Dienstag, 19. November 2013

Beirut: Die Todesbotschaft der Jihadis

Terroranschlag gegen die iranische Botschaft ist ein Signal  des eskalierenden Krieges um die „Seele des Mittleren Ostens“
 
von Birgit Cerha
 
Seit Beginn des Syrien-Krieges vor zweieinhalb Jahren herrschte im kleinen libanesischen Nachbarland panische Angst, voll in den Strudel der Gewalt hineingezogen zu werden. Die zwei katastrophalen Bombenexplosionen, die Dienstag im Bereich der iranischen Botschaft in Beirut mindestens 23 Menschen töteten, mehr als 150 zum Teil schwer verwundeten und gigantischen Sachschaden überwiegend an Wohnblocks anrichteten, ließen die schlimmsten Befürchtungen der Libanesen Wirklichkeit werden. Nicht nur droht der Libanon nun voll in den Syrienkrieg hineingezogen zu werden, das Blutvergießen um die Macht in Damaskus erhält damit eine neue, eine regionalpolitische Dimension. Den Tätern war es gelungen, in die am besten geschützte Region des Libanons einzudringen und enormen Schaden anzurichten. Terrorexperten sehen allein dies als Beweis dafür, dass es sich um eine äußerst schlagkräftige, von außen unterstützte Organisation handelt.
Die iranische Botschaft, im schiitischen Süd-Beirut, nahe des Hauptquartiers der libanesischen Hisbollah, des wichtigsten strategischen Verbündeten der „Islamischen Republik“ im Nahen Osten, gelegen, ist durch ein vom iranischen Geheimdienst angelegtes hocheffizientes Sicherheitssystem und zahlreiche höchst vertrauenswürdige Sicherheitsagenten bewacht. Dass die Terroristen dieses Sicherheitssystem durchdringen konnten, bedeutet für den Iran und die Hisbollah höchstes Alarmsignal – eine Botschaft eskalierenden Terrors.
Seit Hisbollah im Juni erstmals das bedrängte syrische Regime Assad militärisch unterstützte und entscheidend den Sieg der syrischen Regierungssoldaten um die strategisch wichtige Stadt Kusair ermöglichte, ist die Gewalt wiederholt aus Syrien in den Libanon übergeschwappt. Zahlreiche sunnitische Jihadi-Gruppen, syrische, aber auch libanesische, drohten Hisbollah mit Vergeltungsschlägen und verübten auch mehrere Terroranschläge vor allem im schiitischen Stadtteil Beiruts. Eine direkte Attacke auf die iranische Botschaft ist jedoch von weit schwerwiegender Dimension.
Die mit Al-Kaida verbündete Jihadi-Gruppe „Abdullah Assam-Brigaden“ bekannte sich zu dem Anschlag und drohte mit offenem Krieg im Libanon, sollte Hisbollah nicht sofort alle ihre Kämpfer aus Syrien abziehen und die inhaftierten Assa-Brigaden freilassen. Diese salafistischen Brigaden, benannt nach einem der frühesten Jihadi-Kämpfer in Afghanistan, agieren bereits seit einigen Jahren im Libanon und Syrien und haben jüngst angesichts der verschärften Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon als Folge des der militärischen Unterstützung der Hisbollah für Assad unter den libanesischen Sunniten Anhänger gewonnen.
Der Zeitpunkt des Anschlages könnte auch in Zusammenhang stehen mit einem massiven Flüchtlingsstrom aus dem syrischen Grenzgebiet in den Libanon am vergangenen Wochenende. Tausende Zivilisten versuchten, heftigen Kämpfen zu entkommen, die seit Tagen in dieser Region toben. Es ist eine Offensive der syrischen Regierungstruppen, mit Hisbollah an vorderster Front, um den einzigen noch offenen Nachschubweg für Anti-Assad-Rebellen im Gebiet von Damaskus  aus dem Libanon abzuschneiden.
Iran und Hisbollah sind Assads entschlossenste Verbündete. Hisbollah-Chef Nasrallah bekräftigte vor wenigen Tagen erneut sein Bekenntnis zum Bund mit Assad und Teheran in der „Widerstandsfront“ gegen Israel und „die Terroristen“, gemeint sind die sunnitischen Extremisten. Der Anschlag vom Dienstag gilt somit den Iranern ebenso, wie deren Bündnispartnern.  Analysten in Beirut werden ihn Warnung der von mit Golf-Arabern unterstützten Jihadis, dass der Iran im Libanon verwundbar ist.
Solche Terrorstrategien rufen bei den kriegsgeplagten Libanesen die schlimmsten Erinnerungen des 15-jährigen Bürgerkrieges (1975 bis 1990) hervor, als wiederholt ausländische Botschaften in einem  Stellvertreterkrieg attackiert wurden. Wieder, so meinen libanesische Analysten, diene ihr Land als „Mailbox“ der Region, um regionalpolitische Veränderungen zu signalisieren und zu erzwingen. Diesmal geht es keineswegs nur um das Engagement des Irans und Hisbollahs in Syrien. Der Krieg in der Levante artet  zu einer weitreichenden Schlacht zwischen Sunniten und Schiiten um „die Seele des Mittleren Ostens“ aus.  Er könne nur ein Ende finden, meint der libanesische Analyst Rami Khouri, wenn man das Problem bei den Wurzeln anpacke, „die tödliche Rivalität zwischen dem (schiitischen) Iran und dem Führer der Sunniten) Saudi-Arabien“, um Vorherrschaft in der Region.
 

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