso, wie deren Bündnispartnern.
Analysten in Beirut werden ihn Warnung der von mit Golf-Arabern
unterstützten Jihadis, dass der Iran im Libanon verwundbar ist.
Solche Terrorstrategien rufen bei den kriegsgeplagten
Libanesen die schlimmsten Erinnerungen des 15-jährigen Bürgerkrieges (1975 bis
1990) hervor, als wiederholt ausländische Botschaften in einem Stellvertreterkrieg attackiert wurden. Wieder,
so meinen libanesische Analysten, diene ihr Land als „Mailbox“ der Region, um
regionalpolitische Veränderungen zu signalisieren und zu erzwingen. Diesmal
geht es keineswegs nur um das Engagement des Irans und Hisbollahs in Syrien.
Der Krieg in der Levante artet zu einer
weitreichenden Schlacht zwischen Sunniten und Schiiten um „die Seele des
Mittleren Ostens“ aus. Er könne nur ein
Ende finden, meint der libanesische Analyst Rami Khouri, wenn man das Problem
bei den Wurzeln anpacke, „die tödliche Rivalität zwischen dem (schiitischen) Iran
und dem Führer der Sunniten) Saudi-Arabien“, um Vorherrschaft in der Region.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen